Bienenforschung Wie weit Wildbienen fliegen und warum Insektenhotels leer stehen

02. Juli 2020, 09:32 Uhr

Wer als Eltern das Kind allein daheim lassen muss, kennt das mulmige Gefühl: Hoffentlich macht es niemand die Tür auf oder gefährlichen Quatsch. Ob sich Wildbienen, die allein mit ihrem Nachwuchs leben, genauso fühlen, weiß natürlich kein Mensch. Aber man weiß dank Forschung aus München jetzt, wie weit das Insektenhotel oder die Nisthilfe vom Futter- und "Arbeitsplatz" der Wildbienen entfernt sein darf, damit der Nachwuchs nicht zu lange allein bleiben muss.

Pflanzen und nummerierte Insekten
Wie weit fliegt die Wildbiene von der Behausung zur Futterpflanze? Bildrechte: Dr. Andreas Fleischmann

Es ist ein uraltes Dilemma, das tierische wie menschliche Alleinerziehende gleichermaßen kennen. Man geht aus, zur Arbeit oder Einkaufen, der Nachwuchs muss allein daheim blieben und man hofft, dass nichts schief geht. Das beschäftigte schon Generationen vor uns; nicht umsonst erzählt der Volksmund Geschichten vom Wolf, der die (sechs von sieben) Geißlein holte. Wildbienen geht es ähnlich: Sie ziehen ihren Nachwuchs allein groß und fliegen täglich aus, um Pollen zu sammeln. Derweil bleiben die Larven allein im Nest. Je näher in der Nachbarschaft die Nahrung ist, um so größer die Chance, dass die Mutterbiene unterwegs nicht gefressen wird bzw. dass daheim kein Fressfeind den Nachwuchs verspeist.

Aber was bedeutet "weit weg vom Nest" konkret?

Bienenforschung: Wie weit fliegen Wildbienen zur Futtersuche
Bildrechte: Ludwig-Maximilians-Universität München

Aber wie weit weg entfernen sich denn Bienen überhaupt vom Nest, um Pollen zu sammeln? Das hat Professorin Susanne Renner zusammen mit einem Forschungsteam der Ludwig-Maximilians-Universität München und der Botanischen Staatssammlung München untersucht, und zwar im Botanischen Garten in München. Den gibt es seit 1914, und heute beherbergt der Park insgesamt 106 Bienenarten. Für das Forschungsprojekt wählten die Wissenschaftler*innen die Hahnenfuß-Scherenbiene (A), die Glockenblumen-Scherenbiene (B) die gewöhnliche Löcherbiene (C), die rostrote Mauerbiene (D) sowie die Natternkopf-Mauerbiene (E) und die gehörnte Mauerbiene (F). Insgesamt 2.700 Exemplare wurden direkt an ihren Nestern markiert.

Wie man Bienen markiert: Jeder Biene wurde ein farbiges, nummeriertes Plastikplättchen auf den Rücken geklebt. Dazu wurde ein ungiftiger Schelllackkleber benutzt. Damit markieren normalerweise Imker ihre Bienenköniginnen.

Manche Bienen sind satte 1,5 Zentimeter lang, andere nur sechs Millimeter. Das Projekt umfasste Bienenarten mit breitem Nahrungsspektrum und Spezialistinnen, die Pollen von nur einer einzigen Pflanzenart sammeln. Während der Flugperiode der Bienen wurden die Markierten dann täglich an den möglichen Futterstellen gezählt, nicht nur von der professionellen Bienenforschungsgruppe, sondern auch im Rahmen eines Citizen Science-Projektes im Botanischen Garten München. Wer markierte Wildbienen sah, sollte entweder ein Formular ausfüllen, das am Eingang verteilt wurde, oder das Forschungsteam per Mail und Handyfoto Fundstellen und Bienennummern mitteilen. Oder man konnte als Bienenfinder die Forscher gleich vor Ort über die Sichtung einer Biene mit "Nummernschild" informieren.

Der Champion: die Gemeine Löcherbiene

So wurden von den 2.689 markierten Bienen 450 gesichtet und die Entfernungen vom Nest berechnet. Dabei zeigte sich Forschungsleiterin Renner zufolge: Durchschnittlich flogen die Bienen zwischen 73 und 121 Meter weit zur Futtersuche. Kleinere Bienenarten flogen dabei wie erwartet weniger weit als die größeren. Am weitesten flogen Bienen vom Typ Gemeine Löcherbiene - 298 Meter weit von ihrer Behausung entfernt wurden Exemplare gesichtet. Ein einzelnes Exemplar entpuppte sich als Ausreißer im doppelten Sinne: Eine gehörnte Mauerbiene wurde 724 Meter von ihrem Nest entfernt gesichtet. Ihre Artgenossinenen und -genossen dagegen waren durchschnittlich 107 Meter davon entfernt entdeckt worden.

Vier Bilder zeigen, wie eine Biene mit einem Schildchen beklebt wird
Hier wird eine gehörnte Mauerbiene markiert Bildrechte: Ludwig-Maximilians-Universität München

Und wozu ist dieses Wissen nun gut?

Ganz einfach: Wir Menschen haben dank der Münchner Forschung jetzt eine Erklärung dafür, warum manche Nisthilfen einfach nicht angenommen werden: weil keine Nahrung in der Nähe ist - so, als zögen wir einen Neubaublock in der Pampa hoch, nur ohne Schule, Krankenhaus, Einkaufsmöglichkeit, Park und Spielplatz in der Nähe. Kein Wunder, dass niemand einzieht...

