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Rohstoff-Abbau Werden die Methan-Emissionen aus dem Braunkohleabbau wirklich massiv unterschätzt?

01. Mai 2024, 15:59 Uhr

Die Methan-Emissionen aus dem deutschen Braunkohle-Tagebau werden einer aktuellen Studie zufolge massiv unterschätzt. Aber es gibt Zweifel an der Methodik der Studie.

Dunkle, rötliche Flecken sind auf einer Satellitenkarte von Deutschland über der Lausitz zu sehen. Sie sollen sogar aus dem Weltraum eine erhöhte Konzentration des Klimagases Methan über den Tagebauen in der Region zeigen.

Karte - Methanaussoß Deutschland
Dort, wo der Methanausstoß größer ist, ist die Karte dunkler eingefärbt Bildrechte: EMBER

Methan ist nach CO₂ das zweitgefährlichste Klimagas. Für einen Zeitraum von 20 Jahren ist es 80-mal klimawirksamer als CO₂. Als sogenanntes "Grubengas" ist es in Kohleschichten und -flözen eingeschlossen und kann durch Bergbau freigesetzt werden.

Methan-Emissionen bisher massiv unterschätzt?

Dabei könnte deutlich mehr von dem klimaschädlichen Gas austreten als bisher angenommen: Zu diesem Ergebnis kommt eine aktuelle Auswertung der Deutschen Umwelthilfe (DUH) und dem Thinktank Ember Climate. (Hier lesen Sie die Auswertung um Original.) Methan-Emissionen aus dem Braunkohle-Tagebau in Deutschland könnten demnach bis zu 184-mal höher sein als offiziell angegeben. Damit wäre Deutschlands Methanausstoß im Energiesektor im Jahr 2021 doppelt so hoch und der Gesamt-Methanausstoß um 14 Prozent höher gewesen als bisher angenommen. Für diese aktuelle Studie wurden Methankonzentrationen auf Satellitenaufnahmen ausgewertet und mit neueren Messwerten aus Polen hochgerechnet.

Große Unterschiede zwischen Abbau-Regionen

Über den Tagebauen Welzow-Süd und Lausitzer Seenland in Mitteldeutschland, sowie über dem Tagebau Hambach im Rheinischen Braunkohlerevier, ist die Methankonzentration laut der Satellitenauswertung besonders hoch.

Blick aus Vogelperspektive über eine Seenlandschaft
Lausitzer Seenland mit dem Bergener, Neuwieser und Blunoer See, 2019 Bildrechte: picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild | Patrick Pleul

"Die hohe Konzentration über dem Lausitzer Seenland hängt augenscheinlich mit den renaturierten Tagebauseen zusammen", meint Julian Schwartzkopff von der Deutschen Umwelthilfe (DUH). Dabei sei noch unklar, in welchem Ausmaß es sich um Methan aus den Kohleflözen und Gesteinsschichten oder aus verrottenden Pflanzen handelt.

Für die hohen Konzentrationen über Hambach könnte seine besonders große Tiefe mit rund 400 Metern verantwortlich sein. Über den Tagebauen im Mitteldeutschen Revier hingegen sind die Methan-Emissionen relativ niedriger; laut Julian Schwartzkopff unter anderem deswegen, weil die mit rund 80 Metern deutlich flacher sind.

DHU bemängelt Berechnungs-Faktoren

Grund für die massive Unterschätzung von Methan-Emissionen aus dem Braunkohleabbau ist nach DUH-Angaben, dass Deutschland seine Emissionen mit einem übergreifenden Emissionsfaktor aus dem Jahr 1989 berechne. Dieser sei nicht geeignet, um tatsächliche Emissionen zu erfassen. Der Faktor sei viel zu niedrig angesetzt und nicht unabhängig, da er vom Braunkohleunternehmen Rheinbraun AG – heute RWE – komme, kritisiert die DUH. Für eine adäquate Berechnung sei außerdem ein Einheitsfaktor nicht geeignet, denn es müssten für jedes Revier spezifische Faktoren berechnet werden. Auch andere Studien, wie beispielsweise der Internationalen Energieagentur, gehen davon aus, dass die offiziellen Zahlen zum Methanausstoß in Deutschland zu niedrig sind.

