Der Autor Clemens Meyer, ein Mann mit kurzen Haaren und Brille in schwarzer Jacke
Der Leipziger Schriftsteller Clemens Meyer ist für seine Romane und Erzählungen vielfach ausgezeichnet worden. Bildrechte: picture alliance / dpa | Fredrik von Erichsen

Romane, Storys, Erzählungen Fünf Bücher von Clemens Meyer, die Sie gelesen haben sollten

15. Oktober 2024, 04:00 Uhr

Clemens Meyer wurde 1977 in Halle geboren und ist in Leipzig aufgewachsen. Als Jugendlicher erlebte er die Nachwendezeit mit ihren Aufbrüchen und Enttäuschungen – und fand hier das Futter für seinen Debütroman "Als wir träumten". Meyer studierte von 1998 bis 2003 am Literaturinstitut in Leipzig. Seine Erfahrungen im proletarischen bzw. im Halbwelt-Milieu, die er in Jobs als Wachmann, Möbelpacker, Gabelstaplerfahrer oder während eines Aufenthaltes in der Jugendarrestanstalt Zeithain machte, spiegeln sich bis heute in seinen Texten und werden gern als eine Art "Authentizitätssiegel" verstanden. Meyer wurde mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet, etwa dem MDR-Literaturpreis und dem Preis der Leipziger Buchmesse. Zuletzt war er mit "Die Projektoren" für den Deutschen Buchpreis 2024 nominiert. Wir empfehlen seine fünf besten Bücher.

"Als wir träumten": Roman über die Nachwendezeit in Leipzig

In seinem Debütroman schildert Clemens Meyer die Nachwendegeschichte einer Gruppe von jungen Männern, die im Leipzig der frühen 90er-Jahre die neue Freiheit in ein neues Leben übersetzen möchten. Es geht um Fußball und Musik, um Techno und die dazugehörigen Partys, samt großer Liebe und damit verknüpfter großer Enttäuschung.

In den locker miteinander verfügten Geschichten zeigen sich zugleich die politischen Risse dieser ostdeutschen Zeitenwende: Linke und Rechte prügeln aufeinander ein, und so wie in der Clubszene die Claims abgesteckt werden, so werden auch in Politik und Ökonomie Gewinne verteilt und Niederlagen weitergegeben.

Buchcover von Clemens Meyer: "Als wir träumten", ein Mann in einem Boxring
Clemens Meyers Debüt "Als wir träumten" spielt im Leipzig der Nachwendezeit. Bildrechte: S. Fischer Verlage

Meyers Erstling fand große Aufmersamkeit und wurde später verfilmt. Obwohl dieser Roman vor allem als realistisches Zeugnis eben der Nachwendezeit verstanden wurde, nutzt Meyer hier bereits jene Montage- und Überblendungstechniken, die er dann in den Romanen "Im Stein" und "Die Projektoren" weiterentwickelt.

Angaben zum Buch Roman: "Als wir träumten"
S. Fischer Verlag, 2006
Gebunden, 524 Seiten
ISBN: 978-3-1004-8600-4
19,90 Euro

"Die Nacht, die Lichter": Storys über Außenseiter

Für diesen Band mit Storys wurde Clemens Meyer 2008 mit dem Preis der Leipziger Buchmesse in der Kategorie Belletristik geehrt. Schon der Untertitel, "Stories", gibt einen Hinweis auf die erzählerische Tradition, in der sich Meyer mit diesen Erzählungen bewegt: Es sind Geschichten von Außenseitern der Gesellschaft, wie sie meisterhaft etwa von amerikanischen Autoren, von Ernest Hemingway bis Charles Bukowski oder Denis Johnson, in die Weltliteratur eingepflegt wurden.

Buchcover von Clemens Meyer: "Als wir träumten", Hände auf einem Tresen in dunklem Licht
Clemens Meyers "Die Nacht, die Lichter" wurde mit dem Preis der Leipziger Buchmesse ausgezeichnet. Bildrechte: S. Fischer Verlage

Bei Meyer sind diese Außenseiter Boxer, Trinker oder Arbeitslose; es sind Menschen, die sich aus biografischen Abgründen und Einsamkeiten wieder herauskämpfen müssen – was mal gelingt und mal nicht. Ein Buch, mit vielen zarten und zärtlichen Momenten, mit Bildern vom Überleben ebenso wie vom Scheitern. Meyer landet manchmal auch im Klischee, findet öfter aber noch den authentischen Ton, der ihn und sein Werk bis heute auszeichnet.

Angaben zum Buch "Die Nacht, die Lichter - Stories"
S. Fischer Verlag, 2008
Gebunden, 265 Seiten
ISBN: 978-3-1004-8601-1
18,90 Euro

"Im Stein": Roman mit modernen Erzähltechniken

Einmal mehr steigt Clemens Meyer mit seinem Roman in die Halb- und Unterwelt der ostdeutschen Nachwendegesellschaft. Konsequenter noch als in seinen Vogängerbüchern nutzt er moderne Erzähltechniken, verwischt chronologische und dramaturgische Linien. Ein Mittel, mit dem der Erzähler Meyer die komplexen Ereignis- und Motivationsketten jener Jahre nachzeichnen möchte.

