Covid19 Wie zuverlässig ist der PCR-Test auf Corona?
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23. Oktober 2020, 11:48 Uhr
Wer aus Coronarisikogebieten nach Deutschland kommt, muss sich testen lassen. Bedeutet ein positives Testergebnis automatisch infiziert? Wie hoch ist das Risiko von falsch positiven Tests, also eines Fehlalarms?
Wäre der Coronatest eine Alarmanlage, er hätte drei Modi. Modus 1: kein Alarm, das Ergebnis ist negativ. Entweder, weil tatsächlich keine Infektion vorliegt, oder – das wäre falsch negativ – weil der Abstrich an der falschen Stelle gemacht wurde. Modus 2: Es gibt ein schwaches positives Ergebnis. Hier gilt es: genauer hinschauen. Modus 3: Alle Warnlichter blinken rot, die Probe enthält sicher das neue Coronavirus.
Coronavirus: Fahndung nach einem Verdächtigen
Biologe Jörn Landtag durchläuft diese Stufen jeden Tag in einem Dessauer Labor mit rund 600 Proben. Mithilfe des Nasen-Rachenabstrich wird Erbinformation gewonnen und im Anschluss vervielfältigt. Von diesem Vervielfältigungsverfahren hat der Test seinen Namen: PCR bedeutet Polymerase-Chain-Reaction. Ein Enzym namens Polymerase kopiert RNA-Erbinformation in der Probe. In dieser Erbinformation gibt es verschiedene Genregionen. Einige davon gibt es nur bei Corona. "Es ist wie ein Suchtest, der nach einer Region im Coronavirus sucht", erklärt Landtag. "Und zugleich ist es auch noch eine Suche nach einem zweiten Genort. Also ein zweites Gen wird verstärkt, wenn es denn da ist."
Zu Beginn war der Test fehleranfälliger, geben auch Experten wie der Berliner Virologe Christian Drosten zu. Inzwischen ist er aber sicher, weil Biologen bessere Kriterien entwickelt haben, wie sie das Virus in einer Probe sicher finden können: Eine Genregion – sei sie noch so coronatypisch - reicht nicht aus. Es muss eine zweite positiv anschlagen. Das ist wie bei der Fahndung nach einem Verdächtigen. Er kann nicht nur anhand der Augenfarbe überführt werden, auch seine Fingerabdrücke müssen stimmen.
Je mehr Corona-Gene gefunden werden, desto sicherer das Ergebnis
Beim PCR-Test auf Corona kann die Auswahl der Genregionen variieren. Im Testlabor des Instituts für Virologie der Uniklinik Leipzig sind es drei Genabschnitte, erklärt sein Direktor Uwe Liebert.
Wenn Sie drei Genabschnitte haben und alle drei positiv sind, dann ist es praktisch unmöglich, dass sie ein falsch positives Ergebnis haben. Wenn sie zwei von dreien positiv haben, dann gehen wir auf jeden Fall hin und sagen: Vermutlich positiv.
Es wurden nur solche Genabschnitte ausgewählt, die ganz charakteristisch für das neuartige Coronavirus sind, bei denen also eine Verwechslung mit menschlichem Erbgut ausgeschlossen ist. Jörg Landtag aus dem Dessauer Labor erklärt: "Wenn man einen PCR-Test entwickelt, sucht man sich Bereiche im Virusgenom als Zielregion aus, die hochspezifisch, also ganz charakteristisch sind. Wenn die Zielregion hochspezifisch ausgewählt wurde, dann gibt es auch starke Signale, die man dann in der PCR gut nachweisen kann."
Fehlalarm: Falsch positive Ergebnisse
Soweit die Theorie. In der Praxis birgt das einige Tücken, etwa wenn die Stärke zur Schwäche wird. Zum Beispiel, wenn Aerosole mit Viruspartikeln an die Wattetupfer gelangen und die Proben kontaminieren, so Jörn Landtag. Dann wird ein Proband positiv, wenn er es nicht ist, also Fehlalarm.
