Biodiversitätsforschung F.R.A.N.Z.-Projekt: Schutz der Artenvielfalt wird Alltag auf dem Acker
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30. Dezember 2024, 10:39 Uhr
Im Forschungsprojekt F.R.A.N.Z. sind jahrelang Maßnahmen zum Schutz der Artenvielfalt in der konventionellen Landwirtschaft erprobt worden – und zwar so erfolgreich, dass Erbsenfenster und Feldvogelstreifen mittlerweile auch auf vielen anderen Feldern in Sachsen-Anhalt zum Alltag geworden sind. Was sich im wissenschaftlichen Langzeitprojekt als sinnvoll und machbar gezeigt hat, wird von anderen Betrieben tatsächlich übernommen – und das noch vor dem offiziellen Projektende.
Das F.R.A.N.Z.-Projekt ist zu einer Art Marke geworden unter den Landwirtinnen und Landwirten in Sachsen-Anhalt, sagt Jens Birger von der Stiftung Kulturlandschaft Sachsen-Anhalt. Die gemeinsam von den Bauernverbänden im Land gegründete Stiftung zum Natur- und Landschaftsschutz in der bäuerlich geprägten Kulturlandschaft betreut das langjährige Forschungsprojekt. Für die Maßnahmen, die sich dabei als praktikabel und sinnvoll erwiesen haben, seien die konventionellen Agrar-Betriebe offen, bilanziert er.
Schon vor Projektende eine Erfolgsgeschichte
Seit 2016 erproben Forschende und Landwirte im F.R.A.N.Z.-Projekt gemeinsam, was Agrarbetriebe in ihrem Arbeitsalltag auf einfache, unkomplizierte und möglichst kostengünstige Weise tun können, um die Artenvielfalt von Pflanzen und Tieren in einer von Feldern geprägten Landschaft zu erhalten. Im kommenden Jahr geht das Forschungsprojekt in sein letztes Erprobungsjahr, bevor es dann 2026 abgeschlossen werden soll. Ob das so klappt, sei noch nicht ganz klar, erklärt Birger, denn für das zehnte Jahr sei die Finanzierung noch nicht sicher.
Das F.R.A.N.Z.-Projekt F.R.A.N.Z. steht für "Für Ressourcen, Agrarwirtschaft und Naturschutz mit Zukunft". Die Umweltstiftung Michael Otto und der Deutsche Bauernverband koordinieren das Projekt gemeinsam, finanziert wird es von Bundesbehörden und Sponsoren. Insgesamt zehn sehr unterschiedliche Landwirtschaftsbetriebe nehmen deutschlandweit teil, die jeweils typisch für ihre Heimatregionen sind. Manche kombinieren Ackerbau mit Viehzucht, andere mit Ökostromerzeugung. Erprobt werden soll bei F.R.A.N.Z. welche Maßnahmen für welchen Betrieb gut funktionieren, welche Kosten dabei entstehen und welche Probleme in der Praxis oder bei der Verwaltung aufkommen.
Aber ob es jetzt die vollen zehn oder nur neun Jahre werden: Das F.R.A.N.Z.-Projekt ist für Birger schon jetzt ein voller Erfolg. "Wir konnten die Maßnahmen schon sehr gut übertragen", sagt er. Denn dass sie über Jahre intensiv begutachtet wurden und es auch eine intensive wissenschaftliche Begleitforschung gibt, sei ein wichtiges Argument. Mittlerweile fänden einige der Maßnahmen auch in mehreren Kooperativen für Naturschutz in der Landwirtschaft Anwendung. In Sachsen-Anhalt gibt es solche Naturschutzkooperativen laut Stiftung in fünf Regionen – in Mansfeld-Südharz, dem Nordharz, auf der Querfurter Platte, im Köthener Ackerland und in der Magdeburger Börde. Außerdem würden die Maßnahmen aus dem F.R.A.N.Z.-Projekt auch viel im Rahmen von Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen eingesetzt, so Birger.
"Wir konnten die Maßnahmen bei den Landwirten angesichts der Umsetzungsbreite gut etablieren. Die Betriebe sind gut darauf eingegangen." Zwar mache natürlich nicht jeder Betrieb immer mit, so Birger, aber es gebe schon so viele Partnerbetriebe, die eine so große Zahl von Maßnahmen umsetzten, dass es für die Stiftung ein Erfolgsmodell sei. "Wir sind froh, dass wir uns damals dafür entschieden haben, einen F.R.A.N.Z.-Betrieb zu betreuen." Dass die erprobten Maßnahmen nun eine weite Anwendung finden, mache ihn stolz, bilanziert Birger. "Gerade die Umsetzung in der Breite ist eigentlich für uns der größere Erfolg."
