Gletscherlagune Joekulsarlon im Vatnajoekull-Nationalpark, Hornarfjoerdur, Island
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Klimawandel Wenn das Eis schmilzt, werden die Tage länger

25. Juli 2024, 15:57 Uhr

Weil durch den Klimawandel das Eis schmilzt, verteilt sich die Masse auf der Erde anders. Dadurch wird die Rotation gebremst, die Tage werden länger – minimal, aber messbar. Der Effekt könnte bald größer werden als durch den Einfluss des Mondes.

Die Rotation der Erde verändert sich. Weil der Mond trotz seiner geringeren Masse an der Erde zerrt, wir erleben das als Ebbe und Flut, verlangsamt sich die Eigenbewegung unseres Planeten ganz leicht. Die Erdrotation ist keine ewig feststehende Größe. Es gibt viele Faktoren, die sie verändern können. Sogar, wenn im Herbst das Laub fällt, hat das einen Einfluss. In diesem Fall beschleunigt sich die Rotation etwas, weil so viel Masse in kurzer Zeit nach unten fällt. Das ist wie bei einer Eiskunstläuferin während einer Pirouette. Zieht sie die Arme ein, wird sie schneller. Drehimpulserhaltung heißt das in der Physik.

Forscher der ETH Zürich haben jetzt einen neuen Player ins Spiel gebracht, der die Rotation dauerhaft verändert, weil er dafür sorgt, dass die Eiskunstläuferin Erde ihre Arme ausstreckt: den Klimawandel. Der lässt die Eismassen Grönlands und der Antarktis schmelzen. Wasser aus den Polarregionen fließt in die Weltmeere – und vor allem in die Äquatorregion. "Dadurch findet eine Massenverschiebung statt, die die Erdrotation beeinflusst", erklärt Benedikt Soja, Professor für Weltraumgeodäsie am Departement Bau, Umwelt und Geomatik der ETH Zürich.

Große Schwankungen im 20. Jahrhundert

Die Berechnungen der Wissenschaftler ergaben, dass die klimabedingte Zunahme der Tageslänge im Laufe des 20. Jahrhunderts erheblich geschwankt hat: zwischen 0,31 Millisekunden pro Jahrhundert (1960 bis 1980) und einer Millisekunde pro Jahrhundert (1920 bis 1940). "Diese Schwankungen spiegeln die variablen Anteile der globalen Oberflächentemperatur-Änderung, der Eisschmelze, der Änderung der terrestrischen Wasserspeicherung und des Meeresspiegelanstiegs wider, die im 20. Jahrhundert aufgetreten sind", schreiben die Autoren.

Für die ersten zwei Jahrzehnte des 21. Jahrhunderts haben die Forscher eine durchschnittliche klimabedingte Zunahme der Tageslänge um 1,33 Millisekunden pro Jahrhundert errechnet – das ist mehr als im gesamten 20. Jahrhundert und daher statistisch bedeutsam. Den Computermodellen zufolge geht die Erhöhung des Wertes im Wesentlichen auf die Eisschmelze auf Grönland und in der Antarktis zurück. Hält die Entwicklung an, wird der Klimawandel Ende des Jahrhunderts einen größeren Einfluss auf die Erdrotation haben als der Mond, so das Forscherteam.

Einfluss auf die Raumfahrt

Gleichzeitig untersuchte das Team für eine zweite Studie den Einfluss auf Prozesse im Erdinneren. Dabei fanden die Forscher heraus, dass sich die Rotationsachse der Erde verändert. Das heißt, die Schnittpunkte der Rotationsachse mit der Erdoberfläche verschieben sich. Das sind die Punkte, die wir vom Globus kennen – den Sie vielleicht noch irgendwo verstaubt rumstehen haben –, denn durch sie verläuft die Aufhängung der Kugel.

Mit einigen zehn Metern pro hundert Jahre sind sie gering. Aber das zeigt, dass wir Menschen "einen größeren Einfluss auf unseren Planeten haben, als uns bewusst ist", folgert Geodäsie-Experte Soja. Was das praktisch bedeutet, erklärt er am Beispiel der Raumfahrt. "Auch, wenn sich die Erdrotation nur langsam ändert, muss dieser Effekt bei der Navigation im All berücksichtigt werden – etwa, wenn man eine Raumsonde auf einem anderen Planeten landen lassen will", sagt Soja. Selbst eine geringe Abweichung von nur einem Zentimeter auf der Erde könne sich bei den riesigen Distanzen zu einer Abweichung von Hunderten Metern auswachsen. "Sonst wäre eine gezielte Landung in einem Krater auf dem Mars nicht möglich."

gp

Links/Studien

"Der Klimawandel beeinflusst zunehmend die Tageslängenschwankungen", erschienen in Proceedings of the National Academy of Sciences

Ein Flugzeug auf einer vereisten Landebahn 6 min
Bildrechte: MDR Wissen/ DLG

Di 15.11.2022 09:52Uhr 06:19 min

https://www.mdr.de/wissen/videos/aktuell/arktis-erwaermung-leipziger-forschung100.html

Rechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Ein Flugzeug auf einer vereisten Landebahn 6 min
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6 min

Di 15.11.2022 09:52Uhr 06:19 min

https://www.mdr.de/wissen/videos/aktuell/arktis-erwaermung-leipziger-forschung100.html

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Video

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | 15. Juli 2024 | 22:00 Uhr

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