
Schlacht um Ungarn Budapest 1945 – Das Stalingrad der Waffen-SS
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13. Februar 2025, 05:00 Uhr
Vor 80 Jahren tobt um Budapest eine der blutigsten und längsten Schlachten des Zweiten Weltkriegs. Maßgebliche Träger der brutalen Kämpfe sind auf deutscher Seite zehntausende Soldaten der Waffen-SS. Sie sollen Ungarns Hauptstadt halten und die Belagerung durch die Rote Armee sprengen. Doch Budapest wird zum Stalingrad für Hitlers Elitetruppe.
Es sind Bilder des Grauens, die sich im Februar 1945 den Menschen in Budapest für alle Zeit ins Gedächtnis einbrennen. Abertausende Leichen bedecken die Straßen und Plätze der ungarischen Hauptstadt. Tausende weitere hat die Donau mit sich fortgerissen. Zwischen dem Széll Kálmán-Platz, einem wichtigen Verkehrsknoten im westlich der Donau gelegenen Stadtteil Buda, und dem Kühlen Tal (Hűvösvölgy) in den Budaer Bergen bietet sich ein Bild der Apokalypse. Die dortigen Ausfallstraßen sind von Leichenbergen und von Panzern zerquetschten Körpern deutscher und ungarischer Soldaten bedeckt. Sie hatten ab dem Abend des 11. Februar versucht, aus der Einkesselung durch sowjetische Truppen auszubrechen. 17.000 von 28.000 Ausbrechern werden getötet, die meisten innerhalb von sechs Stunden.
Belagerungsschlacht von 102 Tagen
Die Schlacht um Budapest ist eine der blutigsten und mit 102 Kampftagen auch eine der längsten Belagerungsschlachten im Zweiten Weltkrieg. Mehr als 40.000 deutsche und ungarische Soldaten sowie 80.000 Rotarmisten fallen bei den Kämpfen um die Donau-Metropole. Zudem werden 38.000 der 800.000 Einwohner getötet. In den Aufzeichnungen und Erinnerungen deutscher Soldaten wird Budapest vor allem mit der Schlacht um Stalingrad verglichen. Tatsächlich gibt es große Parallelen: In beiden Fällen kämpft ein großes Kontingent eingeschlossener deutscher und verbündeter Truppen bis zur letzten Patrone. Und in beiden Fällen bestimmen zentrale Entscheidungen der obersten Kriegsherrn Adolf Hitler und Josef Stalin maßgeblich das Kampfgeschehen.
Rote Armee überrollt den Balkan
Der Auftakt zur blutigen Tragödie um Budapest beginnt im Spätsommer 1944. Am 20. August durchbrechen zwei sowjetische Fronten (Heeresgruppen) mit mehr als 1,2 Millionen Soldaten die Frontlinie der deutschen Heeresgruppe Südukraine (später Heeresgruppe Süd) zwischen Karpaten-Ostrand und unterem Dnjestr. Deutschlands Verbündete Rumänien und Bulgarien wechseln unter der Wucht des sowjetischen Ansturms die Seiten. Anfang Oktober stößt die 2. Ukrainische Front des Marschalls Rodion Malinowski mit 700.000 Soldaten und 825 Panzern und Sturmgeschützen nach Nordost-Ungarn, wo die sowjetischen Truppen bei Debrecen und Tokaj schwere Verluste durch deutsche Panzergegenstöße erleiden.
Stalin will Budapest im Sturm nehmen
Ungeachtet dessen befiehlt Stalin Malinowskis angeschlagenem Großverband, sofort nach Abschluss der Kämpfe westwärts über die Theiß zur Donau vorzustoßen und Budapest im Sturmlauf zu nehmen. Der sowjetische Diktator will etwaigen britisch-amerikanischen Vorstößen über Slowenien ins Karpaten-Becken zuvorkommen und durch einen schnellen Vorstoß auf Wien die sowjetische Vorherrschaft über Mitteleuropa sichern. Ungarns Reichsverweser (Vertreter des 1918 abgesetzten Königs) Miklós Horthy will sein Land aus dem Krieg führen und verkündet am 15. Oktober einen Waffenstillstand. Er wird von den Deutschen entmachtet und durch den Führer der faschistischen "Pfeilkreuzler"-Partei, Ferencz Szálasi, ersetzt, der den Krieg an der Seite Deutschlands fortsetzt.
