Energiepolitik Neue Generation von Atomreaktoren: Was sie können und was nicht

02. November 2021, 10:25 Uhr

Chinas neuer Thoriumreaktor hat eine Debatte ausgelöst: Können neue Reaktortypen die Atomkraft doch noch sicher, umweltfreundlich und kostengünstig machen? Forschende müssten dafür sehr viele Probleme lösen.

Kernkraftwerk im französischen Cruas: Zwei Kühltürme mit Illustration von spielendem Kind, davor ein Windrad und Baum.
Windkraft oder AKW – hier im französischen Curas. Wer gewinnt das Rennen um sauberen Strom? Und können neue Reaktortypen dabei helfen? Bildrechte: IMAGO / teamwork

Immer neues Kohlenstoffdioxid wärmt die Erdatmosphäre stetig auf. Das erhitzte Weltklima führt unter anderem zu mehr und heftigeren Stürmen und bedroht viele Pflanzen- und Tierarten. Ein Ausstieg aus der Stromerzeugung durch Kohleverbrennung ist nach Ansicht vieler Forschender daher unausweichlich. Zugleich hat Deutschland nach jahrzehntelangen Protesten entschieden, keinen Strom mehr mit Atomkraft zu erzeugen, unter anderem weil die Katastrophen in den Kraftwerken Tschernobyl und Fukushima große Zweifel an der Sicherheit der Reaktoren erzeugt haben.

Aber gibt es vielleicht sichere und zugleich effiziente Reaktortechnologien, die den Strombedarf der Menschen decken könnten, ohne mehr CO2 zu erzeugen? Im Bundestagswahlkampf vertrat unter anderem die AfD die Forderung, die Forschung an neuen Reaktortypen der dritten und vierten Generation sowie an der Kernfusion fortzusetzen und wieder in die Stromerzeugung mit Atomkraft einzusteigen.

Melden Sie sich für das MDR-Klima-Update an

Jeden Freitag verschickt der MDR das Klima-Update, einen Newsletter zum Thema Klima und Umweltpolitik. Wenn Sie das Update bequem und regelmäßig in Ihrem Mailpostfach erhalten wollen, können Sie sich kostenlos hier dafür anmelden.

Mit Bestätigung dieser Anmeldung zu diesem Service willigen Sie in die Speicherung der von Ihnen eingetragenen Daten ein. Diese werden vom MDR ausschließlich dazu verwandt, Ihnen den ausgewählten Service bereitzustellen. Sie werden von uns nicht an Dritte weitergegeben oder Dritten überlassen.

Sie haben jederzeit die Möglichkeit, mit E-Mail an newsletter@mdr.de den Inhalt Ihrer Einwilligung abzurufen und zu verändern sowie die Einwilligung mit Wirkung für die Zukunft zu widerrufen. Nach Widerruf bzw. Deaktivierung/Abmeldung des Services werden Ihre Daten gelöscht.

Hinweise zum Datenschutz und Informationen zur Verarbeitung Ihrer Daten finden Sie in der Datenschutzerklärung des MDR.

Die mit einem * gekennzeichneten Felder müssen ausgefüllt werden.

Doch um welche Reaktortypen geht es hier? Wie sicher und neuartig sind sie wirklich - und könnten sie im Kampf gegen den Klimawandel helfen? MDR WISSEN bietet Antworten auf die wichtigsten Fragen.

Welche Reaktoren sind aktuell im Einsatz?

Bei nahezu allen Atomreaktoren, die derzeit auf der Welt für die kommerzielle Stromerzeugung betrieben werden, handelt es sich um "Leichtwasserreaktoren". Dazu werden Brennstäbe mit Hilfe des radioaktiven Elements Uran hergestellt. In einigen Fällen wird auch Plutonium beigemischt. In einem mit Wasser gefüllten Reaktor geben die Atome des Brennstoffs überschüssige Neutronen ab. Diese treffen auf andere Atome, die wiederum Neutronen abgeben. So kommt es zu einer kontrollierten Kettenreaktion der Kernspaltung, die große Hitze erzeugt. Mit dieser Hitze wird in einem sekundären Kühlkreislauf Wasserdampf erzeugt, der Turbinen zur Stromerzeugung antreibt.

