US-Wahlen Präsident Trump: Was für Europas Wirtschaft auf dem Spiel steht
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06. November 2024, 15:30 Uhr
Donald Trump hat gewonnen. Er wird zum zweiten mal Präsident der USA. Der Sieg der Republikaner könnte weitreichende Folgen für die Weltwirtschaft haben – vor allem für Europa. Angekündigte Maßnahmen könnten im Extremfall zu einem Zusammenbruch der Welthandelsorgansation WTO führen, was für Europa ein verheerendes Szenario wäre.
Dass am US-Superwahltag 2024 nicht nur die über 300 Millionen US-Amerikanerinnen und -Amerikaner gespannt auf den Ergebnis-Ticker schauen, sondern gelinde gesagt die ganze Welt, hat einen Grund: Zu groß ist der Einfluss des Superstaats in Übersee, als dass sich vor allem die Präsidentschaftswahl als innenpolitische Angelegenheit abtun lassen würde. Die Spannung steigt auch bei Wirtschaftswissenschaftlerinnen und -wissenschaftlern, schließlich handelt es sich bei den Vereinigten Staaten um die, je nach Zählweise, größte oder zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt.
America First, egal wer gewinnt?
Klar war bereits vorher: Egal ob Harris oder Trump, nicht die Weltgemeinschaft, sondern America First wird das wirtschaftliche Credo sein und Amerika könnte seine protektionistische Handelspolitik weiter verfolgen, so wie bereits seit der ersten Amtszeit von Donald Trump ab 2017. Dadurch sollen inländische Unternehmen vor ausländischer Konkurrenz geschützt werden, durch eine Benachteiligung von internationalen Akteuren mit Handelshemmnissen wie Zöllen. "Natürlich würde das Ausmaß des Protektionismus sehr unterschiedlich ausfallen", sagt Gabriel Felbermayr vom Kiel Institut für Weltwirtschaft (IfW).
Er und sein Team haben in einer neuen Studie die Stoßrichtung der Handelspolitik von Trump und Harris anhand verschiedener Szenarien analysiert. Sie gehen davon aus, dass eine Trump-Regierung sich mehr isolieren würde und weniger an gemeinsamen, multilateralen Abkommen in der Welthandelsorganisation WTO interessiert wäre. Hier würden die Auswirkungen auf die Weltwirtschaft vermutlich sehr viel stärker ausfallen als bei einem Sieg der Demokraten.
Schutz vor ausländischer Konkurrenz, Exportzölle zwischen zehn und sechzig Prozent
In ihrer Untersuchung beziehen sich die Kieler Forschenden auf Wahlkampfaussagen von Donald Trump, der damit warb, zusätzliche Zölle erheben zu wollen. Die Rede war von zehn Prozent auf Waren aller Handelspartner ohne Freihandelsabkommen. Bei Waren, die aus China importiert werden, sollen es sogar sechzig Prozent sein.
Europa wäre von diesen Zöllen stark betroffen, denn in Sachen Import und Export von Waren und Dienstleistungen ist die Europäische Union immer noch der größte Handelsblock der Welt. Für die exportorientierte deutsche Wirtschaft wäre der Nachteil ebenfalls erheblich. Knapp ein Zehntel der deutschen Exporte ging im Jahr 2023 in die USA. Vor allem für die Pharmabranche und den Maschinenbau ist die Bedeutung des US-Marktes gestiegen.
Die EU und insbesondere Deutschland würden erheblich unter einem Zusammenbruch der WTO oder einer Aufspaltung der Weltwirtschaft in feindliche Blöcke leiden
Sollten Trumps Vorstellungen ihren Weg in die Wirtschaftspolitik des Landes finden, rechnen die Experten des IfW damit, dass der Welthandel im ersten Jahr um 2,5 Prozent und langfristig um vier Prozent zurückgehen würde. So sei davon auszugehen, dass das globale Bruttoinlandsprodukt (BIP) um etwas mehr als 0,75 Prozent und langfristig um etwa 0,6 Prozent sinkt. Das entspricht einem Verlust von 750 beziehungsweise 600 Milliarden Euro. Die Wirtschaft der EU würde um 18 bis 21 Milliarden Euro schrumpfen, die deutsche Wirtschaft um etwa vier bis sechs Milliarden. Hinzu kommen mögliche Vergeltungsmaßnahmen der Handelspartner, wodurch sich der Einbruch des Welthandels noch verstärken würde.
