Blaumeisen, Meisenknödel, die in einem Schneebesen angeboten werden 4 min
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Im Winter kann man nichts falsch machen, oder? Karsten Peterlein, NABU Leipzig

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Wildvögel Vögel füttern – Das Für und Wider aus Sicht der Wissenschaft

03. Dezember 2024, 12:05 Uhr

Gerade, wenn die Tage kälter werden, fragen sich viele: Vögel füttern oder lieber nicht? Die Wissenschaft zeichnet ein differenziertes Bild über die Folgen.

Futterstellen für Vögel sind ein Hort der Glückseligkeit. Zumindest auf den ersten Blick. Denn während sich die gefiederten Wesen um ihr Essen balgen, greift der Mensch in die Lebensweise der Tiere ein. So sieht der Blick der Forschung auf das Thema aus. Wer von der Wissenschaft einen Freibrief nach dem Motto "Füttern Sie einfach los" erwartet, wird vermutlich enttäuscht. Aber lesen Sie trotzdem bis zum Ende.

Fütterung hilft den Starken mehr als den Schwachen

Eine Studie aus Neuseeland aus dem Jahr 2015 hat gezeigt, dass eingeführte Arten besonders von der Fütterung profitieren und sich dadurch im städtischen Raum das Verhältnis von heimischen und invasiven Wildvögeln verändert. Und diese Veränderungen blieben auch bestehen, als die Tiere nicht mehr extra Nahrung erhielten. Dazu wirkte sich die Fütterung auch auf Insektenfresser aus, die aus dem städtischen Raum verdrängt wurden.

Großer Buntspecht an einem Meisenknödel
Die Fütterung durch den Menschen greift in den Konkurrenzkampf der Vögel ein. Größere Tiere scheinen übervorteilt, ebenso wie eingeführte Arten. Bildrechte: IMAGO/imagebroker

Generell greift, wer füttert, in den Konkurrenzkampf von Wildvögeln ein. Gewinner des zusätzlichen Angebots an Essen scheinen – neben den eingeführten Arten – auch größere, schwerere Vogelarten zu sein, wie eine Untersuchung aus den USA von 2018 gezeigt hat. An den Futterstellen dominierten die Schwergewichte unter den Spatzen, die mehr Zeit dort verbrachten und sich die höherwertige Nahrung einverleibten.

Krankheiten lieben Futterstellen

Vogelhäuschen sind aber nicht nur Orte des Kampfs um die besten Sonnenblumenkerne, sie sind auch Hotspots für die Übertragung von Krankheiten. Im US-Bundesstaat Illinois haben Wissenschaftler vor einem knappen Jahrzehnt Vögel über einen Zeitraum von drei Jahren in Wäldern beobachtet, die entweder gefüttert wurden oder nicht. Die Tiere mit dem Extraangebot an Nahrung waren weniger gestresst und hatten ein schnelleres Federwachstum, bei einigen verbesserte sich sogar die Immunabwehr. Dennoch nahm die Verbreitung von Krankheiten in den Wäldern mit Futterstellen zu. Bindehautentzündungen, Hauterkrankungen und Vogelpocken breiteten sich aus.

Schwarm von Staren an einer Vogelfutterstelle
Futterstellen sind nicht nur Hotspots für Vögel, sondern auch für Krankheiten. Bildrechte: IMAGO / imagebroker

Auch in städtischen Gebieten konnten ähnliche Zusammenhänge festgestellt werden. In Neuseeland untersuchte eine Gruppe von Forschern Wildvögel auf Krankheitserreger und fand bei zugefütterten Tieren einen erhöhten Wurmbefall sowie eine stärkere Belastung durch Federläuse. Doch auch hier waren die Amseln und Sperlinge, die Futterstationen nutzen konnten, in einem besseren körperlichen Fitnesszustand.

Änderung im Verhalten gegenüber Menschen und den Jahreszeiten

Vom Menschen verabreichtes Futter verändert aber wohl nicht nur die Gesundheit der Vögel, sondern wirkt sich auch auf ihr Verhalten aus. So beobachteten Wissenschaftler in China in einer Studie aus dem Jahr 2020 Unterschiede in der Flugdistanz von Schwarzkopfmöwen zwischen urbanen und ländlichen Lebensräumen. Die Forscher sprechen gar von einer Form der Domestizierung, beobachteten, wie die Wildtiere aktiv um Futter bettelten und weniger Angst vor dem Menschen hatten.

