Die Lyrikerin, Autorin und Performance-Künstlerin Martina Hefter hält eine Hand ans Gesicht und blickt freundlich in die Kamera
Die Lyrikerin, Autorin und Performance-Künstlerin Martina Hefter lebt in Leipzig. Bildrechte: Maximilian Gödecke Photography, Berlin

Gewinnerin des Deutschen Buchpreises 2024 Fünf Bücher von Martina Hefter, die Sie gelesen haben sollten

14. Oktober 2024, 19:08 Uhr

Martina Hefter aus Leipzig hat den Deutschen Buchpreis 2024 gewonnen. Sie wurde 1965 in Pfronten im Allgäu geboren. Ihr künstlerisches Interesse gilt der Literatur, der Performance und der Verbindung dieser beiden Bereiche. Sie studierte am Deutschen Literaturinstitut Leipzig und lebt seit 1997 als freie Künstlerin in der Messestadt. Hefter veröffentlichte Romane, Gedichtbände sowie Hör- und performative Stücke. Sie wurde unter anderem mit dem Lyrikpreis Meran und dem Münchner Lyrikpreis ausgezeichnet. Und nun auch mit dem Deutschen Buchpreis. Neben ihrem aktuellen Roman "Hey guten Morgen, wie geht es dir?" empfehlen wir Ihnen auch diese Bücher:

"Junge Hunde": Eleganter Debütroman über das Ankommen im Nachwende-Leipzig

Bereits mit ihrem Debütroman "Junge Hunde" von 2001 beweist Martina Hefter ihr Gespür fürs Detail, ihren Sinn für Rhythmus und genau gesetzte Brüche. Dabei ist die äußere Szenerie eine eher einfache: Eine junge Frau, Studentin, lässt sich in einem Taxi durch die neue Stadt fahren, eine Art Erkundungstour und zugleich eine Dosis Beruhigung angesichts der neuen Umgebung. Aber es ist nicht nur die Stadt, deren Energie sie aufnimmt, sondern auch der Taxifahrer Vinz, der in ihr Leben tritt.

Ein Roman der Gesten und Andeutungen, der nachlässigen Eleganz und der Ernsthaftigkeit. "Junge Hunde" spielt im Nachwende-Leipzig, ohne doch einen auf Nachwenderoman zu machen!

Angaben zum Buch Roman: "Junge Hunde"
Alexander Fest Verlag, 2001
ISBN: 978-3-8286-0166-6
135 Seiten
14,89 Euro

"Nach den Diskotheken": Lyrik, die die Nacht durchtanzt

Der erste Gedichtband von Martina Hefter – im Titel mit einem Wort, das schon 14 Jahre später (heute) gar nicht mehr in Gebrauch ist: die "Diskotheken". Zwar richtet sich der poetische Blick der Autorin auch auf die erotischen Signale zwischen Mensch und Mensch, die eine Diskothek (so wie heute den "Club") durchziehen – mehr noch aber fasziniert sie die Zwiesprache des Körpers mit der Musik, der Rausch und die Erschöpfung, das Sich-gehen-lassen und Wieder-zu-sich-kommen von Tänzerin oder Tänzer. "Die Nacht durchtanzen" – dieser Allerwelts-Slogan wird in diesen Gedichten zu Sprache und Lyrik.

Angaben zum Buch Gedichtband: "Nach den Diskotheken"
Kookbooks Verlag, 2010
ISBN: 978-3-9374-4541-0
80 Seiten
19,90 Euro

"Es könnte auch schön werden": Lyrische Annäherung an das Thema Pflegeheim

Nicht nur das Wort "Gedichte" steht in diesem Buch als Untertitel, sondern gleichberechtigt das Wort "Sprechtexte". Ein Hinweis der Autorin auf die Erweiterung ihrer Vorstellung vom Gedicht: Um ein zentrales Thema herum, die Besuche bei der Schwiegermutter der Ich-Figur, werden Gedichte, erzählende und essayistische Texte versammelt. Und schließlich nutzte Martina Hefter diesen Text auch als Basis für eine ihrer Bühnenperformances.

Der Text, wie er in diesem Buch steht, bringt auf anrührende und literarisch originelle Art und Weise eines der großen gesellschaftlichen Themen der Gegenwart zur Sprache: Wo ist die Grenze zwischen Aufopferung und Hilfsbereitschaft gegenüber den (alten, pflegebedürftigen) Angehörigen und dem Recht, diese Hilfe, die immer auch Zeit und Energie kostet, nach eigenen Regeln zu leisten? Zugleich gelingen Martina Hefter großartige Momentaufnahmen aus dem Alltag im deutschen Pflegeheim, von einem Leben zwischen dem Fernsehraum und der Einsamkeit derer, die die Nähe des Todes spüren.

