Erich Kästner mit Katze auf dem Arm
Erich Kästner wurde 1899 in Dresden geboren und starb 1974 in München. Der Schriftsteller ist bis heute unvergessen. Bildrechte: Deutsches Literaturarchiv Marbach

50. Todestag Erich Kästner: Das sind seine zehn wichtigsten Werke

29. Juli 2024, 12:18 Uhr

Erich Kästner wurde am 23. Februar 1899 in Dresden geboren, wo er seine Kindheit und Jugend verbrachte. Später studierte er in Leipzig und lebte lange in Berlin. Seine Bücher werden noch heute begeistert gelesen. Neben Gedichten und Romanen sind besonders Kästners Kinderbücher zu Klassikern geworden, wie "Emil und die Detektive" oder "Das doppelte Lottchen". Viele Werke wurden verfilmt oder fürs Theater adaptiert. Seine Bücher sind weltweit in mehr als 60 Sprachen übersetzt worden. Vor 50 Jahren, am 29. Juli 1974, starb Kästner. Wir erinnern an ihn mit zehn seiner wichtigsten Werke.

1. Emil und die Detektive

Erich Kästners Kinderbücher haben Generationen von kleinen – und auch großen – Leserinnen und Lesern begeistert und tun es noch heute. 1929 erschien mit "Emil und die Detektive" sein erster Roman für Kinder – so die Genrebezeichnung von Kästner. Erzählt wird die Geschichte vom zwölfjährigen Emil Tischbein, der allein nach Berlin zu Verwandten reist und im Zug bestohlen wird. Bei der Jagd nach dem Dieb und dem gestohlenen Geld hilft ihm eine Gruppe Berliner Kinder. Die Detektivgeschichte wurde bereits achtmal verfilmt – zuletzt 2001 mit Jürgen Vogel und Maria Schrader. Das Buch ist das einzige von Kästners Werken, das nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten nicht sofort verboten wurde. Im Jahr 1935 erschien sogar noch eine Fortsetzung: "Emil und die drei Zwillinge".

Zitat aus "Emil und die Detektive" "Eine Geschichte, ein Roman, ein Märchen - diese Dinge gleichen den Lebewesen, und vielleicht sind es sogar welche. Sie haben ihren Kopf, ihre Beine, ihren Blutkreislauf und ihren Anzug wie richtige Menschen. Und wenn ihnen die Nase im Gesicht fehlt oder wenn sie zwei verschiedene Schuhe anhaben, merkt man es bei genauem Zusehen."

Gelbes Buchcover von Emil und die Detektive
Erich Kästners Kinderbücher wurden meistens von Walter Trier illustriert. Bildrechte: imago/Schöning

2. Das fliegende Klassenzimmer

Auch das im Jahr 1933 erschienene "fliegende Klassenzimmer" ist zum Kinderbuch-Klassiker geworden. Kästners Schul-Geschichte handelt von fünf befreundeten Internatsschülern, die in der Vorweihnachtszeit ein Theaterstück namens "Das fliegende Klassenzimmer" proben. Gleichzeitig hält sie der Streit mit den traditionell verfeindeten Realschülern auf Trapp, der schließlich eskaliert. Die Sorgen, Nöte und Wünsche der Kinder hat Kästner so zeitlos beschreiben, dass die Geschichte auch 90 Jahre nach dem Erscheinen noch aktuell zu sein scheint: Erst 2023 kam eine Neuverfilmung mit Tom Schilling und Hannah Herzsprung in die Kinos. Insgesamt viermal wurde das Buch inzwischen verfilmt.

Zitat aus "Das fliegende Klassenzimmer" "Wie kann ein Erwachsener seine Jugend nur so vollkommen vergessen, dass er eines Tages überhaupt nicht mehr weiß, wie traurig und unglücklich Kinder bisweilen sein können. Es ist nämlich gleichgültig, ob man wegen einer zerbrochenen Puppe weint oder weil man, später einmal, einen Freund verliert."

3. Pünktchen und Anton

Es ist die Geschichte einer Freundschaft zwischen zwei Kindern aus verschiedenen Welten: Luise, genannt Pünktchen, kommt aus einem wohlhabenden Elternhaus, während ihr Freund Anton in ärmlichen Verhältnissen allein mit seiner kranken Mutter lebt. Doch die Berliner Kinder werden dicke Freunde.

Die Geschichte hat einen realen Hintergrund, auf den Kästner in einem Zeitungsartikel stieß. Kästner war einer der ersten, der Kindergeschichten in der modernen Großstadt ansiedelte und auch soziale Ungerechtigkeit thematisierte. Der 1931 erschienene Kinderroman diente als Vorlage für Theaterstücke, Musicals, eine Kinderoper und mittlerweile drei Verfilmungen. Auch eine Comicversion gibt es. Diese orientiert sich an der Originalillustration von Walter Trier, der die meisten von Kästners Kinderbüchern illustrierte.

