Burg Falkenstein | Der Osten… Burg Falkenstein - Geheimaktion für einen Schatz | für 29.08.2023 45 min
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Familienschmuck und Meissner Porzellan Versteckte Schätze auf Burg Falkenstein

02. September 2023, 05:00 Uhr

Burg Falkenstein im Harz ist der Prototyp einer Ritterburg schlechthin und hat einiges zu bieten: Nach dem Mauerfall wurden in der 900 Jahre alten Burg tausende Schatzstücke geborgen. Das war einer der spektakulärsten Funde des vergangenen Jahrhunderts, der aber auch einige Streitigkeiten mit sich brachte. Vor allem war dies nicht der einzige Schatz, der hier lagerte…

Autor: Jan Dörre
Autorin: Antje Schneider

Im Sommer 2023 kommt seltener Besuch auf den Falkenstein. Es sind die Nachfahren der Grafen, die bis zum 2. Weltkrieg auf dem Falkenstein lebten: Angela Vickery und ihr Mann Peter, ein ehemaliger britischer Offizier. Im Gepäck haben die beiden eine alte preußische Geländekarte. Vor über 30 Jahren suchte und fand Peter Vickery damit im Wald unterhalb der Burg eine vergrabene Schatzkiste der Grafen vom Falkenstein.

Burg Falkenstein im Harz

Trouble am Set: Auf Burg Falkenstein wir historisch gedreht. Mitte rechts: Regisseur Markus Dietrich, mit braunem Pferd Schauspieler Patrick Goldenberg (Rolle Knappe Fred)
Immer wieder dient die Burg als Filmkulisse. Hier bei Dreharbeiten zum Märchenfilm "Prinz Himmelblau und Fee Lupine" Bildrechte: Bremedia/Michael Ihle

Hoch auf Berg, mitten im Wald wird Burg Falkenstein im Hochmittelalter zwischen 1120 und 1180 als Festungsanlage erbaut. Sie trotzte in den Folgejahren allen Feinden, die Ritterburg konnte tatsächlich niemals eingenommen werden.

Ihre Entstehung verdankt Burg Falkenstein der Sage nach einem Kriminalfall. Im Streit soll Egeno II. von Konradsburg um 1080 den Grafen Adalbert II. von Ballenstedt erschlagen haben, woraufhin der Stammsitz des Mörders in ein Kloster umgewandelt werden sollte. Nach 1120 wird auf der Konradsburg ein Benediktinerkloster gegründet. Die Adeligen nennen sich nun die Grafen von Falkenstein.

Im 15. Jahrhundert übernimmt die Asseburger Dynastie die Burg. Die Grafenfamilie ist reich. Neben einer wertvollen Porzellansammlung besitzt sie das bedeutendste deutsche Rechtsbuch des Mittelalters –
den "Sachsenspiegel", der - so die Annahme - auf Burg Falkenstein von Eike von Repgow nach 1220 verfasst wurde. Auch Schmuck, Gemälde und Kostbarkeiten aus dem Mittelalter bereichern ihre Sammlung.

Auf der Burg gibt es nicht nur ein Museum zur Geschichte, sondern auch eine Falknerei. Alljährlich im Sommer gibt es auf der Burg ein "Minneturnier" in Tradition eines mittelalterlichen Sängerwettstreits. Anfang Oktober findet ein Burgfest statt.

Die imposante Burg war schon Kulisse für zahlreiche Filme, darunter für die legendäre DDR-Fernsehserie "Spuk unterm Riesenrad." Auch die DEFA-Märchenfilme "Schneeweißchen und Rosenrot" von 1979, und "Die Gänsehirtin am Brunnen" von 1979 wurden dort gedreht.

Falkensteiner Grafen verstecken Schatzkiste im 2. Weltkrieg

Diese hatten die Grafen Karl Christoph und Lothar von Asseburg, die damaligen Grafen von Falkenstein während eines Fronturlaubs 1942 gepackt. Die wertvollsten Familienschätze verstauen die beiden Brüder in einer kleinen Holzkiste.

In einem einsamen Waldstück unweit der Burg – dem sogenannten Tormannsplatz – vergraben die Grafen den Familienschmuck. In der Kiste ist auch der sogenannte Asseburger Becher, ein 1.000 Jahre alter Glasbecher, auch als Hedwigsbecher bekannt, der vermutlich aus Ägypten oder Syrien stammt.

