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Vier Fäuste schlagen aus allen Richtungen auf einen Judenstern ein. Als Wasserzeichen die Zahl Zehn. 11 min
Woher kommt der Judenhass? Bildrechte: MDR
11 min

Seit hunderten, tausenden von Jahren sind Juden Opfer von Hass, Vertreibung und Mordexzessen – sogar heute noch. Möbius fragt, warum ist das so?

Mi 09.10.2024 12:00Uhr 10:36 min

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Podcast Woher kommt der Judenhass?

09. Oktober 2024, 15:08 Uhr

Immer wieder werden Juden Opfer von Hass und Gewalt – wie etwa beim Attentat auf die Synagoge in Halle vor fünf Jahren. Karsten Möbius stellt sich im MDR WISSEN-Podcast "Große Fragen in zehn Minuten“ die Frage: Warum ist das so?

Wie sich Antisemitismus genau verbreitet und warum er sich so hartnäckig hält, ist wissenschaftlich noch ungeklärt. Prof. Dr. Gerd Pickel ist Religionswissenschaftler und Antisemitismusbeauftragter an der Universität Leipzig. Er erkennt bei Antisemitismus ein Muster: "Es ist scheinbar da und man kann es aktivieren. Ich glaube, es sind Erzählungen, die einfach unterschwellig weitergegeben werden."

Pickel spricht von einer "bemerkenswert großen Halbwertszeit" judenfeindlicher Erzählungen. Das lässt sich auch historisch belegen, denn antisemitische Positionen sind quasi so alt wie das Judentum selbst. Bereits unter den alten Griechen gab es teilweise judenfeindliche Haltungen, im antiken Rom wurden Jüdinnen und Juden verfolgt. Und dann ist da die Ritualmordlegende, die im 12. Jahrhundert ein Mönch in England verbreitete. Er behauptete, dass Jüdinnen und Juden Christenkinder entführt und ermordet hätten. Diese Verschwörungstheorie ist auch heute noch Teil von gezieltem Antisemitismus.

Judenhass als Teil von Verschwörungstheorien

Diese Erzählung taucht auch im aktuellen Nahost-Konflikt wieder auf. "Eine der zentralsten Propagandaerzählungen, die die Hamas immer wieder in den Vordergrund rückt, ist die Kindermorderzählung", sagt Pickel. Das bedeute nicht, dass keine Kinder von der israelischen Armee getötet worden sind. "Aber gleichzeitig wird genau diese Erzählung ins Zentrum gerückt und weitergetragen."

Ungeimpft steht auf dem Aufkleber am Arm eines Mannes.
Auf Corona-Demos kam es immer wieder zu antisemitischen Vorfällen. Bildrechte: IMAGO / Hannelore Förster

Die Ritualmordlegende ist auch Teil der Q-Anon-Erzählung. Diese behauptet, dass eine weltweit agierende satanistische Elite Kinder entführt. Q-Anon zufolge sind diese Eliten mit Jüdinnen und Juden besetzt. Der Antisemitismus war auch während der Corona-Pandemie präsent. Judensterne wurden wie im dritten Reich auf Demos getragen, statt "Jude" stand im Stern "ungeimpft". Hinzu kamen Verschwörungsfantasien, dass die Rothschild-Familie, Bill Gates oder George Soros Corona um die Welt geschickt hätten, damit alle Menschen geimpft und gechippt werden. Daran sollten der Verschwörungstheorie zufolge Jüdinnen und Juden beteiligt sein.

Jüdinnen und Juden fühlen sich in Deutschland nicht sicher

Der Antisemitismus kommt dabei aus verschiedenen politischen Strömungen. Rechte Rassenlehre, extreme islamistische Positionen, linke Pro-Palästina Haltungen und auch familiäre Erzählungen und traditionelle Vorurteile – es ist eine breite Mischung aus dem gesellschaftlichen und politischen Spektrum, die antisemitisch denkt und oft auch handelt. Für viele ist das Judentum der Sündenbock.

Warum das so ist, erklärt sich Pickel auch mit einer Machterzählung. "Den meisten Gruppen, die man vielleicht auch nicht mag und die man abwertet, denen schreibt man nicht zu, Macht zu haben." Jüdinnen und Juden hingegen säßen in Machtpositionen und haben viel Einfluss. Dass sich diese Theorien so hartnäckig halten, hat auch damit zu tun, dass viele Menschen keine Berührungspunkte mit jüdischem Leben hätten und deswegen oft gar nicht wüssten, was jüdisches Leben eigentlich ist. Pickel hält das für ein Problem: "Wenn man mal ein Schulbuch aufschlägt, da sind Juden auch eher so im Nationalsozialismus umgekommen. Und da kann man froh sein, wenn im Schulbuch noch erwähnt wird, dass es noch welche gibt." Er plädiert für den direkten Austausch mit der jüdischen Gemeinschaft schon zu Schulzeiten.

Am besten ist natürlich, wenn in der Unterrichtsstunde jemand aus der jüdischen Community da ist. Damit man mal spürt, dass es das Judentum in meinem Ort oder in der Nähe gibt.

Prof. Dr. Gerd Pickel Religionswissenschaftler und Antisemitismusbeauftragter an der Uni Leipzig

Vor allem der persönliche Kontakt zu Jüdinnen und Juden ist wichtig. Es wird aber immer schwieriger, überhaupt welche zu finden – denn es werden immer weniger. 1933 gab es mehr als eine halbe Millionen Jüdinnen und Juden in Deutschland. Aktuell gibt es nur etwa 95.000 Menschen, die der jüdischen Gemeinde angehören.

Ein weiteres Problem laut Pickel: Viele Jüdinnen und Juden, die in Deutschland leben, würden sich lieber unsichtbar machen. Eine EU-weite Umfrage ergab, dass sich 80 Prozent der Jüdinnen und Juden in 13 untersuchten Ländern der Europäischen Union nicht sicher fühlen. Gut drei Viertel der Befragten gaben sogar an, ihre jüdische Identität zumindest gelegentlich zu verbergen und auf das Tragen jüdischer Symbole in der Öffentlichkeit zu verzichten.

Die Umfrage wurde noch vor dem Massaker von Hamas-Terroristen am 7. Oktober 2023 und den darauffolgenden militärischen Auseinandersetzungen zwischen Israel und den Hamas durchgeführt. Der Krieg im Nahen Osten sorgt aber für noch mehr Antisemitismus: Allein in diesem Jahr habe sich bisher laut Bundeskriminalamt (BKA) die Zahl der antisemitischen Straftaten verdoppelt.

km/sh

Dieses Thema im Programm: MDR | Die großen Fragen in zehn Minuten | 09. Oktober 2024 | 12:00 Uhr

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