Citizen Science App Wie der Mond uns täuscht
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02. Juli 2020, 09:42 Uhr
Oben am Himmel sieht er gewaltig groß und zum Greifen nah aus. Wenn wir ihn fotografieren, ist er ein winziger Punkt. Wer oder was täuscht uns nun - der Mond oder unsere Wahrnehmung? Ein Citizen Science Projekt der Uni Bamberg will das Phänomen der Mondtäuschung neu ausleuchten und hat dafür eigens eine spezielle App entwickelt.
Auf diese Täuschung ist wohl schon jeder schon mal reingefallen: Am Himmel sieht er beeindruckend groß aus, und wenn wir ihn fotografieren, ist er ein wenig imposanter Punkt: der Mond. Was uns Freizeit-Mondgucker ärgert, fasziniert Menschen in der Wissenschaft, zum Beispiel Professor Claus-Christian Carbon von der Uni Bamberg. Carbon ist Wahrnehmungspsychologe und erforscht diesen Effekt. Für ihn ist die Mondtäuschung eine der eindrucksvollsten Demonstrationen für die menschliche Wahrnehmung:
Wenn Sie mal durch eine kleine Lochscheibe schauen, ist der Mond immer furchtbar klein, ein winziger kleiner Lichtpunkt.
Dass uns der Mond beim Blick an den Himmel manchmal so groß vorkommt, ist ein Trugschluss, sagt der Wissenschaftler: "Wir bereiten dieses Signal über unser Hirn so stark auf, dass es teilweise gar nicht mehr mit der Realität übereinstimmt. Das heißt: Manche Sachen werden verstärkt, vergrößert, manche Sachen werden verkleinert, weil sie gerade nicht so wichtig sind." Nur warum?
Wie wird die Mondtäuschung bisher erklärt?
Die meisten Menschen denken, dass die Täuschung mit dem jeweiligen Abstand von der Erde zusammenhängt, weiß Claus-Christian Carbon. Aus Sicht des Psychologen ist aber der perzeptuelle Effekt, also der, den die Wahrnehmung hier selbst spielt, deutlich stärker: "Wir reden hier über ein Vielfaches der astronomischen und optischen Effekte." Das kann man ganz leicht nachvollziehen, meint er, nämlich wenn wir darauf achten, wie der Mond binnen weniger Minuten von einem wahren Riesen zu einem relativ winzig dreinschauenden Himmelskörper mutiert. Besonders klein wirkt er meist er weit oben oder im Zenit. Sehr eindrucksvoll dagegen am Horizont. So oder so wirkt der Mond viel größer als er eigentlich erscheinen müsste.
Eine andere Erklärung, die oft vorgebracht wird: "Manchmal bricht sich das Licht anders, am Abend." Auch dieses Phänomen erklärt die Mondtäuschung nicht, sagt Wissenschaftler Carbon.
Mondforschung für alle - per Handy
Ob die Wahrnehmung auch je nach Alter oder Geschlecht varriert, weiß man auch noch nicht, erklärt Carbon, dafür sei die bisherige Datenlage zu dünn. Und genau die will der Forscher vergrößern und zwar mit Hilfe des Citizen Science Projekts "Moondiary" , also Mondtagebuch. Über diese App (erhältlich für Android) können alle, die sich für den Mond interessieren, ihre Daten eingeben. Carbon erläutert, was man genau machen muss:
Sie werden schlichtweg gefragt, wie der Mond gerade erscheint, wie groß er ist, wie weit entfernt. (…) Wir sammeln diese Daten, und rechnen später über den Stand des Mondes zum Beispiel zurück, wo der Mond stand, wie weit er gerade entfernt war, unter welchen Bedingungen Sie das gesehen haben.
Und zwar nicht nur am Nachthimmel, sondern immer dann, wenn wir den Mond sehen. Auch Eingaben am Tag sind möglich, sollten sich die Eigenschaften des Mondes oder sein Stand verändert haben. Das Eintragen in die App dauert etwa eine Minute. Mondsüchtig wird uns das wohl nicht machen, aber langfristig schlauer, was die Wahrnehmung des Himmeslkörpers angeht.
Dass die Wissenschaft hier alle mit ins Boot holt, die das Mondphanömen begeistert, ist neu. Bisher versuchten Forscher sich an der Mondtäuschung meist mit reinen theoretischen Erklärungen, sagt der Bamberger Wissenschaftler, mit experimentellen Aufbauten und sehr wenig Versuchspersonen. Die Citizen Science App dagegen sammelt bestenfalls Daten von sehr vielen, unterschiedlichen Menschen, also nicht nur von Studierenden eines bestimmten Fachbereichs oder einer kleinen Gruppe von Probanden.
Mondforschung für alle - bis wann?
Bis Ende des Sommers kann die App mit Mondbeobachtungen gefüttert werden. Nach Auswertung aller Daten liefert die Wahrnehmungspsychologie dann vielleicht eine neue Erklärung dafür, warum der Mond uns mal groß und mal klein erscheint, obwohl er seine Größe ja nicht ändert. Ein Besuch im Planetarium kann uns das generell sehr eindrucksvoll zeigen, sagt Carbon - warnt aber gleichzeitig:
Sie werden begeistert von den Sternen sein, ja, aber gänzlich enttäuscht von der Monddarstellung.
Claus-Christian Carbon hofft - außer auf einen Schwung ergiebiger Daten - auch noch auf einen anderen Effekt:
Wir fliegen zum Mond, aber freuen uns oft gar nicht am schieren Anblick des Mondes.
Das könnten wir alle ja mal wieder machen, unabhängig davon, ob wir Daten in eine App laden (können), oder uns einfach so am Mond erfreuen und unsere Beobachtungen für uns behalten.