Importzölle betreffen auch Export
Außerdem, so will es die Wirtschaftstheorie – in diesem Fall die sogenannte Lerner-Symmetrie –, haben Importzölle auch eine direkte Auswirkung auf den Export eines Landes. Das heißt, positive Effekte durch Importzölle könnten von negativen Auswirkungen auf das Exportgeschäft zunichtegemacht werden. Im Falle der Vereinigten Staaten sei mit einem Rückgang der Ausfuhren um 38 Prozent zu rechen.
Welche Auswirkungen Handelszölle auf einzelne Länder haben, müsse der Studie zufolge allerdings grundlegend nach Sektoren und Branchen unterschieden werden. Sollten die USA umfassende Zölle erheben – auch bei Ländern mit Freihandelsabkommen – würde das ein Schrumpfen der deutschen Wirtschaft um 0,1 Prozent nach sich ziehen. Die Simulation zeigt aber, dass verschiedene Bereiche mitunter davon profitieren könnten, wie der deutsche Dienstleistungssektor (plus 0,2 Prozent) oder die hiesige Branche um Hightech-Produkte aus dem Bereich Elektronik, Computer und Optik (plus 2,5 Prozent). Für Schlüsselindustrien wie Automobil- (minus 0,4 Prozent) und Pharmaindustrie (minus -3,3 Prozent) sähe es jedoch düster aus. Trotz des deutlichen Unterschieds beim Produktionsrückgang sei an dieser Stelle angemerkt, dass die Autoindustrie, gemessen am Gesamtumsatz und der Zahl der Beschäftigten, deutlich größer als die Pharmaindustrie ist und der absolute Rückgang damit ebenfalls hoch ausfällt.
Schwächung der WTO
Ganz grundsätzlich tut sich den Forschenden zufolge bei einer Wirtschaftspolitik nach dem Geschmack von Donald Trump das eigentliche Problem auf: die weitere Schwächung der Welthandelsorganisation WTO. So verstoße die einseitige Erhöhung der Zölle gegen die grundlegenden Prinzipien der WTO, weil die für alle Handelspartner gleichermaßen gelten und damit zu Diskriminierung führen würden. Das bedeutet im Klartext, dass die individuellen wirtschaftlichen Stärken und Schwächen der einzelnen Länder völlig außer Acht gelassen werden, was einer Schwächung der multilateralen Handelsregeln der WTO gleichkommt.
Die Forschenden aus Kiel sprechen dabei von der Fragmentierung der Weltwirtschaft, also etwas, das die WTO eigentlich verhindern möchte. Ein Abbau der WTO durch die US-Politik könnte dazu führen, dass das Bruttoinlandsprodukt der EU um etwas mehr als 0,5 Prozent sinkt, in China wäre der Verlust mit 0,7 Prozent am größten. Noch größer wäre der Rückgang aber bei einem Zerfall der Welt in zwei geopolitische Blöcke – der eine unter Führung der USA und der andere unter chinesischer Führung. Für den Extremfall zeigen die Simulationen, dass das reale BIP in China kurzfristig um 5,7 Prozent und das Deutschlands um 3,3 Prozent sinken würde, in den USA wären es 2,2 Prozent. Zum Vergleich: In absoluten Zahlen liegt der Verlust bei 2.000 Milliarden US-Dollar für China, über 600 Milliarden für die USA und fast 200 Milliarden für Deutschland. Langfristig wären die Verluste etwa halb so groß, so die Forschenden.
Zerfall der WTO schlimmer als einseitige Zölle
Es lässt sich feststellen: Einseitige handelspolitische Entscheidungen würden alle treffen, die Vereinigten Staaten inbegriffen. "Die EU und insbesondere Deutschland würden erheblich unter einem Zusammenbruch der WTO oder einer Aufspaltung der Weltwirtschaft in feindliche Blöcke leiden", so das Resümee von Studien-Co-Autor Julian Hinz. Den Ergebnissen der Untersuchung zufolge, gehört aber zur Wahrheit: Die USA haben bei einem Handelskrieg weniger zu gewinnen, als die EU zu verlieren hat.
Damit läge es an Europa, eine Eskalation zu verhindern. Kinz: "Da die Auswirkungen der Fragmentierung auf das BIP der EU so viel größer sind, muss es die oberste Priorität der EU sein, die Welthandelsordnung zu verteidigen, einschließlich der Bemühungen, die Autorität und die Mechanismen der WTO zu stärken."
jes, flo
Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | 04. November 2024 | 11:51 Uhr
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