"Ich gehe nicht davon aus, dass die Methan-Emissionen aus dem Braunkohleabbau signifikant höher sind, als das, was wir bisher berechnen", meint Christian Böttcher vom Umweltbundesamt. Er kritisiert die Methodik der Studie der DUH: Ihr lägen unter anderem Modelle zugrunde, die nicht zwischen Braun- und Steinkohle mit einem deutlich höheren Methangehalt unterscheiden. Es sei allerdings richtig, dass bisher mit einem Einheitsfaktor gerechnet werde und Daten aus jedem Revier genauer seien. Darum soll es in Zukunft Messungen für jedes Revier geben. Böttcher geht allerdings eher davon aus, dass dann niedrigere Methanwerte gemessen werden.

DLR: Braunkohle-Emission machen nur Bruchteil des gesamten Methan-Emission aus

Auch Wissenschaftler haben Zweifel an den Berechnungen der DUH: "Es kann schon sein, dass die Methan-Emissionen aus dem Kohleabbau unterschätzt werden", meint Julia Marshall von Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR). "Aber sicher nicht so viel". Durch atmosphärische Messungen habe man ein relativ gutes Verständnis davon, wie viele Gesamtemissionen von Deutschland ausgingen und solche Abweichungen seien deshalb unwahrscheinlich. Außerdem machten die Emissionen aus der Braunkohle nur einen Bruchteil der deutschen Methan-Emissionen aus.

Trotzdem ist eine Reduktion der Methan-Emissionen für den Klimaschutz essenziell. Deutschland hat sich mit dem Global Methane Pledge dazu verpflichtet, bis 2030 seine Methan-Emissionen um 30 Prozent zu reduzieren. Bisher sei Deutschland nicht auf dem richtigen Weg, um dieses Ziel zu erfüllen, so Schwartzkopff von der DUH. 

Was ist mit den Mess-Methoden?

Der erste Schritt zur Reduktion der Methan-Emissionen im Kohleabbau müsste ihm zufolge sein, die aktuellen Emissionen richtig zu messen und zu verstehen. "Am besten mit mehreren Methoden", erklärt er. Man sollte die Emissionen beispielsweise mit Drohnen und Standmessgeräten erfassen. Des Weiteren könnten Methan-Emissionen durch Gasdrainage vor und während des Kohleabbaus reduziert werden. Kohleflöze werden dafür angebohrt und das Methan daraus abgesaugt. Außerdem sollte man sich auch im Sinne des geplanten Kohleausstiegs fragen, wo und wie viel Kohle wirklich noch abgebaggert werden müsse.

Dem stimmt auch Julia Marshall zu: "Der Ausstieg aus fossilen Energieträgern reduziert diese Emissionen am schnellsten." Sie ist aber auch dafür, den Blick zu weiten: Rund drei Viertel des Methanausstoßes in Deutschland kommt aus der Landwirtschaft. "Milch- und Rindfleischverzehr zu reduzieren ist ein wichtiger Hebel, um die Methan-Emissionen zu verkleinern", meint sie. Auch die DUH wünscht sich mehr Bewegung im Bereich Methanreduktion in der Landwirtschaft, da passiere bisher viel zu wenig, meint Schwartzkopff.

Methan-Schädlichkeit in Deutschland weitgehend unbekannt

Dazu kommt: Die Schädlichkeit von Methan ist in Deutschland weitgehend unbekannt. Einer Umfrage des Global Methane Hub zufolge wissen nur 30 Prozent der Menschen in Deutschland über Methan und seine klimaschädlichen Auswirkungen Bescheid. Das sind deutlich weniger als im EU-Durchschnitt (40 Prozent). Anfang April hatte das EU-Parlament die europäische Methan-Verordnung mit großer Mehrheit angenommen. Sie soll im Sommer in Kraft treten und unter anderem dazu verpflichten, Emissionen regelmäßig zu messen und Methanlecks in Leitungen zu reparieren.

Methanausstoß Deutschland
Quellen für Methan-Ausstoß in Deutschland Bildrechte: Umweltbundesamt

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | Nachrichten | 10. April 2024 | 08:31 Uhr