Astronomie und Astrophysik Wenn aus Gas und Staub Planeten werden: Überall ist Leben möglich
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15. September 2021, 17:11 Uhr
Alles Leben, alle Planeten und Körper im Weltall sind in einer organischen Suppe aus Molekülen entstanden. Internationale Forschungsteams haben sich dafür verschiedenen protoplanetare Scheiben aus Staub und Gas angeschaut. Trotz unterschiedlicher Teams sind sich die Forschenden einig: Die Entstehung von neuen Planeten ist abhängig vom Standort. Und die Bedingungen für Leben sind überall im Universum vorhanden.
Wie entsteht Leben? Und woher kommen wir? In der aktuellen Sonderausgabe des Astrophysical Journal Supplement sind 20 Artikel erschienen, die sich mit der frühzeitigen Entstehung von Planeten beschäftigt haben. In einer Sache waren sich mindestens zwei Forschungsteams einig: Die Entstehung von Planeten ist abhängig vom Standort und den dortigen Molekülen.
Dafür haben sich Forschende fünf verschiedene protoplanetare Scheiben in unserem Universum angeschaut. Das sind riesige Regionen, die aus Staub und Gas bestehen, die sich um junge Sterne befinden. Bis aus den Staub- und Gasteilchen tatsächliche Planeten entstehen, vergeht viel Zeit.
Entstehung unserer Planeten
Unsere Sonne zum Beispiel ist ungefähr 4,5 Milliarden Jahre alt. Laut einer Studie aus dem Jahr 2017 hat es ungefähr vier Millionen Jahre gedauert, bis die Entstehung Jupiters – des ältesten Planeten in unserem Sonnensystem – abgeschlossen war. Die Entstehung der Erde soll dagegen 100 Millionen Jahre gedauert haben.
Die Daten der aktuellen Untersuchung stammen aus dem MAPS-Programm (engl. "Molecules with ALMA at Planet-forming Scales", dtsch. "Moleküle mit ALMA in planetenbildenden Größenordnungen"), das protoplanetare Scheiben in den Jahren 2018 und 2019 kartografiert hatte. Aufgenommen wurden die Daten mit dem ALMA-Observatorium in den nordchilenischen Anden, das aus einem Netzwerk von über 60 Antennen besteht.
Grundlage für Leben ist überall im Universum vorhanden
Das Forschungsteam um John Ilee von der Universität Leeds (England) vermutet, dass sich die "grundlegenden chemischen Bedingungen, die zur Entstehung von Leben auf der Erde geführt haben, über das gesamten Universum" erstrecken. In der Umgebung von jungen Sternen soll es organische Moleküle geben, die das "Sprungbrett zwischen einfacheren kohlenstoffbasierten Molekülen und komplexeren Molekülen" seien. Letztere sind für die Entstehung von Leben erforderlich.
Diese großen, komplexen organischen Moleküle sind in verschiedenen Umgebungen im Weltraum zu finden. Sie sind die 'Rohzutaten' für den Aufbau von Molekülen, die unter den richtigen Bedingungen Zucker, Aminosäuren und sogar die Bestandteile der Ribonukleinsäure (RNA) bilden.
Das Forschungsteam konzentrierte sich bei seinen Untersuchungen auf die Häufigkeit von drei Vorläufermolekülen, die für die Entstehung von Leben essentiell seien: Cyanoacetylen (HC3N), Acetonitril (CH3CN) und Cyclopropenyliden (c-C3H2).
Viele der Umgebungen, in denen wir diese komplexen organischen Moleküle finden, sind jedoch ziemlich weit davon entfernt, wo und wann sich unserer Meinung nach Planeten bilden.
Einzigartige Planeten
Ein anderes Forschungsteam hat nach 18 Molekülen gesucht, zu denen auch Blausäure und andere Nitrile (Gruppe einer chemischen Verbindung) gehörten, die mit dem Ursprung des Lebens in Verbindung gebracht werden. Die leitende Astronomin Karin Öberg und ihr Team am Harvard-Smithsonian Center für Astrophysik fanden dabei heraus, wie einzigartig jeder entstehende und entstandene Planet sei, da auch jede protoplanetare Scheibe anders aufgebaut ist:
Viele der Chemikalien in den Scheiben sind organisch, und die Verteilung dieser organischen Stoffe variiert dramatisch innerhalb einer bestimmten Scheibe. Zwei Planeten, die sich um denselben Stern bilden, können sehr unterschiedliche organische Bestände und damit auch unterschiedliche Voraussetzungen für Leben haben.
Geschwindigkeitsschwankungen verraten neue Planeten
Jedoch schirmen dichtes Gas und Staub die Sicht auf die sich entwickelnden Planeten ab. Man kann sie nicht direkt beobachten. Richard Teague, der ebenfalls am Projekt beteiligt war, sieht die Lösung bei Geschwindigkeitsschwankungen in bestimmten Abschnitten der Scheiben:
In protoplanetaren Scheiben rotieren Gas und Staub auf natürliche Weise um einen Zentralstern. Die Geschwindigkeit des sich bewegenden Materials, die die Astronomen messen können, sollte in der gesamten Scheibe konstant bleiben.
Wenn ein Planet unter der Oberfläche lauert, würde es zu unerwartete Bewegung des spiralförmigen Gases kommen. Die Forschenden vermuten, auf diese Art einen jungen jupiterähnlichen Planeten entdeckt zu haben, der nur 500 Lichtjahre von uns entfernt sei. Um sicherzugehen, dass dort tatsächlich ein neuer Planet entsteht, sind weitere Beobachtungen notwendig – diese würde aber Tausende Jahre dauern. Teague hofft, die Entdeckungen mithilfe des künftigen James Webb-Weltraumteleskops schon früher bestätigen zu können: "Es sollte über die nötige Empfindlichkeit verfügen, um die Planeten genau zu bestimmen."