Zitat aus "Pünktchen und Anton" "Wenn ein kleiner Junge ein Stück Holz unterm Ofen hervorholt und zu dem Holz 'Hü!' sagt, dann ist es ein Pferd, ein richtiges lebendiges Pferd. Und wenn der große Bruder sich kopfschüttelnd das Holz betrachtet und zu dem kleinen Jungen sagt: 'Das ist ja gar kein Pferd, sondern du bist ein Esel', so ändert das nicht das Geringste daran. Und mit meiner Zeitungsnotiz war es ähnlich. Die anderen Leute dachten: Na ja, das ist eben eine Notiz von zwanzig Zeilen. Ich aber murmelte 'Hokuspokus!', und da war's ein Buch."

Erich Kästner betrachtet eine Bronze-Büste von seinem Kopf
Nach Erich Kästner sind in Deutschland 96 Straßen und mehr als 100 Schulen benannt. Bildrechte: picture alliance/dpa/Goebel

4. Fabian oder Der Gang vor die Hunde

Erich Kästner ist besonders für seine Kinderbücher populär, doch er hat auch Romane für Erwachsene geschrieben. Der wohl bekannteste ist "Fabian", der 1931 mit dem Titel "Die Geschichte eines Moralisten" erschien – aus Angst vor Zensur stark gekürzt. Erst im Jahr 2013 wurde die ungekürzte Originalfassung mit dem Titel "Der Gang vor die Hunde" verlegt. 2021 wurde der Roman von Dominik Graf prominent verfilmt, mit Tom Schilling und Albrecht Schuch.

Kästner zeichnet in seinem Großstadtroman ein Gesellschaftsbild der späten Weimarer Republik, kurz bevor die Nationalsozialisten an die Macht kommen. Der Protagonist Jakob Fabian verliert sich im wilden Berlin der 1920er-Jahre. Von den Nazis wurde der Roman verboten und bei den Bücherverbrennungen verbrannt. Anders als viele seiner Schriftstellerkollegen emigrierte Kästner während der NS-Zeit nicht. Zufällig war er bei der Verbrennung seiner Werke am 10. Mai 1933 anwesend.

Zitat aus "Fabian" "Warum muß es immer so gemacht werden, wie es früher gemacht wurde? Wenn das konsequent geschähen wäre, säßen wir heute noch auf den Bäumen!"

Ein junger Mann mit einer Zigarette im Mund vor einer Backsteinwand.
Tom Schilling spielt in der "Fabian"-Verfilmung von Dominik Graf die Hauptrolle. Bildrechte: Lupa-Film/Hanno Lentz/DCM

5. Drei Männer im Schnee

Der Millionär Geheimrat Tobler nimmt unter falschem Namen an einem Preisausschreiben seiner eigenen Firma teil und gewinnt einen Aufenthalt im noblem Grandhotel Bruckbeuren. Dort wurde man zwar über seinen Besuch informiert, verwechselt aber einen arbeitslosen Werbefachmann mit dem reichen Gast. Als auch noch die Tochter des Geheimrats anreist, ist das Chaos perfekt. Kästner veröffentlichte seine Verwechslungskomödie zunächst unter dem Pseudonym Robert Neuner und als Theaterfassung mit dem Titel "Das lebenslängliche Kind". Denn die Nationalsozialisten hatten ein Publikationsverbot über Kästner verhängt, seine Bücher erschienen im Ausland. Die Komödie "Drei Männer im Schnee" diente war Vorlage für zahlreiche – auch internationale – Verfilmungen.

Programmtipp "Drei Männer im Schnee"
Die unterhaltsame Verwechslungskomödie (Österreich, 1955) nach Erich Kästner können Sie am 21.02.2024, 12:30 Uhr, im MDR Fernsehen sehen – und danach bis zum 28.02.2024 in der ARD Mediathek.

6. Kennst Du das Land, wo die Kanonen blühn?

Das Gedicht zählt zu den bekanntesten von Kästner und ist in seiner ersten, 1928 veröffentlichten Lyrik-Sammlung "Herz auf Taille" erschienen. In den insgesamt sieben Strophen parodiert Kästner das berühmte Gedicht Mignon ("Kennst du das Land, wo die Zitronen blühn?) von Goethe. Statt um die Italiensehnsucht der Deutschen geht es bei Kästner aber um deutschen Militarismus und Kriegsbegeisterung. Seine pazifistische und antimilitaristische Einstellung kommen dabei ebenso zum Ausdruck wie seine Haltung gegenüber litererarischen Traditionen.

Auszug aus "Kennst Du das Land, wo die Kanonen blühn?" Kennst Du das Land, wo die Kanonen blühn?
Du kennst es nicht? Du wirst es kennenlernen!
Dort stehn die Prokuristen stolz und kühn
in den Büros, als wären es Kasernen.

