Ein Wels frisst einen Flusskrebs.
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Fische Wer hat Angst vorm großen Wels?

03. September 2024, 11:24 Uhr

Enten, Schwanenküken, Tauben, manche befürchten sogar, kleine Hunde – immer wieder gibt es Meldungen über riesige Welse, die auch zu größerer Beute greifen. Jetzt soll ein Tier im Geiseltalsee eine ganze Ente verschlungen haben. Welse sind die größten einheimischen Süßwasserfische. Sie können bis zu drei Meter lang werden, profitieren von den heute saubereren Flüssen wie Elbe, Saale oder Havel. Wie tickt der Raubfisch – ist der Wels der Wolf des Wassers? MDR WISSEN hat nachgefragt.

Immer wieder Meldungen über Riesenwelse

Immer wieder häufen sich spektakuläre Meldungen über riesige Welse. Erst im Juni soll ein Wels in Hessen eine ganze Ente nahe einem Campingplatz verschluckt haben. In Göttingen starb 2021 ein Riesenwels mit einer amerikanischen Riesenschildkröte im Maul. Und in Ostfriesland wurden gerade nach tagelangen Regenfällen zwei 30 Jahre alte Welse mit insgesamt 200 Kilogramm tot geborgen. 2,20 Meter lange Welse in der Elbe, gefangen in der Sächsischen Schweiz oder bei Stendal? Kein Problem. Auch in der Saale wurden solche kapitalen Fische schon geangelt, wie unsere Kollegen von MDR um Zwei berichtet haben. In diesem Sommer ist der Geiseltalsee im Süden Sachsen-Anhalts Ausgangspunkt eines neuen Wels-Gerüchtes. Hier soll der Fisch eine Ente verschlungen haben. Dokumentiert ist das nicht. Aber, dass es im größten künstlichen See Deutschlands Welse gibt, steht fest. Taucher haben das dokumentiert.

Italiener fängt weltweit größten Wels

Ein Weltrekord-Fang gelang dem Italiener Alessandro Biancardi nahe Mantua. Er zog einen 2,85 Meter langen Riesenwels aus dem Fluss Po. Niemals zuvor ist ein größerer Wels gesichtet worden. Welse sind die größten Süßwasserraubfische Europas und geraten immer öfter ins Rampenlicht. Das liegt an zwei Faktoren: Welse verbreiten sich immer stärker und werden immer größer – bei günstigen Bedingungen.

Je älter die Welse, desto größer

Auffällig ist: Alle dokumentierten großen Welse sind sehr alt. "Fische wachsen potenziell ihr ganzes Leben lang", erklärt Professor Robert Arlinghaus, vom Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei in Berlin im Gespräch mit MDR WISSEN. Das Wachstum sei nicht wie beim Menschen nach oben gedeckelt. Je älter der Fisch, desto größer werde er. "Der Wels ist der schnellwüchsigste Fisch, den wir haben. In den ersten Lebensjahren gewinnt er allein an 30 bis 40 Zentimeter Länge, deswegen wird er in der Fischzucht gern verwendet." Das schnelle Wachstum folge der einfachen Logik: Je schneller man selbst wächst, desto weniger werde man selbst gefressen.

Professor Robert Arlinghaus, Leibnitz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei
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Der Wels ist der schnellwüchsigste Fisch, den wir haben.

Robert Arlinghaus Leibnitz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei

Welse können locker über 30 Jahre alt werden

Große Welse sind also immer auch sehr alte Welse. Doch warum werden Welse scheinbar älter und damit auch immer größer? Gibt es einen Boom von sehr alten Senioren-Welsen? "Wenn es warm ist und die Nahrung reichhaltig, wächst der Wels sehr schnell und überlebt sehr lang", erklärt Fischforscher Arlinghaus. "Welse können über 30 Jahre alt und damit sehr groß werden." Das hänge jedoch sehr von günstigen Bedingungen und der Nahrungsverfügbarkeit ab. "Wenn es viele Welse gibt, die um die gleiche Nahrungsmenge konkurrieren, bleiben sie kleiner."

Ein Wels (Silurus glanis), Waller, schwimmt inmitten von Unterwasserpflanzen im dunklen Wasser.
Sie jagen in der Nacht: Ein Wels (Silurus glanis), schwimmt hier inmitten von Unterwasserpflanzen im dunklen Wasser. Je mehr Nahrung da ist, desto schneller wächst der Raubfisch. Bildrechte: picture alliance / imageBROKER/Rolf von Riedmatten | imageBROKER/Rolf von Riedmatten

Wels ist Gewinner des Klimawandels

Doch welche Bedingungen sind günstig für den Wels? Welche Umgebung mag der Raubfisch? "Der Wels ist ein Gewinner des Klimawandels", erklärt Forscher Arlinghaus. "Er mag langsam fließende und sommerwarme Flüsse. Die flächendeckenden Klimawandeleffekte durch wärmeres Wasser bieten dem Wels enorme Vorteile. Er laicht früher, weniger Jungfische sterben und die Wildbestände nehmen zu. Der Wels breitet sich durch den Klimawandel auch in Deutschland weiter aus."

