Wie Krebszellen im Körper wandern
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27. August 2020, 11:58 Uhr
Es ist der worst case einer Krebserkrankung, wenn man hört: Der Krebs hat gestreut. Er hat sich ausgebreitet im Körper. Wieso kann der Krebs das überhaupt? Es ist ja eigentlich untypisch, dass im Körper einfach Zellen herumwandern. Im Körper hat schließlich alles seinen Platz. Wissenschaftler unter anderem von den Unis Leipzig und Dresden haben jetzt herausgefunden, warum Zellen plötzlich beweglich werden und auf Reisen gehen können.
Wenn Zellen plötzlich in Bewegung kommen
„Wir sind ein weicher Festkörper. Da bewegt sich nichts.“ Das sagt Josef Käs, Professor für Physik der weichen Materie an der Universität Leipzig. Und tatsächlich: Die meisten Bausteine unseres Körpers sind fest verankert. Unsere Haut- oder Leberzellen können nicht einfach losziehen und durch den Körper reisen. Bei einer Krebserkrankung passiert das aber - und kann tödlich enden.
Die niederschmetternde Nachricht bei Krebs ist, wenn man hört: Der Krebs hat metastasiert. Das heißt nicht nur, dass die Zellen sich unkontrolliert teilen, sondern dass die Zellen auch durch den Körper wandern und woanders wieder einen Tumor bilden.
Embryonale Entwicklung im Rückwärtsgang
Käs gehört zu einer Gruppe von Wissenschaftlern, die jetzt herausgefunden hat, wie die Krebszellen das anstellen. Die Forscher untersuchten, wie sich Zellen während der Krebsentwicklung verändern. Dafür hatten sie Patienten Tumorzellen entnommen und im Labor analysiert.
Käs sagt, fast alle Zellen seien dazu in der Lage. Jeder Mensch durchläuft nämlich als Embryo im Mutterleib eine Phase, während der Zellen das können müssen: beweglich sein, um an die richtige Stelle zu gelangen und dort zum Beispiel Organe zu bilden. Der Leipziger Physiker formuliert es so: "Krebs ist in vielerlei Hinsicht embryonale Entwicklung im Rückwärtsgang."
Wenn wir nämlich fertig gebaut sind, binden sich die Zellen fest aneinander, jede Zelle an ihre Nachbarzellen. So bilden sie stabile Strukturen. Um loszukommen, muss die Zelle also aufhören zu "kleben". Genau das passiert, nämlich „dass sich die Klebrigkeit der Zellen herabsetzt, damit die Zellen sich loslösen können und dann beginnen können, durch den Körper zu wandern.", so Käs.
Wie eine Seifenblase
Diese Erkenntnis ist nicht neu, greift aber allein noch zu kurz, sagt Käs. Im Körper reicht es nämlich nicht aus, einfach nur beweglich zu sein. Das veranschaulicht der Leipziger Physiker mit einem Beispiel:
Das ist wie bei einem Rockkonzert, wenn ich es endlich zur Bar geschafft und mein Bier geholt habe, aber alle stehen hinter mir. Ich kann mich nicht bewegen, weil ich eingeklemmt von den Nachbarn bin. Das heißt, ich bin eigentlich unbeweglich.
Da wäre es doch schön, wenn man sich "flüssig machen" oder sich in Luft auflösen könnte. Prinzipiell macht die Zelle genau das: „Die Zellen werden erstmal eine Flüssigkeit, fließen sozusagen weg und verdünnen sich dann noch weiter und werden gasartig.“
Ziel: den streuenden Krebs besser verstehen
Gasartig bedeutet: Die Zelle wird beweglich und flexibel wie eine Seifenblase. So kann sie sich überall im Körper verteilen. Diese aus wissenschaftlicher Sicht faszinierende Transformation ist aber leider auch der erste Schritt zur Metastase, also zum streuenden Krebs. Die Hoffnung der Wissenschaftler ist nun, voraussagen zu können, ob ein Tumor bald streuen wird. Dabei sollen die neuen Erkenntnisse helfen.
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