Sars-CoV-2: Studie an Zellkulturen Frankfurter Forscher finden neue Wirkstoffe gegen das Coronavirus
Hauptinhalt
14. Mai 2020, 18:41 Uhr
Wer die Suche nach einem Medikament gegen Covid-19 beobachtet, kann leicht den Überblick verlieren: Gefühlt überall werden gerade Wirkstoffe auf ihre Tauglichkeit getestet oder gar ganz neue entwickelt. Das Problem dabei: Die meisten Studien zielen gewissermaßen ins Blaue - was gegen andere Viren hilft, könnte hier ja auch klappen, ist da oft die Devise. Denn wie das neuartige SARS-CoV-2-Virus in der Zelle in unserem Körper genau funktioniert, war bisher noch unklar.
Forschungsergebnisse der Goethe-Universität Frankfurt am Main ändern das jetzt: Dort haben Forschende mithilfe einer neuartigen Methode und Zellkulturen von Erkrankten genau beobachtet, was das Virus in der Zelle macht. Mit diesem Wissen konnten sie sehr gezielt nach Wirkstoffen suchen - und sind fündig geworden.
Virus will sich immer vermehren
So ein Virus ist ziemlich egoistisch: Es will nichts anderes, als sich nur immer weiter zu verbreiten - und zwar so schnell wie möglich. Dazu dringt es in Zellen ein. Denn Zellen produzieren Proteine - und auch das Virus kann dort seine Proteine herstellen, um sich weiter zu vermehren.
Deshalb passiert es häufig bei einem Virusbefall, dass die Produktion der Proteine, die diese Zelle eigentlich herstellt, gestoppt wird - die Herstellung der Virusproteine wird dagegen hochgefahren, erläutert der Biochemiker Christian Münch von der Universität Frankfurt/Main.
Aber das war dann erstaunlicherweise mit Sars-CoV-2 gar nicht so, das bleibt fast konstant. Das heißt, die viralen Proteine werden im Prinzip in Konkurrenz zu den zellulären Proteinen hergestellt.
Infektion "live" beobachtet
Aber woher weiß Münch das? Dank einer neuen Methode, die die Frankfurter erst Anfang des Jahres entwickelt haben, konnten sie erstmals beobachten, was bei einer Infektion mit den Proteinen in einer Zelle passiert. Sie haben das gewissermaßen live beobachtet in einem Zellkultur-Modell - also in gezüchteten, aber echten menschlichen Zellen.
Wir haben mehrere Wege gefunden, die sich stark verändern - Signalwege, aber auch Stoffwechselwege - und es hat sich dabei gezeigt, dass es große Veränderungen in der Verwendung von Zucker gibt. Zellen brauchen Zucker, um ihre Energie zur Verfügung zu stellen und das ist wichtig, um neue Viruspartikel in der Zelle herzustellen.
Behandlung mit Ribavirin erfolgreich
Und die Proteinproduktion wird stark hochgefahren, ergänzt Münch. Vor allem der Kohlenhydrat-Stoffwechsel und die RNA-Herstellung seien aktiver geworden. Das sei die Maschinerie, die die Zelle brauche, um das Erbgut des Virus zu kopieren. Genau hier vermutete das Team einen Schwachpunkt des Virus: Sie testeten in der Zellkultur, ob Wirkstoffe diese Proteinproduktion hemmen oder ganz stoppen konnten.
Es ist ein RNA-Virus und in der Zelle muss dann natürlich auch viel Virus-RNA hergestellt werden, um neue Viren zu machen. Wir haben einen Stoff namens Ribavirin entdeckt und konnten zeigen, dass sich mit einer Behandlung mit Ribavirin das Virus nicht mehr in der Zelle vermehren kann.
Wirkstoff lässt sich wie Asthma-Spray sprühen
Der große Vorteil an dem Wirkstoff: Er lässt sich wie ein Asthma-Spray in den Rachen sprühen. Er ist bereits als Mittel gegen chronische Hepatitis-Erkrankungen auf dem Markt. Die Ergebnisse der Frankfurter Studie sind so überzeugend, dass in Kanada bereits klinische Studien an Covid-19-Patienten mit Ribavirin begonnen haben.
Auch ein zweiter Wirkstoff, der auf die Zuckerproduktion zielt, war in der Zellkultur vielversprechend und soll klinisch erprobt werden, so Münch. Eine US-Firma hatte ihn ursprünglich zur Bekämpfung von Krebszellen entwickelt. Doch egal was am Ende effektiv wirkt, dank dem Wissen darüber, was das Coronavirus mit unseren Zellen anstellt, kann jetzt erstmals ganz gezielt danach gefahndet werden.