Der Wels breitet sich durch den Klimawandel in Deutschland weiter aus.

Robert Arlinghaus Leibnitz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei

1,50 Meter große Welse flächendeckend zu erwarten

Robert Arlinghaus forscht zur Biologie der Fische und zur Fischerei. Ursprünglich sei der Wels besonders in wärmeren Ländern wie Ungarn oder Rumänien zu Hause. Über Fischbesatz eingeführt, findet er sich heute auch in Südeuropa wie Italien und Spanien. "Die Welse in deutschen Beständen bleiben etwas kleiner", erklärt er. Durch die zunehmenden Temperaturen seien jedoch auch hier immer mehr und öfter sehr große Fische zu beobachten. Grundsätzlich könne man mindestens 1,50 Meter große Welse flächendeckend in Deutschland erwarten.

Im "FischGlasHaus", dem Forschungsbereich Aquaponik der Agrar- und Umweltwissenschaftlichen Fakultät der Universität Rostock, hält Diplom-Ingenieur Frank Riechmann einen Afrikanischen Wels
Welse müssen nicht riesig sein: Von kleineren Fischen bis knapp drei Meter langen Riesen-Exemplaren ist alles möglich. Bildrechte: picture alliance/dpa | Bernd Wüstneck

Wels-Gewässerfavorit: Warme und breite Flüsse mit geringer Fließgeschwindigkeit

Allerdings: Warmes Wasser bedeutet nicht zwangsläufig größere Exemplare. "Das hängt alles vom Gewässer ab, gibt es viele Krebse und reichlich Beutefische, kann der Wels sehr groß werden", erklärt Forscher Arlinghaus. Die ganz großen Exemplare seien jedoch nur in ausgewählten Gewässern wie der Donau oder der Elbe zu finden. "Besonders mag er den Unterlauf, hier ist es warm, breit und die Fließgeschwindigkeit langsam." Welse seien jedoch nicht nur in Fließgewässern, sondern auch in Seen und Talsperren zu finden.

Die Zagreber Angler Zdravko Madjarevic und Branko Videc haben den bisher größten Wels gefangen.
Die Zagreber Angler Zdravko Madjarevic und Branko Videc fingen im Jahr 2010 den bis dato größten Wels. Er war 30 Jahre und wog 247 Kilogramm. Bildrechte: picture-alliance / PIXSELL | Zeljko Mrsic/PIXSELL

Was macht den Wels als Raubfisch so überlegen?

Der Wels ist nur einer von vielen einheimischen Raubfischen, neben dem Hecht, dem Zander und anderen Räubern im Wasser. Was macht ihn so überlegen und so riesig? "Der Wels ist eine allesfressende Art", erklärt Forscher Arlinghaus, der seine Liebe zu Fischen schon als kleiner Junge entdeckte. "Welse fressen alles, was sie kriegen können, das hängt von ihrer Maulgröße und damit von der Körpergröße ab."

Wels (Silurus glanis) bei Nacht.
Der Wels frisst alles, was seinen Weg kreuzt. Er jagd nachts und kann außerordentlich gut riechen und hören. Bildrechte: picture alliance / imageBROKER | Rolf von Riedmatten

Ja, große Welse essen auch Enten

Laut Arlinghaus essen Welse besonders im jungen Alter Krebse, Würmer und andere wirbellose Tiere, später bevorzugt Fische. "Bei den ganz großen Welsen kann es auch passieren, dass sie Wasservögel wie beispielsweise Enten essen." Mit einem Unterdruck, sauge der Wels mit seinem großen Maul alles auf, was sich ihm auf seinem Weg bietet. "Das können auch Enten sein, oder Tauben, oder Ratten. Der Wels frisst alles, er ist überhaupt nicht wählerisch."

Frisst der Wels auch kleine Hunde?

Immer wieder kursierten Gerüchte aus Anglerkreisen, Welse hätten sich sogar den einen oder anderen Hund geschnappt, der fröhlich am Ufer herumgeschnüffelt hat. Ist das möglich? Essen Welse auch Hunde? Fischforscher Arlinghaus kann sich das nicht vorstellen. "Dafür habe ich noch keine Belege gesehen", erklärt er. Theoretisch sei das zwar möglich, "bei einem sehr großen Wels und einem sehr kleinen Hund". Praktisch kenne er jedoch nur das Beispiel der Riesenschildkröte in Göttingen. Am dortigen Kiessee zogen Angler einen 1,50 Meter großen toten Wels aus dem Wasser, in dessen Mail eine Rotwangenschildkröte steckte. Da war der Appetit größer als das Maul. Der Wels erstickte.

Greifen Welse Menschen beim Baden an?