Hitler erklärt Budapest zur Festung
Am 29. Oktober beginnt der Angriff der 2. Ukrainischen Front auf Budapest. Der Vorstoß wird am 5. November südöstlich der Stadt durch deutsche Panzerkorps gestoppt. Deutsche und ungarische Militärs halten eine Verteidigung des östlich der Donau gelegenen Stadtteils Pest dennoch militärisch für sinnlos. Einzig der deutsche Diktator und Oberbefehlshaber der Wehrmacht, Adolf Hitler, besteht auf einer Verteidigung von ganz Budapest. Dabei geht es ihm nicht allein darum, die Hauptstadt des letzten Verbündeten zu behaupten, sondern auch die Sowjets von Wien und den letzten Erdölquellen in Westungarn fernzuhalten. Am 1. Dezember 1944 erklärt Hitler Budapest zur Festungsstadt. Er befiehlt, die Donau-Metropole im Häuserkampf und ohne Rücksicht auf zivile Verluste und Schäden zu verteidigen. Zum Stadtkommandanten ernennt er den SS- und Polizei-General Karl Pfeffer-Wildenbruch, von dem er sich das nötige Standvermögen verspricht.
Rote Armee schließt Budapest ein
Unterdessen zieht der sowjetische Generalstab nach dem gescheiterten ersten Sturmversuch ab Ende November einen weiteren operativen Großverband zur Einnahme Budapests heran. Während Malinowskis 2. Ukrainische Front die ungarische Hauptstadt weiterhin östlich der Donau attackiert, stürmt die aus Serbien kommende 3. Ukrainische Front des Marschalls Fjodor Tolbuchin westlich des Flusses durch Transdanubien nach Norden. Am 20. Dezember durchstoßen Tolbuchins Armeen die schwach besetzte "Margareten-Linie" zwischen Plattensee (Balaton), Velencesee und der Donau südlich von Budapest. Vom 24. bis 27. Dezember schließen die sowjetischen Zangenarme die ungarische Hauptstadt auch von Westen und Norden vollständig ein. 800.000 Zivilisten sowie 38.000 ungarische und fast 43.000 Soldaten deutscher Verbände sitzen in der Falle. 22.000 der Eingeschlossenen sind Angehörige von Waffen-SS-Verbänden.
SS-Panzerkorps soll Belagerung sprengen
Hitler verbietet einen Ausbruch aus dem Budapester Kessel samt einer Räumung des östlichen Pester Brückenkopfs. Stattdessen befiehlt er noch am 24. Dezember die Verlegung von zwei Infanteriedivisionen sowie des IV. SS-Panzerkorps mit den SS-Panzerdivisionen "Totenkopf" und "Wiking" – alles in allem 60.000 Soldaten und 200 Panzer – von der bedrohten Weichsel-Front in Polen nach Ungarn. Mit dem Korpskommando betraut er SS-Obergruppenführer Herbert Gille. Der bisherige "Wiking"-Kommandeur ist ein Mann nach Hitlers Geschmack. Für sein schonungsloses Standhalten bei Kursk, Tscherkassy und Kowel hat der SS-General das – nur 27 Mal verliehene – Eichenlaub mit Schwertern und Brillanten zum Ritterkreuz aus den Händen des "Führers" erhalten. Nun soll er den Budapester Kessel freikämpfen.
Die drei Konrad-Entsatzversuche
Am 1. Januar 1945 tritt Gilles IV. SS-Panzerkorps 50 Kilometer westlich von Budapest bei Tata zum Angriff an (Unternehmen Konrad I). Seine Panzerspitzen stoßen bis zum 6. Januar 20 Kilometer an Budapest heran. Dann läuft sich der Angriff unter hohen Verlusten fest. Erst am 9. Januar nimmt das SS-Panzerkorps im Zuge der neuen Entsatzoffensive Konrad II den Angriff wieder auf. Die 5. SS-Panzerdivision "Wiking" kämpft sich nun durch das Pilisgebirge südlich von Esztergom bis auf 17 Kilometer an Budapest heran. Doch am 12. Januar wird auch dieser Angriff eingestellt. Das IV. SS-Panzerkorps wird nun in den Raum nordöstlich des Plattensees verlegt, von wo es am 18. Januar zum Unternehmen Konrad III antritt. Am 19. Januar erreichen Gilles Panzer die Donau und am 26. Januar stehen sie 25 Kilometer südlich von Budapest. Doch dann holen die Sowjets zum Gegenschlag aus. In viertägigen für beide Seiten verlustreichen Kämpfen verlieren die SS-Truppen einen Gutteil des zuvor eroberten Gebiets.