Was ist der Asseburger Becher?

Der Asseburger Becher wird zu den Hedwigsbechern gezählt. Die verdanken ihren Namen der Heiligen Hedwig von Schlesien. Der Legende nach soll sich in ihrer Gegenwart Wasser im Becher zu Wein verwandelt haben. Die Herkunft der dickwandigen, meist mit Reliefdekor versehenen Glasbecher ist nicht gesichert. Sie wurden entweder in Syrien oder Ägypten (11. bis frühes 13. Jahrhundert) oder im normannischen Sizilien gefertigt. Die seltenen Gefäße wurden in Europa auch für kirchliche Zwecke verwendet.

Quelle: Germanisches Nationalmuseum

Erst 40 Jahres später, kurz vor dem Tod seines Schwiegervaters Lothar von Asseburg-Falkenstein-Rothkirch (1984), erfährt Peter Vickery von diesem Versteck.

Mein Schwiegervater schrieb 1982 sein Testament und hat mich zu sich gebeten. Er hat mir gesagt, ich darf überhaupt kein Risiko eingehen. Er ist so wertvoll und es lohnt sich immer, ihn zu holen.

Peter Vickery

Im Jahr 1990, gleich nach dem Mauerfall, macht sich Peter Vickery auf den Weg. Anhand einer alten Karte findet er den Familienschatz unversehrt im eingezeichneten Waldstück: "Ich habe versucht, ihn raus zu heben. Aber er steckte ziemlich fest im Boden. Als ich versuchte habe, den Deckel von der Kiste aufzumachen, war sie nicht verschlossen. Das war wunderbar, das war wie in einer Höhle von Aladin. Da waren Armreifen und Ringe – auch mit Brillanten und Edelsteine besetzt. Am allerwichtigsten war der Asseburger Becher", erinnert sich Peter Vickery.

Da der "Schatzsucher" Peter Vickery damals heimlich unterwegs ist, erfahren seine Frau und der Rest der Familie erst am nächsten Tag von seinem Fund.

Als ich nach Hause kam, habe ich das alles auf einen Tisch gelegt und dann habe ich meinen Schwager angerufen und er kam auch mit seinem Onkel [Graf Karl Christoph, Anm.d.Red.] und ich habe ihnen das alles gezeigt.

Peter Vickery

Ein zweiter Schatz in einem geheimen Zwischengeschoss der Burg

Einige Jahre nach dem ersten Fund, wird in einem geheimen Burgverlies ein zweiter, noch viel größerer Schatz entdeckt.

Den hatten die Asseburger Grafen 1945 vor den anrückenden Alliierten in Sicherheit gebracht. Aus Angst vor Plünderungen verstecken sie - zusammen mit zwei Dienern - in einem geheimen Zwischengeschoß der Burg wertvolle Gemälde, Porzellan und andere Kostbarkeiten. Das Versteck befindet sich unter der Spinndiele, eine Art Zwischenetage über der Kappellendecke. Damit diese nicht einbricht, muss die Last gut verteilt werden.

Nach Kriegsende fliehen die Grafen Karl Christoph und Lothar in den Westen und lassen ihre Schätze zurück. Ihr neues Zuhause ist die Hinnenburg in Westfalen. Den Kontakt in den Harz halten sie nur über ihren ehemaligen Diener Gustav Henne.

Bei einem DDR-Besuch 1975 reisen die Grafentochter Angela und ihr Mann Peter inkognito auf die Burg. Sie haben den Auftrag, zu schauen, ob das alte Versteck im Zwischengeschoss weiterhin unentdeckt und sicher sei. Zu ihrer Beruhigung ruht der Schatz noch immer im Geheimen unter der Spinndiele.

Bergung des zweiten Schatzes auf der Ritterburg

Nach Ende der DDR will Graf Karl Christoph, Bruder des verstorbenen Vaters von Angela Vickery, diesen zweiten Schatz heben. Mit dem Anliegen wendet er sich 1992 an den damaligen Landrat Hans-Peter Sommer. Der glaubt zuerst an einen Scherz.