6. Sachliche Romanze und Moral

Erich Kästners Gedicht "Sachliche Romanze" erschien erstmals 1928 in der Vossischen Zeitung und ein Jahr später in seinem zweiten Gedichtband "Lärm im Spiegel". Ganz im Stil der Neuen Sachlichkeit wird hier in vier Strophen eine scheiternde Liebesbeziehung beschrieben. Das eigentlich emotionale Thema wird mit sachlich-distanzierter Sprache dargestellt. Wie auch der Zweizeiler "Moral" wird das Gedicht später in die Sammlung "Dr. Erich Kästners Lyrische Hausapotheke" aufgenommen. Der auch heute noch populäre Band erschien 1936 beim Schweizer Atrium Verlag, denn Kästner durfte in Deutschland nicht mehr publizieren.

Auszug aus "Sachliche Romanze" Als sie einander acht Jahre kannten
(und man darf sagen: sie kannten sich gut),
kam ihre Liebe plötzlich abhanden.
Wie andern Leuten ein Stock oder Hut.

Moral Es gibt nichts Gutes
außer: Man tut es.

8. Als ich ein kleiner Junge war

In seinem autobiografischen Kinderbuch erzählt Erich Kästner von seiner Kindheit in Dresden, wo er 1899 geboren wurde. Er hat seine gesamte Kinder- und Jugendzeit in Dresden verbacht. Er beschreibt seine Heimatstadt, das Alltagsleben der Familie, auch das Aufwachsen seiner Großeltern und Eltern und sein enges Verhältnis zur Mutter. Das 1957 erschienene Buch richtet sich an Kinder, die an mehreren Stellen auch explizit mit "liebe Kinder" angesprochen werden. Die Schilderungen enden mit Beginn des Ersten Weltkrieges, den Kästner später als das Ende seiner Kindheit bezeichnet hat. Bei der Lektüre von "Als ich ein kleiner Junge war" wird deutlich, dass auch andere Kinderbücher Kästners autobiografische Elemente haben.

Zitat aus "Als ich ein kleiner Junge war" "Dresden war eine wunderbare Stadt, voller Kunst und Geschichte und trotzdem kein von sechshundertfünfzigtausend Dresdnern zufällig bewohntes Museum. Die Vergangenheit und die Gegenwart lebten miteinander im Einklang. Eigentlich müßte es heißen: im Zweiklang. Und mit der Landschaft zusammen, mit der Elbe, den Brücken, den Hügelhängen, den Wäldern und mit den Gebirgen am Horizont, ergab sich sogar ein Dreiklang. Geschichte, Kunst und Natur schwebten über Stadt und Tal, vorn Meißner Dom bis zum Großsedlitzer Schloßpark, wie ein von seiner eignen Harmonie bezauberter Akkord."

Erich Kästners Geburtshaus: Ein viergeschossiger Altbau.
Das Geburtshaus von Erich Kästner in der Dresdner Neustadt. Bildrechte: imago images/Sylvio Dittrich

9. Das doppelte Lottchen

Bereits 1942 wollte Erich Kästner die Geschichte von zwei Zwillingen, die heimlich ihre Rollen tauschen, als Film umsetzen. Schließlich erschien "Das doppelte Lottchen" 1949 als Buch. Erzählt wird von zwei neunjährigen Mädchen, Lotte und Luise, die getrennt bei Mutter und Vater aufwachsen, sich zufällig in einem Ferienheim kennenlernen und feststellen, dass sie Zwillinge sind. Sie vertauschen ihre Rollen, was natürlich allerlei Verwirrungen in Gang setzt. Das Buch war für seine Zeit sehr modern und nicht unumstritten: So führte das Thema Scheidung in einem Kinderbuch zu Diskussionen und auch die Figur der Mutter, eine berufstätige und alleinerziehende Frau, war ungewöhnlich. Im Gegensatz zu vielen anderen Kinderbüchern von Kästner sind hier Mädchen die Heldinnen.

Schwarz-Weiß-Fotografie: Zwillingsmädchen, links und rechts von ihnen sitzt ein älterer Mann im Anzug.
Für die erste Verfilmung des doppelten Lottchens schrieb Kästner das Drehbuch, die Zwillinge Isa und Jutta Günther spielen die Hauptrolle, mit im Bild der Regisseur Josef von Bakyam. Bildrechte: picture alliance/dpa | dpa

10. Die Konferenz der Tiere

Kurz nach dem Zweiten Weltkrieg schrieb Erich Kästner ein Kinderbuch über den Zustand der Welt: Weil die Menschen es nicht schaffen, Kriege, Hungersnöte und die Zerstörung der Umwelt zu beenden, greifen die Tiere ein. Vertreter aller Tierarten der Erde treffen sich zu einer internationalen Konferenz, um die Zukunft der Erde und besonders die Kinder zu retten. Kästner setzt sich in der "Konferenz der Tiere" kindgerecht mit der jüngeren Geschichte auseinander. Seine Kritik an Militarismus, Bürokratie und Unmenschlichkeit wird – bei allem Humor – deutlich. Das kam nicht bei allen gut an – als Erich Kästner die Geschichte Walt Disney für einen Film anbot, lehnte er ab – sie war ihm zu politisch.

Quelle: Eigenrecherche MDR KULTUR (ts, lg), redaktionelle Bearbeitung: Lilly Günthner

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Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | 19. Juni 2024 | 07:40 Uhr

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