Hitler verlegt Panzerreserven nach Ungarn
Damit sind Ende Januar 1945 alle Entsatzversuche für Budapest gescheitert. Hitler geht es dabei nie um eine Rettung der eingeschlossenen Verbände, sondern stets um eine Rückeroberung der ungarischen Hauptstadt. Einen Ausbruch der eigenen Truppen lehnt er – wie zwei Jahre zuvor in Stalingrad – kategorisch ab. Stattdessen verrennt er sich in das Ziel, Budapest und Westungarn unter allen Umständen zu halten. Selbst nachdem die Rote Armee am 12. Januar an der Weichsel zum Sturm auf das Reich antritt und Ende Januar die Oder erreicht, lässt Hitler weiterhin Truppen nach Ungarn verlegen. Bezeichnend dafür ist, dass "sich im Februar 1945 die Hälfte (!) aller an der Ostfront eingesetzten Panzerreserven in Ungarn" befinden, wie der ungarische Militärhistoriker Kristián Ungváry in seinem Standardwerk zur Schlacht um Budapest festhält. Nach dem Abbruch der Ardennenoffensive lässt Hitler als letzten Trumpf auch die 6. SS-Panzerarmee nach Ungarn verlegen.
Kampf um jedes Haus und jede Straße
Am Ausgang der Schlacht um Budapest ändert das nichts. Mit massiver Artillerie- und Luftunterstützung erobern sowjetische – und rumänische – Truppen in wochenlangen Straßenkämpfen Haus um Haus und Straßenzug um Straßenzug. Dabei sterben nicht nur zehntausende Soldaten, sondern auch fast fünf Prozent der Einwohner – durch Hunger, Kampfauswirkungen und Übergriffe. Wie in Stalingrad gehen auch den eingeschlossenen Truppen in Budapest zunehmend Waffen, Munition und Verpflegung aus. Von den täglich benötigten 80 bis 100 Tonnen Nachschub können im Schnitt nur 47 Tonnen eingeflogen werden. Am 18. Januar zieht sich die Masse der deutsch-ungarischen Verteidiger über die unter Dauerbeschuss stehenden letzten Donaubrücken aus Pest in die "Festung Buda" zurück, wo die brutalen Kämpfe noch drei Wochen weitergehen.
"Zweites Stalingrad" an der Donau
Deutsche Soldaten, ungarische Militärberichte, aber auch sowjetische Propaganda-Flugblätter bezeichnen Budapest als "zweites Stalingrad". Auch wenn die Dimensionen in Stalingrad noch gewaltiger sind, gibt es große Parallelen. Wie Generalfeldmarschall Friedrich Paulus in Stalingrad, hält sich auch Budapests Kampfkommandant, SS-Obergruppenführer Karl Pfeffer-Wildenbruch, bis zuletzt eisern an Hitlers Halte-Befehl. Und wie die 6. Armee in der Schlacht an der Wolga, kämpfen auch die Verteidiger von Budapest in der Kesselschlacht an der Donau bis zur letzten Patrone. Maßgeblich spielt dabei auch die Angst vor sowjetischer Gefangenschaft eine Rolle. Das gilt insbesondere für jene mindestens 8.000 von 22.000 eingeschlossenen Waffen-SS-Soldaten, deren Einheiten in der Sowjetunion an schlimmsten Kriegs- und Völkerrechtsverbrechen beteiligt waren.
Ausbruch mit 17.000 Toten
Erst als offensichtlich ist, dass mit dem Burg- und Sonnenberg auch die letzten Reste der "Festung Buda" kurz vor dem Fall stehen, erteilt Pfeffer-Wildenbruch am Abend des 11. Februar den Befehl zum Ausbruch aus dem Kessel. Er endet in einem Massen-Abschlachten, bei dem 17.000 der 28.000 Ausbrecher innerhalb weniger Stunden getötet werden. Nur etwa 700 erreichen bis zum Abend des 13. Februar 1945 die deutsche Hauptkampflinie. Mit der verlorenen Schlacht um Budapest erleidet der Mythos von Hitlers Elitetruppe enormen Schaden. Auch 22.000 Waffen-SS-Soldaten im Kessel und mehrere kampfstarke SS-Panzerdivisionen, die den Belagerungsring aufbrechen sollen, können den Verlust der ungarischen Hauptstadt nicht verhindern. Budapest wird damit zum Stalingrad der Waffen-SS.
Literaturhinweis
Ungváry, Krisztián: Die Schlacht um Budapest 1944/45. Stalingrad an der Donau, München 2001.
Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | 16. Dezember 2024 | 19:05 Uhr