Angaben zum Buch Gedichte/Sprechtexte: "Es könnte auch schön werden"
Kookbooks Verlag, 2018
ISBN: 978-3-9374-4590-8
112 Seiten
19,90 Euro

"In die Wälder gehen, Holz für ein Bett klauen": Radikal persönlicher Gedichtband über das Verhältnis Mensch und Natur

Auch in diesem Gedichtband bewegt sich Martina Hefter zwischen den einzelnen Gattungen, die da heißen Gedicht, Essay, dramatischer Text. Ausgehend von der simplen Frage nach den Anschaffungskosten eines neuen Bettes greifen die Texte immer neue Aspekte auf, die sich letztlich um das Verhältnis des Menschen zu der von ihm versehrten Natur drehen. Das meint das Verhältnis zum Wildtier im Hof ebenso wie das zu den täglich anfallenden Essensresten; das meint ebenso das Verhältnis zu jenen Klimaflüchtlingen, die nun in Europa ein neues Leben beginnen. Die Autorin gestattet sich weite Ausflüge und Assoziationsketten bis in die antike Mythologie – und sie meistert das dank ihres exquisiten Gefühls für Übergange, für rhythmisches Forcieren oder Verlangsamen.

Der Gedichtmonolog "LinnMeier (†2019)" knüpft all das dann noch einmal extra zu einem biografischen Monolog zusammen, in dem vor allem die Erfahrung der Magersucht als eine von Gesellschaft und Schönheitsideal provozierte Selbst-Demütigung offenbart wird.

Angaben zum Buch Gedichte: "In die Wälder gehen, Holz für ein Bett klauen"
Kookbooks Verlag, 2021
ISBN: 978-3-9483-3610-3
96 Seiten
19,90 Euro

"Hey guten Morgen, wie geht es dir?": Tiefgehender Roman über Bedürfnisse und Sehnsüchte im Leben 

16 Jahre nach ihrem letzten Roman legt Martina Hefter mit "Hey guten Morgen, wie geht es dir?" erneut einen Roman vor – der mit seinem Erscheinen enthusiastisch besprochen wird. Ausgehend von eigenen biografischen Fakten, dem Zusammenleben mit einem ebenfalls als Schriftsteller tätigen, pflegebedürftigen Mann, entwirft die Autorin das Lebensbild einer etwa fünfzigjährigen Frau und Künstlerin. Die – mal erschöpft, mal beglückt von ihrer Arbeit als Schriftstellerin und Performerin – eine Art platonische Fernbeziehung mit einem nigerianischen Love-Scammer beginnt, mit einem Mann also, der unter falscher Identität Beziehungen zu europäischen Frauen aufbaut, um diese im für ihn günstigsten Fall zu finanziellen Zuwendungen zu bewegen.

Die Ich-Erzählerin kennt diese Mechanismen, doch was als eigenes Spiel und Experiment beginnt, führt bald zum Eingeständnis eigener Sehnsüchte und Unsicherheiten. Die Geschichte einer Freundschaft und Begegnung, in die zugleich Muster postkolonialer Verhältnisse eingewoben sind.

Cover des Buches "Hey guten Morgen, wie geht es dir?" von Martina Hefter: im Hintergrund ein altes Gemälde eines Paares, darüber der Buchtitel
Mit ihrem aktuellen Roman "Hey guten Morgen, wie geht es dir?" hat sich Martina Hefter durchgesetzt und den Deutschen Buchpreis 2024 gewonnen. Bildrechte: Klett-Cotta

Martina Hefter, dank ihrer raffinierten Erzählstrategie, kann auf nur 224 Seiten ein ganzes Panorama deutscher Gegenwart, angefüllt mit Kunst- und Filmerlebnissen, Reflexionen über die Beziehungen von Jungen und Alten, Kranken und Gesunden, erster und dritter Welt, entfalten. Ein großer Wurf, der, wie auch frühere Bücher, bei Martina Hefter zum Ausgangspunkt einer anschließenden Bühnenarbeit wird.

Angaben zum Buch Roman: "Hey guten Morgen, wie geht es dir?"
Klett-Cotta Verlag, 2024
ISBN: 978-3-6089-8826-0
224 Seiten
22 Euro

Redaktionelle Bearbeitung: Rebekka Adler

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