Leichtwasserreaktoren, beziehungsweise die dazu gehörenden Typen Siedewasser- und Druckwasserreaktor, bringen verschiedene Risiken und Probleme mit sich. Zunächst kann es vereinfacht gesagt bei einer Überhitzung des Reaktorkerns dazu kommen, dass das kühlende Wasser in Sauer- und Wasserstoff aufgespalten wird. Da Wasserstoff ein extrem explosives Gas ist, droht es bei einer Detonation das Reaktorgefäß zu beschädigen, wodurch radioaktive Strahlung in die Umwelt gelangen kann. Beim Unglück von Fukushima kam es nach dem von dem Tsunami verursachten Ausfall des Notkühlsystems zu einer solchen Wasserstoffexplosion.

Fabrikähnliches Gebäude in skandinavischem Rot, zylindrischer, großer, flacher Turm mit Haube in Mitte, dünner Schornstein, Wasser und Spiegelung im Vordergrund, heiteres Wetter
Am Standort des Kernkraftwerks Olkiluoto vor der finnischen Westküste wird seit 2003 ein erster Reaktor vom Typ EPR gebaut. Bisland konnte der Betrieb nicht aufgenommen werden, da sich das Projekt in der Bauphase als erheblich komplexer erwies als in der Planung. Bildrechte: imago images/ZUMA Press

Eine Überhitzung des Reaktorkerns kann zudem zu einer Schmelze des Brennstoffs, zu einer sogenannten Kernschmelze führen. In diesem Fall entsteht extrem heißes, extrem radioaktives Material. Zu Kernschmelzen kam es bislang im Schweizer Reaktor Lucens (1969), im US-Atomkraftwerk Three Mile Island bei Harrisburg (1979), in Tschernobyl (1986) und in Fukushima (2011). Sowohl in Fukushima als auch in Tschernobyl ist es aufgrund der immensen Radioaktivität bis heute nicht gelungen, die geschmolzenen Reaktorkerne zu bergen.

Was sind Reaktoren der dritten Generation?

Als State of the Art des Kernkraftreaktorenbaus kann man die dritte Generation bezeichnen. Kernkraftreaktoren der dritten Generation sind seit 1996 in Betrieb. Die Generation III zeichnet sich durch verbesserte Sicherheit und Wirtschaftlichkeit aus, jedoch nicht durch Nachhaltigkeit in Hinblick auf den Brennstoffkreislauf. Vor allem der Typ Siedewasserreaktor – der nach dem Druckwasserreaktor weltweit am zweithäufigsten in Betrieb ist – konnte in seiner Konstruktion deutlich vereinfacht und damit verbessert werden. Reaktor-Vertreter der dritten Generation sind der ABWR (aktiv in Japan), System 80+ (so nie verkauft, aber in südkoreanische Technik eingeflossen) und VVER-1200 (aktiv in Russland und Belarus).

Zu unterscheiden sind die Genrationen "III" und "III+" – das erinnert ein wenig an die bis zuletzt gebräuchliche Bezeichnung der Energieeffizienz von Elektrogeräten und dient Herstellern dazu, sich voneinander abzuheben. Das Plus steht dabei unter anderem für ein Plus an Sicherheit, so wie beim Europäischen Druckwasserreaktor EPR. Der EPR ist der leistungsstärkste Reaktor der Generation III+ und ist eigentlich das neue Premium-Produkt in Sachen AKW-Exportgut aus Frankreich. Wobei "neu" hier relativ ist: Die Entwicklung begann schon 1989. Ziel war es, einen Reaktor auf den Markt zu bringen, der gegen Kernschmelzeunfälle besonders gut abgesichert ist. So soll etwa eine Stahlbetonwanne unter dem Reaktordruckbehälter das Grundwasser vor Radioaktivität schützen. Das Kraftwerk sei zudem gegen Flugzeugabstürze geschützt. Verbesserte Kühlungssysteme machen das Kraftwerk sicherer. Bei einem Notfall mit Verlust der Stromversorgung wird aber eine externe Wasserzufuhr zur Kühlung benötigt.

Atomkraftwerk Hinkley Point: Große, quader-förmige Gebäude, davor Wiese und Bäume.
Das britische Atomkraftwerk Hinkley Point: Auch hier sollen zwei Reaktoren vom Typ EPR gebaut werden, es kommt allerdings zu Verzögerungen. Bildrechte: IMAGO / ZUMA Press

