Erich Loest im Jahr 2013 bei Aufnahmen zu einer TV-Dokumentation über seine Person. Er trägt ein blaues Hemd und ein grauen Jackett.
Der deutsche Schriftsteller Erich Loest kämpfte zeitlebens gegen die Repressionen der SED und setzte sich für Freiheit und Demokratie ein. Bildrechte: MDR/Heribert Schneiders

Todestag am 12. September Fünf Bücher von Erich Loest, die man gelesen haben sollte

12. September 2024, 04:00 Uhr

Erich Loest wird bis heute als "ostdeutscher" Autor bezeichnet, doch spiegeln sich in seinem Leben und Werk auch und gerade die Brüche eines ganzen deutschen Jahrhunderts. Geboren am 24. Februar 1926 im sächsischen Mittweida, trat Loest als junger Mann erst in die Hitlerjugend und dann in die NSDAP ein. 1944 wurde er Soldat der Wehrmacht, geriet in amerikanische Gefangenschaft und folgte nach dem Krieg als Arbeiter in den Leuna-Werken und später als Journalist und Schriftsteller zunächst den Ideen vom Aufbau eines sozialistischen deutschen Staates. 1947 trat er in die SED ein, deren politische Doktrinen er spätestens mit den Arbeiteraufständen im Juni 1953 in Frage stellte. Als angeblicher Konterrevolutionär wurde Loest 1958 zu siebeneinhalb Jahren Zuchthaus verurteilt, schrieb teils unter Pseudonym und geriet immer wieder mit dem DDR-Schriftstellerverband und den Zensur-Behörden aneinander. 1981 siedelte er in die BRD über, gründete seinen eigenen Verlag und kehrte 1998 nach Leipzig zurück. Am 12. September 2013 starb Loest in Leipzig. Diese Bücher bezeugen sein ereignisreiches, widerspruchsvolles Leben:

Erich Loests Romandebüt: "Jungen die übrigblieben"

Loests Romandebüt nimmt die Erfahrungen einer vom Krieg beschädigten Generation auf: Der seinerzeit 24-jährige Autor beschreibt den Werdegang junger Rekruten, die zum Ende des Zweiten Weltkrieges ihr deutsches Vaterland verteidigen sollen – und sei es um den Preis des eigenen Todes. Loest, selbst zum Kriegsende noch zur Wehrmacht eingezogen, zeigt bereits hier seine literarische Begabung: Er erzählt nüchtern und realistisch, solidarisiert sich mit denen, die im Namen einer Ideologie geopfert werden.

Cover eines Buches von Erich Loest: "Jungen die übrigblieben"
Erich Loest schreibt in "Jungen die übrigblieben" über die jungen Männer, die am Ende des Zweiten Weltkriegs als "Kanonenfutter" dienten. Bildrechte: mitteldeutscher verlag

Angaben zum Buch (zum Ausklappen)

Erich Loest: "Jungen die übrigblieben"
Mitteldeutscher Verlag Halle (erstmals erschienen 1950)
312 Seiten, Taschenbuch
ISBN: 978-3-95462-065-4
Preis: 14,95 Euro

Nazi-Satire unter Pseudonym: "Ich war Dr. Ley"

Hier schildert Loest, wie er als junger Mann in die Fänge der NSDAP geriet. In raffinierter Art und Weise bewältigt Loest dieses anspruchsvolle (ästhetisch wie auch politisch nicht ungefährliche) Vorhaben eines komischen, demaskierenden Buches über einen Nationalsozialisten. Vor allem Loests Spiel mit dem Doppelgänger-Motiv schafft die dafür erforderlichen erzählerischen Räume.

Cover eines Buches von Erich Loest: "Ich war Dr. Ley"
Die Satire "Ich war Dr. Ley" veröffentlichte Erich Loest unter seinem Pseudonym Waldemar Naß. Bildrechte: Eulenspiegel Verlag Berlin

Angaben zum Buch (zum Ausklappen)

Waldemar Naß (Erich Loest): "Ich war Dr. Ley"
Eulenspiegel Verlag Berlin, 1971
294 Seiten, gebunden
(antiquarisch erhältlich)

Schlüsselroman zur DDR: "Es geht seinen Gang oder Mühen in unserer Ebene"

Das Buch, veröffentlicht 1978 beim Mitteldeutschen Verlag, wurde von den zuständigen DDR-Kulturbehörden zensiert, was wiederum Loest zum Austritt aus dem DDR-Schriftstellerverband bewog. Ein weiteres Ärgernis aus Sicht der DDR-Oberen: Das Buch erschien im Jahr 1978 auch in der Deutschen Verlags-Anstalt Stuttgart; es wurde in der BRD Schullesestoff und Filmvorlage.