Markierung: wie man Bienen Schildchen aufklebt
Ein mühseliger Vorgang, die Bienenmarkierung. Bildrechte: Ludwig-Maximilians-Universität München

Die Münchner Studie liefert eine Faustformel, wie weit Nistlebensräume für Wildbienen von Nahrungsplätzen entfernt sein dürfen: Kleinere Wildbienenarten fliegen den Münchner Forschungen zufolge nicht weiter als 150 Meter zu ihren Nahrungsgründen. Ein Blühstreifen allein sei nicht allein die Rettung, betont Botaniker Dr. Andreas Fleischmann von der Bayerischen Botanischen Gesellschaft. Vielmehr müssten intakte Lebensräume geschützt, gepflegt und miteinander vernetzt sein, damit Nisthilfen besiedelt werden. Fehlt den Bienen oder anderen Insekten die Infrastuktur - also artenreiche Blumenwiesen, Streuobstwiesen, Hecken, Ackerränder, Waldsäume und Gewässerrandstreifen - verhalten sie sich wie Menschen, die in ein Neubaugebiet im Nirgendwo ziehen sollen: Sie bleiben weg.

Galerie Biene ist nicht gleich Biene

Die Honigbiene kennt vermutlich jeder. Aber wer hat schon einmal von der Blaugrünen Keulhornbiene gehört? Hier ein paar ausgefallene Bienenarten.

Eine Biene mit weißen Streifen sitzt in einer gelben Blüte
Weißfleckige Trauerbiene Die weißfleckige Trauerbiene erkennt man gut an ihrer grauen und schwarzen Behaarung. Sie nistet gern an Lehm- und Lösswänden in Sandgruben und Hohlwegen. Die Larven leben als Parasiten von anderen Pelzbienen. Bildrechte: IMAGO
Eine Biene mit weißen Streifen sitzt in einer gelben Blüte
Weißfleckige Trauerbiene Die weißfleckige Trauerbiene erkennt man gut an ihrer grauen und schwarzen Behaarung. Sie nistet gern an Lehm- und Lösswänden in Sandgruben und Hohlwegen. Die Larven leben als Parasiten von anderen Pelzbienen. Bildrechte: IMAGO
Braunbürstige Hosenbiene
Die braunbürstige Hosenbiene macht ihrem Namen alle Ehre mit ihren langen, braun gefärbten Haaren an den Hinterbeinen. Der helle Pollen färbt ihre "Hosen" auffallend weiß. Bildrechte: Hannes Petrischak
Raufüssige Hosenbiene
Die raufüßige Hosenbiene ist nur zwölf Millimeter groß. Im Sommer findet man sie am Wegesrand in den Blüten der Wegwarte oder anderen Korbblütengewächsen. Ihre Nester legt die Hosenbiene unterirdisch im Sandboden an. Sie braucht wie viele andere Bienenarten möglichst offenen Sand. Bildrechte: imago/blickwinkel
Eine zweifarbige Schneckenhaus-Mauerbiene sitzt auf einem Schneckengehäuuse
Die zweifarbige Schneckenhaus-Mauerbiene fliegt auf leere Schneckenhäuser, die beispielsweise auf kalkreichen Magerrasen liegen, aber auch in naturnahen Gärten. Pollen und Nektar sammeln die auffällig rotbraun behaarten Weibchen an verschiedenen Pflanzen. Im Schneckenhaus legen sie dann eine oder mehrere Kammern an, die sie mit einem Nahrungsvorrat für ihre Larven versehen. Dann legen sie ein Ei dazu. Als Schutz vor Wind und Wetter wird noch etwas renoviert und eine Wand aus zerkauten Blättern eingezogen. Bildrechte: imago/blickwinkel
Blutbiene
Blutbiene Im Volksmund heißt die Blutbiene auch "Auen-Buckelbiene". Man erkennt sie leicht an ihrem rötlichen Hinterteil. Bildrechte: imago/blickwinkel
Weibchen der Filzbiene auf einem Stein sitzend
Filzbiene Eine kleine, schwarze Bienenart, die sich zum Schlafen mit ihren Oberkiefern an Pflanzenteilen festbeißt und dann wie tot senkrecht oder waagerecht herunterhängt. Bildrechte: IMAGO
Eine Biene greift eine kleineres Insekt an
Hahnenfuß-Scherenbiene Hier überrascht eine Hahnenfuß-Scherenbiene eine Gemeine Keulenwespe in deren Nest. Bildrechte: imago/McPHOTO
Keulhornbiene auf einer Blüte
Die Keulhornbiene nistet in markhaltigen Pflanzenstengeln und überwintert darin auch. Wir finden sie in den Stengeln von Disteln, Brombeeeren, Glockenblumen oder Holunder. Wer ihr helfen will, bindet markhaltige Pflanzenstengel senkrecht oder schräg an einen Zaun und bricht die Spitzen ab. Dann kann sich die Keulhornbiene ins Mark nagen. Bildrechte: imago/blickwinkel
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Insektenhotels 1 min
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1 min

Wer ein Insektenhotel baut, sollte so einiges beachten. Denn was oft nicht klar ist: Manche Materialien werden von Insekten nicht angenommen. Wie es richtig geht, zeigt Expertin Brigitte Goss.

MDR FERNSEHEN So 24.03.2019 08:30Uhr 00:28 min

https://www.mdr.de/mdr-garten/pflegen/insektenhotel-tipps-und-tricks100.html

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Ein Insektenhotel 6 min
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