Dass der EPR nicht gerade ein Exportschlager ist, unterstreichen diverse Bauvorhaben, deren Verlauf an die wechselvolle Geschichte des BER hierzulande erinnert. Die einzigen in Betrieb befindlichen EPR-Reaktoren befinden sich im chinesischen Taishan und gingen mit mehrjähriger Verzögerung und Kostenüberschreitung ans Netz. Hier sind die Betreibenden noch glimpflich davon gekommen. Die zwei EPR-Reaktoren im britischen AKW Hinkley Point haben sich jetzt schon jetzt als Milliardengrab herausgestellt - mit einem Zeitplan, der acht Jahre hinter dem ursprünglichen liegt. Dem Fass den Boden schlägt aber die EPR-Baustelle im finnischen Olkiluoto aus. Kinder, die zum Zeitpunkt der eigentlichen Fertigstellung 2009 geboren wurden, lernen mittlerweile in der Oberstufe. Verzögerungen in der Detailplanung, fehlende Zulieferer, Versagen beim Management: Das Prestigeprojekt im hohen Norden ist eher eine Prestigeblamage – in einem Land, in dem die Zustimmung zur Kernkraft insgesamt sehr hoch ist und es keine offiziellen Einwände gegen den Bau gab.

Gleiches Spiel in der EPR-Heimat Frankreich: Die Bauarbeiten am neuen Reaktor am Standort Flamanville haben 2007 begonnen, eine Fertigstellung war 2012 anvisiert. Nach zahlreichen Terminverlegungen, unter anderem aufgrund sicherheitsrelevanter Baumängel, ist der Reaktor auch 2021 noch nicht am Netz, die Kosten haben sich von 3,3 auf 19,7 Milliarden Euro erhöht.

Der EPR ist allerdings nicht der einzige Reaktor der Generation III+. Die höheren Standards konnte als erstes der in den USA, Großbritannien und Japan entwickelte AP1000 erfüllen, der derzeit mit vier Einheiten in China in Betrieb ist – auch hier mit verzögerter Fertigstellung. China plant, den für den heimischen Markt abgewandelten CAP1000 im großen Stil an vielen Standorten zu errichten.

Was sind Reaktortypen der vierten Generation?

Atomreaktoren der sogenannten vierten Generation sollen die Effizienz der Stromerzeugung mit Hilfe von Kernspaltung erhöhen, zugleich sicherer sein und nicht für die Herstellung von Atomwaffen missbraucht werden können. Insgesamt 14 Industrieländer koordinieren hierzu ihre Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten im "Generation IV International Forum" (GIF). Deutschland ist trotz seines Atomausstiegs über die Europäische Atomgemeinschaft (Euratom) indirekt am GIF beteiligt.

Diskutiert und erforscht werden insgesamt sechs Reaktorsysteme. Laut einem Report des wissenschaftlichen Dienstes des Bundestags werden davon hauptsächlich vier verfolgt. Gemeinsam ist allen, dass sie neue Verfahren zur Kühlung und zum Wärmeaustausch des Reaktors einsetzen und in vielen Fällen ihren Brennstoff nicht nur spalten, sondern zugleich neuen, spaltbaren Brennstoff erzeugen. Deshalb werden sie auch Brutreaktoren genannt.

Die vier hauptsächlich verfolgten Typen sind der Hochtemperaturreaktor (bei dem mit gasförmigen Helium gekühlt wird), der schnelle Natriumreaktor (hier wird mit flüssigem Natrium gekühlt), der schnelle Bleireaktor (hier wird geschmolzenes Blei im Kühlkreislauf verwendet) und der Flüssigsalzreaktor (bei dem der Brennstoff in geschmolzenem Salz gelöst ist und die Spaltreaktion direkt dort stattfindet). Daneben werden gasgekühlte Reaktoren und Reaktoren mit Wasser in superkritischem Zustand erforscht.

Was Effizienz, Sicherheit und Nichtnutzbarkeit für militärische Zwecke angeht, gibt es aber offenbar Zielkonflikte. Das deutsche Ökoinstitut kommt in einem eigenen Report zu den neuen Reaktorkonzepten zu dem Fazit: "Maßnahmen zur Erhöhung der Sicherheit [führen] zu Nachteilen im Bereich der Ökonomie, Vorteile bei der Ressourcenausnutzung stehen vielfach im Widerspruch zu einer Verbesserung im Bereich der Proliferation." Im Endeffekt sei nicht damit zu rechnen, dass mehr Menschen wieder von der Kernenergie überzeugt werden könnten, wenn neue Reaktorkonzepte nicht alle drei Probleme lösten.

Gibt es bereits Reaktoren der vierten Generation in der Praxis?