Alexander Dalpke, Virologe an der Technischen Universität Dresden, sieht hier aber wenig Grund zur Beunruhigung: "Also die Gefahr durch Kontamination schätze ich für sehr gering ein, weil die Labore, die üblicherweise diese Art von Diagnostik durchführen, zertifiziert sind und vielerlei Vorsichtsmaßnahmen anwenden, um Laborkontaminationen und auch vorneweg bei der Abnahme Kontamination zu vermeiden, indem man das mit trainiertem Personal macht."
Ob richtig oder falsch positiv zeigt sich an den Symptomen
Wahrscheinlicher ist – so Liebert – eine schwach positive Reaktion. Die entsteht durch wenig Virusmaterial. Eine Erbinformation sind 30.000 Bausteine aneinandergereiht. Die werden vervielfältigt und schlagen bei eindeutigem Ergebnis nach rund 32 Vermehrungen positiv aus. Bei wenig Virusmaterial kann es vorkommen, dass solche Kopien erst nach 40 Vermehrungszyklen stattfinden. Das wäre so eine grenzwertige oder eine schwach positive Reaktion.
Je eher der Test anschlägt, desto eindeutiger ist ein positives Ergebnis. Oder anders: Je mehr Material gebraucht wird, desto weniger Virus ist vorhanden. Jörn Landtag spricht von einem Schwellenwert. "Das ist dann rein technisch nicht auseinanderzuhalten und muss dann immer nochmal mit der klinischen Symptomatik des Patienten abgeglichen werden, ob überhaupt eine Symptomatik da war oder ob vielleicht schon frühere positive Befunde da waren. Das muss dann also immer nochmal bestätigt werden."
Virologen schließen Kreuzreaktivität zu Erkältungs-Corona aus
Doch wie sieht es mit der Auswahl der richtigen Genregionen aus? Können falsch ausgewählte Genregionen zur Verwechslung mit den Erkältungscoronaviren führen und den Test so fehleranfällig machen? "Kreuzreaktionen mit den anderen sogenannten endemischen Coronaviren, die wir seit 30, 40 Jahren kennen, kann man ausschließen, wenn das ordentlich gemacht wird. Die kommerziellen Tests sind alle sehr gut in dieser Beziehung. Dann gibt es keine Kreuzreaktionen", sagt Uwe Liebert von der Leipziger Uniklinik.
Auch sein Dresdner Kollege Dalpke hält Kreuzreaktionen für unwahrscheinlich. Dennoch räumt er ein, dass es immer mal wieder zu Fehlern kommt. Einen Goldstandard gibt es nicht. Von den inzwischen knapp über 30.000 PCR-Tests, die an seinem Institut gemacht wurden, liegen die positiven Egebnisse derzeit bei etwa 800. Darunter seien schätzungsweise zwei bis drei falsch Positive. Ein Grund dafür kann sein, wenn man das Verfahren zeitlich beschleunigt, den Maschinen also weniger Zeit für einen Test gibt.
Vortestwahrscheinlichkeit entscheidet über Fehlerquote
Die Fehlerquote des Coronatests hängt zudem von der sogenannten Vortestwahrscheinlichkeit ab. Das ist ein rein statistisches Problem. Je geringer die Anzahl der tatsächlich positiven Tests desto schwerer wiegt ein falsch positives Ergebnis.
Wir haben eine Population von hundert Menschen, einer ist tatsächlich erkrankt. Den einen werden Sie mit dem Test erwischen und positiv identifizieren, und von den 99 Menschen werden Sie aber einen ebenfalls als fälschlich positiv identifizieren bei 99 Prozent Spezifität. Und dann haben Sie sozusagen zwei positive Testergebnisse, von denen nur eins stimmt. Wenn in dieser Population jetzt zehn erkrankt wären, dann haben Sie zehn, die Sie korrekt identifizieren, und den einen, den Sie falsch identifizieren. Dann haben Sie elf positive Ergebnisse, zehn sind richtig. Dann ist der Vorhersagewert viel, viel besser, obwohl Sie den gleichen Test anwenden.
Deswegen empfiehlt Alexander Dalpke, dass man sich nach den Empfehlungen des RKIs richtet und möglichst nur diejenigen testet, bei denen eine Corona-Infektion tatsächlich wahrscheinlich ist, die also Symptome oder direkten Kontakt zu Erkrankten hatten oder aus einem Risikogebiet zurückkommen.
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