Bienenforschung Wie weit Wildbienen fliegen und warum Insektenhotels leer stehen
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02. Juli 2020, 09:32 Uhr
Wer als Eltern das Kind allein daheim lassen muss, kennt das mulmige Gefühl: Hoffentlich macht es niemand die Tür auf oder gefährlichen Quatsch. Ob sich Wildbienen, die allein mit ihrem Nachwuchs leben, genauso fühlen, weiß natürlich kein Mensch. Aber man weiß dank Forschung aus München jetzt, wie weit das Insektenhotel oder die Nisthilfe vom Futter- und "Arbeitsplatz" der Wildbienen entfernt sein darf, damit der Nachwuchs nicht zu lange allein bleiben muss.
Es ist ein uraltes Dilemma, das tierische wie menschliche Alleinerziehende gleichermaßen kennen. Man geht aus, zur Arbeit oder Einkaufen, der Nachwuchs muss allein daheim blieben und man hofft, dass nichts schief geht. Das beschäftigte schon Generationen vor uns; nicht umsonst erzählt der Volksmund Geschichten vom Wolf, der die (sechs von sieben) Geißlein holte. Wildbienen geht es ähnlich: Sie ziehen ihren Nachwuchs allein groß und fliegen täglich aus, um Pollen zu sammeln. Derweil bleiben die Larven allein im Nest. Je näher in der Nachbarschaft die Nahrung ist, um so größer die Chance, dass die Mutterbiene unterwegs nicht gefressen wird bzw. dass daheim kein Fressfeind den Nachwuchs verspeist.
Aber was bedeutet "weit weg vom Nest" konkret?
Aber wie weit weg entfernen sich denn Bienen überhaupt vom Nest, um Pollen zu sammeln? Das hat Professorin Susanne Renner zusammen mit einem Forschungsteam der Ludwig-Maximilians-Universität München und der Botanischen Staatssammlung München untersucht, und zwar im Botanischen Garten in München. Den gibt es seit 1914, und heute beherbergt der Park insgesamt 106 Bienenarten. Für das Forschungsprojekt wählten die Wissenschaftler*innen die Hahnenfuß-Scherenbiene (A), die Glockenblumen-Scherenbiene (B) die gewöhnliche Löcherbiene (C), die rostrote Mauerbiene (D) sowie die Natternkopf-Mauerbiene (E) und die gehörnte Mauerbiene (F). Insgesamt 2.700 Exemplare wurden direkt an ihren Nestern markiert.
Wie man Bienen markiert: Jeder Biene wurde ein farbiges, nummeriertes Plastikplättchen auf den Rücken geklebt. Dazu wurde ein ungiftiger Schelllackkleber benutzt. Damit markieren normalerweise Imker ihre Bienenköniginnen.
Manche Bienen sind satte 1,5 Zentimeter lang, andere nur sechs Millimeter. Das Projekt umfasste Bienenarten mit breitem Nahrungsspektrum und Spezialistinnen, die Pollen von nur einer einzigen Pflanzenart sammeln. Während der Flugperiode der Bienen wurden die Markierten dann täglich an den möglichen Futterstellen gezählt, nicht nur von der professionellen Bienenforschungsgruppe, sondern auch im Rahmen eines Citizen Science-Projektes im Botanischen Garten München. Wer markierte Wildbienen sah, sollte entweder ein Formular ausfüllen, das am Eingang verteilt wurde, oder das Forschungsteam per Mail und Handyfoto Fundstellen und Bienennummern mitteilen. Oder man konnte als Bienenfinder die Forscher gleich vor Ort über die Sichtung einer Biene mit "Nummernschild" informieren.
Der Champion: die Gemeine Löcherbiene
So wurden von den 2.689 markierten Bienen 450 gesichtet und die Entfernungen vom Nest berechnet. Dabei zeigte sich Forschungsleiterin Renner zufolge: Durchschnittlich flogen die Bienen zwischen 73 und 121 Meter weit zur Futtersuche. Kleinere Bienenarten flogen dabei wie erwartet weniger weit als die größeren. Am weitesten flogen Bienen vom Typ Gemeine Löcherbiene - 298 Meter weit von ihrer Behausung entfernt wurden Exemplare gesichtet. Ein einzelnes Exemplar entpuppte sich als Ausreißer im doppelten Sinne: Eine gehörnte Mauerbiene wurde 724 Meter von ihrem Nest entfernt gesichtet. Ihre Artgenossinenen und -genossen dagegen waren durchschnittlich 107 Meter davon entfernt entdeckt worden.
Und wozu ist dieses Wissen nun gut?
Ganz einfach: Wir Menschen haben dank der Münchner Forschung jetzt eine Erklärung dafür, warum manche Nisthilfen einfach nicht angenommen werden: weil keine Nahrung in der Nähe ist - so, als zögen wir einen Neubaublock in der Pampa hoch, nur ohne Schule, Krankenhaus, Einkaufsmöglichkeit, Park und Spielplatz in der Nähe. Kein Wunder, dass niemand einzieht...
Die Münchner Studie liefert eine Faustformel, wie weit Nistlebensräume für Wildbienen von Nahrungsplätzen entfernt sein dürfen: Kleinere Wildbienenarten fliegen den Münchner Forschungen zufolge nicht weiter als 150 Meter zu ihren Nahrungsgründen. Ein Blühstreifen allein sei nicht allein die Rettung, betont Botaniker Dr. Andreas Fleischmann von der Bayerischen Botanischen Gesellschaft. Vielmehr müssten intakte Lebensräume geschützt, gepflegt und miteinander vernetzt sein, damit Nisthilfen besiedelt werden. Fehlt den Bienen oder anderen Insekten die Infrastuktur - also artenreiche Blumenwiesen, Streuobstwiesen, Hecken, Ackerränder, Waldsäume und Gewässerrandstreifen - verhalten sie sich wie Menschen, die in ein Neubaugebiet im Nirgendwo ziehen sollen: Sie bleiben weg.
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