Zwei hohe Kühltürme, weitere Schornsteine und Hochspannungsleitungen, im Vordergrund Feld, diesig bis heiter
Archivbild des Thorium Hochtemperaturreaktors THTR 300 in Hamm-Uentrop: Der kommerzielle Betrieb des mit Helium gekühlten Reaktors wurde wegen vieler technischer Probleme schon nach kurzer Zeit wieder eingestellt. Bildrechte: imago/Sven Simon

China hat vermutlich vor kurzem einen ersten, experimentellen Flüssigsalzreaktor in Betrieb genommen, der mit Thorium betrieben wird. Bislang hat das Land den Betriebsstart der Anlage noch nicht bestätigt. Das Magazin nature berichtet allerdings, dass die Konstruktionsarbeiten Ende August abgeschlossen worden sein sollten. Weiter heißt es, dass im September erste Testläufe stattfinden sollten.

Die Anlage soll verschiedene Vorteile bringen. Zunächst fällt der Brennstoff Thorium in China häufig bei der Förderung sogenannter seltener Erden für den Einsatz in Smartphones als Abfallprodukt an, gilt also in dem Land als leicht verfügbar. Das Design des Reaktors schließt zudem Explosionen von Wasserstoff aus, wie sie sich in Fukushima ereignet haben, einfach dadurch, dass auf Wasser als Kühlmittel verzichtet wird. Zudem gilt das flüssige Salz als sehr sicheres Trägermedium für die Spaltreaktion. Kommt es zur Überhitzung, dehnt sich das Salz aus, wodurch es wieder abkühlt. Dadurch erhärtet es an einem bestimmten Punkt und die nukleare Reaktion wird automatisch gestoppt.

Kernkraftwerk Kalkar: Großer, flacher Kühlturm, daneben fabrikähnliches Gebäude, im Vordergrund Fluss und Steine, sonnig
Der schnelle, natriumgekühlte Brutreaktor in Kalkar am Niederrhein wurde nie vollständig in Betrieb genommen (Archivbild). Auf dem Gelände befindet sich heute ein Freizeitpark. Bildrechte: IMAGO / Sven Simon

Bei Versuchen im Oak Ridge National Laboratory in den USA in den 1950er und 60er Jahren, wo der Flüssigsalzreaktor entwickelt und erprobt wurde, zeigten sich allerdings auch verschiedene Probleme. Einerseits fällt die Leistung bislang geringer aus als bei Druckwasserreaktoren. Zudem entstand gasförmiges, radioaktives Tritium, das dem Reaktor entweichen konnte. Das heiße, flüssige Salz wiederum korrodierte die Reaktorhülle. Im Zerfallsprozess entstehen radioaktive Produkte, die zwar eine vergleichsweise kurze Halbwertzeit haben und deshalb in etwa 100 Jahren viel ihrer Gefährlichkeit verlieren. Bis dahin allerdings geben sie starke Gammastrahlung ab, die hochradioaktiv und damit sehr gefährlich ist, wodurch der Müll schwierig zu handhaben ist.

Deutschland hatte mit dem Thorium-Hochtemperaturreaktor in Hamm-Uentrop bereits einen schnellen, gasgekühlten Reaktor im Einsatz. Der THTR-300 erwies sich allerdings als technisch sehr schwer zu betreiben und wurde im September 1989, bereits zwei Jahre nach Beginn des kommerziellen Betriebs, wieder stillgelegt. Der sogenannte schnelle Brüter, das Kernkraftwerk Kalkar am Niederrhein, ging wegen des Protests von Atomkraftgegnern nie in Betrieb. Bei ihm handelte es sich um einen schnellen, natriumgekühlten Reaktor. Das Projekt wurde 1991 eingestellt. Auch Frankreich stellte seine Versuche mit natriumgekühlten Reaktoren, die es in den Kraftwerken Phénix und Superphénix verfolgt hatte, schließlich wieder ein.

Wie steht es um die Kernfusion?

Energieerzeugung mit Kernfusion unterscheidet sich von Kernspaltung fundamental. Hier werden Atomkerne zusammengepresst und nicht gespalten. Kernfusion ist der Prozess, der Sterne wie die Sonne leuchten lässt. Unter dem gewaltigen Druck der Schwerkraft eines Sterns werden in dessen Innerem Wasserstoffatome zu Helium verschmolzen. Damit ein solcher Prozess auf der Erde funktionieren kann, muss das Ausgangsmaterial unter immensen Druck gebracht werden. Fusionsreaktoren wollen diese Bedingungen durch extrem starke Magnetfelder herstellen. Bislang ist es aber noch nicht gelungen, Fusionsprozesse in Gang zu setzen, die mehr Energie abwerfen, als sie verbrauchen. Versuchsanlagen wie das europäische Projekt Iter sollen den Weg in die kommerzielle Stromerzeugung mit Kernfusion weisen. Mit einem tatsächlichen Nutzen für die Energieerzeugung wird allerdings erst in einigen Jahrzehnten gerechnet.