Mönchsgrasmücke am Vogelfutter
Die Mönchsgrasmücke hat ihr Zugverhalten bedingt durch Klimawandel und Fütterung durch den Menschen schon geändert. Bildrechte: IMAGO / blickwinkel

Auch auf das Zugverhalten hat das Zusatzangebot des Menschen für Vögel einen Einfluss. Die Mönchsgrasmücke (Sylvia atricapilla) überwintert zunehmend in Großbritannien und Irland, anstatt in den Mittelmeerraum zu ziehen. Neben dem Klimawandel haben Wissenschaftler die Gabe von Essen durch den Menschen als einen weiteren Grund dafür ausgemacht. Die gefütterten Vögel zeigen eine hohe Standorttreue und bleiben oft bis kurz vor dem Frühlingsabflug an den Fressstellen. Die Überlebensrate der Tiere in den Wintermonaten nehme durch die Hilfe des Menschen zu und beeinflusse auch evolutionäre Anpassungen, wie länger werdende Schnäbel, kleinere Fettreserven und rundere Flügelspitzen. Dazu konnten Auswirkungen auf das Brutverhalten gezeigt werden.

Eine Katze beobachtet durch ein Fenster einen Vogel
Niedlich, aber eher falsch: Vogelhäuser sollten entfernt von Fressfeinden wie Katzen aufgestellt werden und auch nicht zu dicht an Fenstern stehen. Bildrechte: IMAGO/Bihlmayerfotografie

Falsches Füttern gefährdet nicht nur die Gesundheit der Wildvögel

In Amsterdam stellten Wissenschaftler in einer Studie fest, dass zwei Drittel der Befragten, die Vögel fütterten, diesen Brot gaben – ein Kardinalsfehler, der nicht nur die Gesundheit der Federtiere gefährdet, sondern auch Ratten anlockt, dadurch die öffentliche Gesundheit des Menschen gefährdet und die Wasserqualität negativ beeinflusst. In beinahe allen Forschungsberichten, die hier angesprochen wurden, unterstreichen die Autoren und Autorinnen die Relevanz der richtigen Fütterung, sowohl was die Zusammensetzung, aber auch den Ort von Vogelhäuschen und Co betrifft. Auch auf die Qualität des Bodens kann sich Vogelfutter auswirken.

Profiteur Mensch: Mehr Verständnis, mehr Freude, mehr Naturverbundenheit

Die Wissenschaft zeichnet ein differenziertes Bild des Für und Widers der Fütterung von Wildvögeln, das weiter erforscht werden müsse. Gerade der langfristige Einfluss scheint bisher nicht genau erschlossen. Vorteile wie erhöhte Überlebensraten und bessere körperliche Verfassung nach den kalten Monaten sprechen für die Hilfe des Menschen. Doch auch der Mensch selbst profitiert.

In einer vielzitierten Studie aus dem Jahr 2016 aus England befragten Forschende Haushalte zu ihrer Motivation, Vögel zu füttern. Wer den Tieren regelmäßig Nahrung gab, fühlte sich entspannter und naturverbundener und investierte mehr Zeit bei der Beobachtung der Vögel, sowie dabei, die Risiken der Fütterung zu verkleinern.

Die Autoren fassen zusammen: "Insgesamt haben wir festgestellt, dass das Gefühl der Entspannung und der Verbundenheit mit der Natur die stärksten Antriebskräfte waren. Da die Ausdehnung der Städte sowohl den Artenschutz bedroht als auch die Beziehung der Menschen zur Natur verändert, kann das Füttern von Vögeln ein wichtiges Instrument sein, um die Menschen für die Natur zu begeistern, was sowohl den Menschen als auch dem Naturschutz zugutekommt." In Zeiten der zunehmenden Urbanisierung und des grassierenden Artensterbens kann das Vogelhäuschen im Garten ein Weg zu mehr Verständnis für die gefiederten Freunde sein. Und damit auch den Schutz der Tiere befördern. Eine zweifelsfreie Empfehlung oder gar einen wissenschaftlichen Konsens für oder gegen die Fütterung gibt es bislang nicht.

Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | Der Radiogarten | 16. November 2024 | 11:32 Uhr

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