Schwarzes Buchcover mit einem Auge und der Aufschrift: Clemens Meyer: Im Stein
Der Roman "Im Stein" zeichnet ein besonderes Porträt der ostdeutschen Nachwendegesellschaft. Bildrechte: S. Fischer Verlage

Und so treffen wir in diesem Buch auf träumende, nachdenkliche Prostituierte, auf gebrochene, an der Realität verzweifelnde alte Männer, ehrgeizige Geschäftsleute und immer wieder auf die, die am Ende der ökonomischen Kette die großen Verlierer sind. Ein ambitionierter Roman, der auch denen, die ihn lesen, einiges abverlangt – und sie, wenn sie denn durchhalten, mit dem Erlebnis einer grell inszenierten Realität belohnen.

Angaben zum Buch Roman: "Im Stein"
S. Fischer Verlag, 2013
Gebunden, 560 Seiten
ISBN: 978-3-1004-8602-8
22,99 Euro

"Die stillen Trabanten": Erzählungen über Nachtgestalten und Einsamkeit

Nach dem opulenten "Im Stein" veröffentlichte Clemens Meyer im Jahr 2017 wieder einen Band mit Erzählungen – ihre Figuren sind auch hier die Nachtgestalten und Nicht-Privilegierten. Ein Lokführer, der am liebsten in der Nacht fährt, bis ein lachender Mann auf den Schienen steht. Ein Wachmann, der um ein Ausländerwohnheim patrouilliert und sich in eine Frau hinter dem Zaun verliebt. Ein Imbissbudenbesitzer, der am Fenster steht und in den Nachthimmel starrt.

Buchcover in Schwarz und Blau, darauf der Schriftzug Clemens Meyer: "Die stillen Trabanten"
Der Erzählungsband "Die stillen Trabanten" war Grundlage für den gleichnamigen Film. Bildrechte: S. Fischer Verlage

Meyer paart realistische Schilderung mit Zeitsprung und Verfremdung; sein wichtigstes Mittel ist hier aber doch die Genauigkeit beim Erfassen biografischer Details. Manchmal ist das alles tatsächlich himmelschreiend sentimental, aber das Sentimale ist hier zugleich das literarisch Gewagte. Der Blick für das Milieu eben der Außenseiter, Vereinsamten ist Meyers Markenzeichen geworden.

Angaben zum Buch Erzählungen: "Die stillen Trabanten"
S. Fischer Verlag, 2017
Gebunden, 272 Seiten
ISBN: 978-3-1039-7264-1
20 Euro

"Die Projektoren": Roman-Epos über Krieg, Kino und Karl May

Schon vor seinem Erscheinen war von diesem Roman immer mal etwas zu hören; angekündigt war ein wahrer "Ziegelstein" – der es ja nun auch geworden ist. 1.056 Seiten! In diesen 1.056 Seiten stecken ungefähr genauso viele Orte, Personen und Handlungsstränge. Als die Fundamente dieses Romans lassen sich dabei die Begeisterung für die Geschichte des Wildwestromans bzw. -spielfilms ausmachen sowie Meyers Interesse am Jugoslawienkrieg in den 90er-Jahren.

Buchcover mit Farbflächen, die an Gebirgsverläufe erinnern. Darüber steht: Clemens Meyer - Die Projektoren.
Clemens Meyers Mammut-Roman "Die Projektoren" begeistert die Literaturkritik. Bildrechte: S. Fischer Verlag

Und weil sowohl ost- als auch westdeutsche Indianerfilme (hier mit Gojko Mitic, da mit Lex Barker und Pierre Brice) im früheren Jugoslawien gedreht wurden, hat der Autor eine erzählerische Brücke, um alles miteinander zu verbinden: Die Geschichte des Hochstaplers Dr. (Karl) May mit der der jugoslawischen Partisanen im Zweiten Weltkrieg, mit der technischen Geschichte von Film und Kino und mit deutschen Rechtsradikalen von heute, die sich eben auch für den Krieg und seine Idee von rassischer Überlegenheit interessieren. Das ist eine Menge, und es ist keine Erbauungs- oder Pausenlektüre. Die Kritiken sind allesamt positiv und feiern den Roman als großen Wurf.

Clemens Meyer "Die Projektoren" (Buchumschlag und Autorenfoto) 4 min
Autor von "Die Projektoren": Clemens Meyer. Bildrechte: S. Fischer Verlag
4 min

Clemens Meyer hat mit "Die Projektoren" den ersten Roman seit elf Jahren vorgelegt und ist damit für den Deutschen Buchpreis nominiert. MDR KULTUR-Kritiker Nils Kahlefendt stellt ihn vor.

MDR KULTUR - Das Radio Di 27.08.2024 08:10Uhr 04:23 min

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Angaben zum Buch Roman: "Die Projektoren"
S. Fischer Verlag, 2024
Gebunden, 1.056 Seiten
ISBN: 978-3-1000-2246-2
36 Euro

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Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | artour | 10. Oktober 2024 | 22:10 Uhr

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