Cover eines Buches von Erich Loest: "Es geht seinen Gang oder Mühen in unserer Ebene"
Im Buch "Es geht seinen Gang oder Mühen in unserer Ebene" schildert Erich Loest das Leben in der DDR der 70er-Jahre. Bildrechte: Linden-Verlag

Im Mittelpunkt des Romans steht der Ingenieur Wolfgang Wülff, der mit Frau und Tochter im Leipziger Oktoberviertel lebt. Aus dieser alltäglichen Konstellation heraus schildert Loest die wirkliche DDR dieser Zeit. Sinnlich und detailliert erfasst er die zu diesem Land gehörenden Gerüche, Losungen, Träume und Schmerzen. Ein Buch, heute so lesenswert wie vor 40 Jahren.

Angaben zum Buch (zum Ausklappen)

Erich Loest: "Es geht seinen Gang oder Mühen in unserer Ebene"
Linden Verlag Leipzig
294 Seiten, gebunden
ISBN: 978-3-86152-021-4
Preis: 18 Euro

Autobiografie: "Durch die Erde ein Riss"

Als Erich Loest 1980 das Manuskript seiner Autobiografie abschloss, wollte es in der DDR niemand drucken. Natürlich nicht – denn Loest erzählt von seiner Verhaftung im Jahr 1957, von einem politisch vorbestimmten Prozess und von seiner Haftzeit im Zuchthaus Bautzen II. Loest besiegt die eigenen Traumata und erzählt von einer politischen Wirklichkeit im System DDR, die so in der DDR-Literatur nicht vorkam und nicht vorkommen durfte. Das Buch erschien 1981 bei Hoffmann und Campe in Hamburg; nach dem politischen Umbruch dann auch im Mitteldeutschen Verlag Halle.

Cover eines Buches von Erich Loest: "Durch die Erde ein Riss"
In seiner Autobiografie "Durch die Erde ein Riss" beschreibt Erich Loest seine Haftzeit im Zuchthaus Bautzen II. Bildrechte: mitteldeutscher verlag

Angaben zum Buch (zum Ausklappen)

Erich Loest: "Durch die Erde ein Riss"
Mitteldeutscher Verlag
432 Seiten, Taschenbuch
ISBN: 978-3-95462-581-9
Preis: 18 Euro

Roman zum Ende der DDR: "Nikolaikirche"

Der Roman, 1995 erschienen, spielt größtenteils in Leipzig und schildert die Zeit zwischen März 1985 und dem 9. Oktober 1989. Bis auf einige Rückblenden, die in die Jahre der Weimarer Republik führen, behandelt das Buch also das politische Geschehen in der DDR der 80er-Jahre – bis zum Zusammenbruch des SED-Systems.

Cover eines Buches von Erich Loest: "Nikolaikirche"
"Nikolaikirche" ist Erich Loests Roman zum politischen Umbruch der DDR. Bildrechte: actionpress/

Loest schildert das Gegeneinander der einzelnen gesellschaftlichen Zellen, die aus Kirchengruppen und Oppositionellen hier, aus Geheimdienstleuten, sich unbeteiligt gebenden Bürgern oder politisch Überzeugten dort bestehen. Alles, was im Herbst 1989 geschieht, wurzelt in den 60er- und 70er-Jahren, und nicht selten greifen die Konflikte mitten hinein in Freundschaften, Liebesbeziehungen oder Familien. "Nikolaikirche" wurde noch im Erscheinungsjahr 1995 verfilmt und ist einer der bekanntesten Romane über den politischen Umbruch in der DDR.

Angaben zum Buch (zum Ausklappen)

Erich Loest: "Nikolaikirche"
Linden Verlag Leipzig
390 Seiten
Preis: 24 Euro
ISBN: 978-3-86152-004-7

Redaktionelle Bearbeitung: Viktoria Adler

Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | 11. September 2024 | 10:30 Uhr

Mehr MDR KULTUR