Ich bin zunächst davon ausgegangen, dass wir gar nichts finden. Für den Fall, dass wir doch etwas finden sollten, wollte ich, dass alle Beteiligten Stillschweigen bewahren.

Hans-Peter Sommer

So dringt damals nichts an die Öffentlichkeit – auch aus Angst, die wertvollen Kunstgüter könnten Begehrlichkeiten wecken.

Im März 1992 geht es los: Nach 47 Jahren öffnen der Landrat, der Graf und seine Frau und fünf Museumsmitarbeiter das Versteck unter der Spinndiele. Der damalige Landrat Hans-Peter Sommer erinnert sich: "Das Ganze war zwischen 23 Uhr und Mitternacht. Als wir dann da reinguckten, dachte ich an Märchen, an Sagen. An Alibaba, denn es war eine Wunderhöhle, die man da sehen konnte. Funkelnd und glänzend, man konnte sich gar nicht vorstellen, dass die Sachen dort unten in diesem Raum mehrere Jahrzehnte gelagert hatten."

Die Bergung dauert bis in die frühen Morgenstunden. Die geborgenen und unversehrten Schätze lagern vorerst im Depot.

Schatzsuche ohne Happy End: Rechtsstreit über die Besitzverhältnisse

Doch der Schatzsuche ist kein Happy End beschieden. Es folgt ein jahrelanger Rechtsstreit, denn die Besitzverhältnisse sind wegen des Enteignungsgesetzes ungeklärt.

Graf Karl Christoph erlebt die Urteilsverkündung nicht mehr. Er stirbt 2006. Die Familie wird fortan durch Angela Vickerys Bruder Friedrich vertreten. Er ist der Haupterbe und bekommt letztlich alle beweglichen Güter von Falkenstein und dem Landsitz der Asseburger in Meisdorf zugesprochen.

Und er entschließt sich, die Familien-Sammlung zu Geld zu machen. Über Auktionshäuser beginnt Friedrich von der Asseburg den Familienschatz zu verkaufen. Selbst das wertvollste Stück – der antike Asseburger Becher wird veräußert.

Zunächst geht der Glas-Becher noch als Leihgabe an das Metropolitan Museum in New York. Aktuell befindet es sich an einem unbekannten Ort. So verbleiben nur wenige der rund 3.000 Schatzstücke auf dem Falkenstein, die meisten sind - sehr zum Ärger der Nachfahren der Grafenfamilie – in aller Welt verstreut.

Wie schön wäre es doch, würde der seltene mittelalterliche Asseburger Becher die Museums-Sammlung auf der mittelalterlichen Burg Falkenstein zieren. Das findet auch Schatzsucher und Schwiegersohn von Graf Lothar, Peter Vickery:

Ich muss sagen, ich war wirklich entsetzt und enttäuscht, dass der Asseburger Becher von Friedrich Asseburg ziemlich schnell veräußert wurde. Er gehört eigentlich auf den Falkenstein. In eine Glas-Vitrine, dass ihn jeder sehen kann.

Peter Vickery

Und wieder wird ein Schatz entdeckt

Wer glaubt, dass damit die Geschichte um den Familienschatz der Asseburger endet, irrt: Wenige Jahre, nachdem er die Kostbarkeiten verkauft hat, stirbt Friedrich von der Asseburg. Er erlebt nicht mehr, dass 2017 erneut ein Schatz-Versteck auf Burg Falkenstein gefunden wird.

Eine Museumsmitarbeiterin und ein Zimmermann entdecken bei Bauarbeiten einen Hohlraum und die darin verborgenen Fundstücke gehören auch zum Besitztum der Asseburger – zumeist Porzellan aus dem 19. Jahrhundert, das vorerst als Leihgabe auf der Burg verbleibt.

Es war viel Meissner Porzellan dabei, kleine Figürchen, ein Schreibset, Kerzenständer. Die Sensation ist eigentlich, dass das ja schon der zweite Schatz ist, den wir bei uns gefunden haben.

Museumsmitarbeiterin Nadine Breitschuh

Und wer weiß, welche Schätze auf der Burg noch auf ihre Entdeckung warten, Hohlräume scheint es ja dort genug zu geben.

Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | Der Osten - Entdecke, wo du lebst | 05. September 2023 | 21:00 Uhr

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