Kann uns die Kernenergie im Kampf gegen den Klimawandel helfen?

Nachdem Deutschland den Atomausstieg beschlossen hatte und Ende 2022 mit der Abschaltung der letzten Meiler besiegeln wird (und die Fässer auf ihr Endlager warten), finden selbst Betreiber die Idee eines Ausstiegs vom Ausstieg abwegig. Das gilt nicht für andere Staaten, denn dort ist eher der Ausstieg abwegig: Länder wie Frankreich, Finnland, die Vereinigten Staaten und China sehen in der Kernkraft nicht nur eine moderne Form der Energiegewinnung, sondern auch eine Chance, dem Klimawandel zu begegnen.

Richtig: Der Betrieb von Kernkraftwerken ist frei von Treibhausgasemissionen. Aber selbst wenn die Problematik des komplizierten Rückbaus alter Kraftwerke, des viele hundert Jahre radioaktiven Mülls und der Endlagersuche beiseitegelegt werden, können AKWs nicht von heute auf morgen für saubere Energie sorgen. "Ich denke, wenn wir einfach auf die Historie der Kernenergie sehen, dann hätten wir bei einer Strategie, die auf Kernenergie setzt, extrem hohe Risiken", so Christoph Pistner, Bereichsleiter für Nukleartechnik und Anlagensicherheit am Öko-Institut in Darmstadt. "Sie ist langsam, sie ist teuer. Ob sich daran tatsächlich in naher Zukunft irgendetwas ändert, ist hochgradig fragwürdig:" Er verweist auf verfügbare Alternativen mit geringeren Risiken.

Die würden allerdings nicht ausreichen, schätzt Holger Rogner, emeritierter wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Forschungsgruppe Integrated Assessment and Climate Change am österreichischen Internationalen Institut für angewandte Systemanalyse: "Was wir brauchen, ist ein Mix. Kernenergie allein wird es nicht richten, Renewables allein werden es nicht richten." Und auch Effizienzsteigerung der Energienutzung sei keine alleinige Lösung. "Dazu kommt auch die Planungssicherheit. Mal on, mal off, mal dies, mal jenes, dann werden wir nie zu einer Strategie kommen, die uns 2050 in Richtung Carbon Neutrality bringt." Hinzu kommt, dass ein großes Maß an Atomenergie nicht von heute auf morgen verfügbar sein wird. Verzögerungen und Kostenexplosionen beim Bau moderner Reaktoren wie dem EPR zeigen das bereits jetzt. Nico Bauer, Leitender Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung: "Die Nuklearenergie wird so schnell nicht ausbaubar sein. Erneuerbare können einen großen Beitrag leisten. Es besteht da noch die Frage, inwiefern zusätzlich Erdgas gebraucht wird. Längerfristig gilt für die Nuklearenergie: Es gibt Beschränkungen schon allein durch die Uranverfügbarkeit." Zumindest trifft das nach derzeitigem Stand der Technik zu.

Hinzu kommt: Die Kosten für Solar- und Windenergie sind in den letzten Jahren massiv gesunken, für Atomstrom hingegen deutlich gestiegen. Das Geld, das in neue Kernkrafttechnik fließen könnte, fehle zudem an anderer Stelle für billigere, nachhaltigere Alternativen, so Mycle Schneider vom World Nuclear Industry Status Report, der auch Regierungen in dieser Angelegenheit berät. "Die Investition in neue Atomkraftwerke verschlimmert die Klimakrise. Da gibt es überhaupt keinen Zweifel", so Schneider im vom MDR produzierten ARD-Magazin Fakt. Und auch die Kosten, alte AKWs wieder loszuwerden, kann man nicht ignorieren. Für den Rückbau des bereits 1995 stillgelegten Kraftwerks Greifswald liegen aktuelle Schätzungen bei 6,6 Milliarden Euro. Aber auch hier gilt: Genau weiß das keiner.

Quellen

404 Not Found

Not Found

The requested URL /api/v1/talk/includes/html/35531cd4-43f7-40d1-9ef6-6c99e3c98e95 was not found on this server.