Zum Teil abgerissen ist das bei der Flut weitgehend zerstörte Gebäude eines Hotels in Mayschoß.
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Flusshochwasser Wann wird ein Hochwasser zur Katastrophe?

11. August 2021, 10:12 Uhr

Der Schock sitzt noch immer tief bei vielen Menschen nach der Hochwasser-Katastrophe in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz. Binnen kürzester Zeit hatte extremer Starkregen Flüsse und Bäche zu reißenden Strömen anschwellen lassen. Eine aktuelle Überblicksarbeit hat sich jetzt genauer mit den Ursachen und den Auswirkungen von Hochwasserkatastrophen an Flüssen beschäftigt. Wann wird die Flut also zur Katastrophe? Die Antwort ist kompliziert.

Was für uns in Europa ein Jahrhundertereignis ist, gehört in vielen Regionen Asiens zum Alltag: Der Kontinent ist weltweit am schlimmsten von Flusshochwassern und Überflutungen betroffen. "Mehr als neunzig Prozent der von Hochwasserkatastrophen betroffenen Menschen leben in Asien", sagt Bruno Merz.

Der Hydrologe vom Deutschen GeoForschungsZentrum GFZ und sein internationales Forschungsteam haben sich in einem Übersichtsartikel im Fachjournal Nature Reviews Earth and Environment intensiv mit den Ursachen, Auswirkungen und Mustern verheerender Flussüberschwemmungen befasst.

Weniger Todesopfer – mehr Sachschäden

Aber warum jetzt Asien? "Dort gibt es riesige Flussauen großer Ströme", sagt Merz. Und genau dort lebten eben sehr viele Menschen auf engem Raum zusammen. Im Mittel sind weltweit jährlich 125 Millionen Menschen von katastrophalen Überschwemmungen an einem Fluss betroffen. Am schlimmsten seien dabei Ereignisse, bei denen ganze Deiche und Dämme brechen, sowie Sturzfluten, wie sie jüngst im Westen Deutschlands und in Belgien aufgetreten sind.

Doch die Forschenden bilanzieren zunächst auch einen positiven Trend: Immer weniger Menschen sind in den vergangenen Jahren verletzt oder getötet worden. Seit den 1990er-Jahren sinke die Zahl der Todesopfer durch Flusshochwasser weltweit. Die Gründe für diesen Rückgang sieht das Forschungsteam zum einen darin, dass das Bewusstsein für die Gefahr bei den Anwohnerinnen und Anwohnern an Flüssen gestiegen sei, aber andererseits auch darin, dass Flutwarnungen und technische Schutzmaßnahmen sich erheblich verbessert haben.

Während also immer weniger Menschen in den Fluten sterben, sind im Gegensatz dazu die Schäden, die diese Hochwasser-Katastrophen verursachen, rapide angestiegen. Die wirtschaftlichen Schäden durch Hochwasser summieren sich im Jahr weltweit auf rund 100 Milliarden US-Dollar, schreibt das Forschungsteam – eine kumulierte Summe aus großen Überschwemmungskatastrophen und aus vielen kleineren, weniger dramatischen Ereignissen.

Geflecht von Faktoren sorgt für Katastrophen

Das Forschungsteam hat sich in der Arbeit auch mit den Ursachen für Hochwasserkatastrophen auseinandergesetzt. Dabei haben sie ein ganzes Geflecht von Faktoren identifiziert, die in verschiedenen Kombinationen dafür sorgen können, dass es zur Katastrophe kommt. Dazu zählen mechanische Faktoren – wenn etwa Dämme und Deiche dem Druck des Wassers nicht mehr standhalten und brechen, aber etwa auch sozio-ökonomische Gründe. Beispielsweise erhöhen Armut und großes Bevölkerungswachstum die Wahrscheinlichkeit, dass Hochwasser-Ereignisse zu Katastrophen werden. Und nicht zuletzt sind da noch natürliche Faktoren – allen voran die Klimaerwärmung.

Damit jedoch aus einem Extremwetterereignis eine Flutkatastrophe werde, so das Forschungsteam, kämen weitere Bedingungen dazu. So wie etwa ein fehlendes Bewusstsein für Gefahren oder nicht vorhandene oder versagende Schutz- und Warnsysteme. Deshalb müsse es in erster Linie darum gehen, dass die Kommunen an den Flüssen weniger verletzlich werden, erläutert Hydrologe Bruno Merz. Dass das funktioniere, zeige der Rückgang der Todesopfer in den vergangenen Jahrzehnten.

Aber wie kann "weniger Verletzlichkeit" erreicht werden? Die Forschenden schlagen unter anderem vor, den Faktor "Überraschung" zu minimieren. Hier müsse analysiert werden, was der Grund für den Überraschungseffekt war und warum man in einem Gebiet nicht mit Überflutungen gerechnet habe. Neben Warnsystemen sei es dabei auch wichtig, was in den Köpfen der Menschen passiere. Außerdem könnten dem Forschungsteam zufolge im Vorfeld Extremszenarien entwickelt werden, um besser vorbereitet zu sein: Was könnte im schlimmsten Fall passieren, wenn sich mehrere Faktoren ungünstig überlagern?

Und dann gebe es noch eine Methode zur Risikominimierung, die angewandt werden könne, wenn es schon einmal zur Katastrophe gekommen ist: die Politik des "besseren Wiederaufbaus". Generell sollte in Sachen Flutkatastrophen mehr aus der Vergangenheit gelernt werden, mahnt Hydrologe Merz an: "Historische Katastrophen bergen viele wertvolle Lehren und müssen deshalb noch mehr als bisher in aktuelle Datensätze eingehen."

(kie)

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Der Leipziger Juniorprofessor Sebastian Sippel hat einen renommierten Forschungspreis erhalten. 31 min
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