Wie sieht es eigentlich bei Menschen aus, wenn sie vergnügt im Sommer im See baden. Müssen Sie fürchten, dass der Wels ihren Fuß einsaugt oder an ihnen herumknabbert? "Nein, kein Mensch muss fürchten, dass ihn ein Wels anknabbert", erklärt Arlinghaus. Erstens habe der Wels sehr kleine und sehr stumpfe Zähne und zweitens sei er ein nachtaktives Jagdtier. "Da gewinnt man eher im Lotto, als dass das passieren kann."

Wels jagt im nachtschwarzen Wasser

Auf Jagd geht der Wels oder Waller (beide Namen gehen wahrscheinlich – wie das Wort Wal – auf das althochdeutsche "hwalis/hwala" zurück) am liebsten nach Einbruch der Dämmerung. Seine Augen braucht der Räuber dabei kaum. Stattdessen verlässt er sich im nachtschwarzen Wasser ganz auf seine anderen Sinne. "Der Wels hat ganz miserable Augen, dafür jedoch einen guten Lokalisationssinn", erläutert Arlinghaus. "Er kann sehr gut hören und schmecken. Auf seinen Barteln sind viele Geschmacksknospen."

Ein Mann steht im Wasser und hält einen großen Fisch in den Armen.
Ja, Welse können größer als Menschen werden. Hier hält ein Angler im Wasser einen großen Wels in der Hand. Bildrechte: IMAGO / Eastnews

Der Wels ist ein Kannibale

Dem Fischforscher zufolge ist der Wels extrem variabel. "Er frisst auch tote Tiere und Artgenossen", erklärt Arlinghaus. "Kannibalismus gehört dazu, er findet schon im Nest statt. So regulieren sich Welse untereinander." Der Wels könne sich sogar senkrecht auf den Kopf stellen und den Boden mit seinem Riesenmaul absaugen. Deswegen lasse sich der Raubfisch auch einfach mit Fischpellets anlocken.

Der Wels ist einer der wichtigsten Raubfische unter Wasser. Aber er ist viel flexibler als der Hecht oder der Zander. Er frisst einfach alles, was ihm vor die Schnute kommt.

Professor Robert Arlinghaus Leibnitz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei

Ist der Wels der Wolf des Wassers?

Der Wels ist also ein Unterwasserräuber, der gern alles frisst, was ihm in den Weg kommt. Ist er der Wolf des Wassers? "Der Wolf des Wassers – das lässt sich für alle Raubfische sagen", erklärt Arlinghaus. Der Hecht habe diese Bezeichnung sogar in seinem lateinischen Namen "Esox lucius". Forscher Arlinghaus allerdings mag diese Zuschreibung nicht besonders. "Der Wolf des Wassers, das hat so eine negative Konnotation, sowohl für den Wels als auch für den Wolf", gibt der Wissenschaftler zu bedenken. "Der Wels ist einer der wichtigsten Raubfische unter Wasser. Aber ist viel flexibler als der Hecht oder der Zander. Zander und Hecht fressen vorwiegend Fisch, dem Wels ist das schnuppe, er frisst einfach alles, was ihm vor die Schnute kommt."

Große Fische intakte Natur?

Große Tiere in freier Natur zeugen von intakten Ökosystemen. Ist das wirklich so? Wie wirkt sich die klimabedingt zunehmende Verbreitung der Welse auf die Ökosysteme in Deutschland aus? "Grundsätzlich ist das Vorkommen von Welsen ein Beleg für eine intakte Umwelt. Es zeugt von einem natürlichen Ökosystem mit kleinen und großen Tieren", erläutert Fischökologe Arlinghaus. Allerdings sei der Wels ökologisch nicht besonders anspruchsvoll und deswegen sein Vorkommen kein Beweis für eine im ökologischen Sinne besonders intakte Umwelt.

Der Wels als Nutznießer vergangener Umweltsünden

Der Sozio-Ökologe Arlinghaus verweist auf einen Zusammenhang, der zunehmend in Fachkreisen diskutiert wird. "Der Wels ist ein Nutznießer vergangener Umweltsünden. Er breitet sich aufgrund des menschgemachten Umweltwandels aus", sagt Arlinghaus. Hinzu kommt: etwa alle zwei Kilometer kreuzten diverse Wasserbauwerke wie Wehre, Schleusen aber auch Fischtreppen die Fließgewässer. Das schaffe enorme Vorteile für den Wels. "Er braucht dort nur zu warten, bis Lachse und Forellen und andere Wanderfischarten an den Engstellen seinen Weg kreuzen." Teilweise gebe es hier hohe Fraßverluste. "Aktuell werden Forelle, Aale und Lachse mit viel Aufwand wieder angesiedelt, um vergangene Umweltzerstörungen zu kompensieren. Hier kann der Wels für große Verluste sorgen, die Artenschutzmaßnahmen vereiteln. Das kann man ihm jedoch nicht vorwerfen."

Links/Studien

Professor Robert Arlinghaus
Integrative Institute on Transformations of Human-Environment Systems (IRI THESys)
Editor Fish and Fisheries and Zeitschrift für Fischerei
Key projects: marEEchange; StörBagger; ZebraCognition

tomi

Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | MDR um Zwei | 25. August 2023 | 14:05 Uhr

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