Maßnahmen zum Vogelschutz besonders erfolgreich
Der Projektbetrieb in Sachsen-Anhalt ist die Landwirtschaftliche Betriebsgemeinschaft Groß Germersleben, ein Großbetrieb mit 1.700 Hektar Fläche und mit nur wenig Grünland in der Magdeburger Börde. Hier werde konventionell im großen Stil eine Fruchtfolge angebaut, so Birger, wie sie ganz typische sei für Sachsen-Anhalt: Zuckerrüben, Kartoffeln, Mais, Getreide. Um nun herauszufinden, welche Maßnahmen zum Artenschutz in diesem Umfeld funktionieren, wurde einiges ausprobiert. Jede davon sei immer mit drei Wiederholungen auf mindestens drei Betrieben im Projekt erprobt worden. "Manche Maßnahmen werden mal stärker in Anspruch genommen und manche weniger von den Betrieben, aber wir versuchen eigentlich schon, dass das immer in mehreren Wiederholungen auf jedem Betrieb stattfindet", erläutert Jens Birger.
Konkret bedeute das, dass im Projektbetrieb im Jahr 2024 auf insgesamt 90 Hektar Fläche Verschiedenes angelegt wurde: Blühstreifen, blühendes Vorgewende (Randstreifen des Ackers) oder auch ein Insektenwall für die Insekten zum Beispiel. Dieser Streifen aus Blüten in einem Dinkelfeld ist erst 2023 dazugekommen. Zum Schutz der Feldvögel waren es unter anderem Feldvogelstreifen und sogenannte Erbsenfenster – also kleine, nicht geerntete Erbsenflächen innerhalb eines Getreidefelds, die als Brutplätze dienen. Insbesondere die Feldvogelstreifen, lichte Getreidestreifen für die Feldlerchen, hätten sich als besonders sinnvoll erwiesen, so Birger. Sie funktionierten sehr gut und würden gern von vielen Brutpaaren genutzt – und auch von vielen anderen Landwirten. Habe es im Rahmen des F.R.A.N.Z.-Projekts nur bis zu sechs Hektar davon gegeben, kämen sie im ganzen Land mittlerweile auf 135 Hektar Fläche zum Einsatz. Bei den Erbsenfenstern seien es dieses Jahr mehr als 180 Stück in den Kooperativen gewesen.
Insbesondere für den Betrieb in der Magdeburger Börde seien die Feldvögel ein wichtiges Thema gewesen, so Birger. "Die spielen schon eine sehr wichtige Rolle in der ausgeräumten Agrarlandschaft", erklärt er. Und einige der Maßnahmen hätten hier eben besonders gut gegriffen: "Das sind die Erbsenfenster und die Blühstreifen. Das sind schon Maßnahmen, die sich herauskristallisiert haben und deren Wirkung die Begleitforschung auch zeigen kann."
Lange Projektlaufzeit für passende Maßnahmen
Jens Birger von der Stiftung Kulturlandschaft Sachsen-Anhalt betont, dass vor allem die lange Laufzeit das F.R.A.N.Z.-Projekt zum Erfolg gemacht habe. Hätte man nur über drei Jahre einzelne Maßnahmen getestet, wäre deren Nutzen nicht so gut belegbar gewesen, glaubt er. "Um bestimmte wissenschaftliche Effekte abzuleiten, muss man solche Maßnahmen über einen bestimmten Zeitraum durchführen. Dadurch werden die Informationen über die ökologische Wirkung dieser Maßnahmen umso sicherer." Außerdem hätten sich die einzelnen Maßnahmen im Laufe der Zeit auch verbessert, da die Betriebe nach dem ersten Versuch bei Schwierigkeiten oder in der alltäglichen Routine noch Anpassungen vornehmen konnten. "Deswegen ist dieser lange Zeitraum schon wichtig", bilanziert Birger.
Der entscheidende Punkt ist, einander zuzuhören und dann findet man auch einen Kompromiss. Dann gibt es eigentlich keinen Betrieb, der sagt: Das mache ich gar nicht.
Der Geschäftsführer der Stiftung Kulturlandschaft Sachsen-Anhalt betont, dass der Landwirtschaft schon bewusst sei, dass sie zur Erhaltung der Biodiversität in der Agrarlandschaft beitragen müsse. "Ich glaube, das ist den Betrieben klar und man sucht natürlich für seinen Betrieb nach den optimalen Maßnahmen. Denn nicht jede Maßnahme passt auf jeden Betrieb." Deshalb sei für den Erfolg des F.R.A.N.Z.-Projekts vor allem die Kommunikation wichtig. Man müsse den Betrieben zuhören, sagt Birger. "Wo sind die Hindernisse? Warum legt man etwas nicht an?"
Im Projekt sei dieser Austausch zwischen Landwirtschaft, Forschung und Naturschutz gut gelungen. "Wir hören einander alle zu." So verstünden die Forschenden die Nöte der Betriebe und die wiederum, aus welchen Gründen bei der Umsetzung bestimmte Varianten notwendig seien. Dann würden die Maßnahmen auch von den Landwirtinnen und Landwirten akzeptiert, so Birger "Wenn sie sehen, mit einer Maßnahme kriegen sie so und so viele Brutpaare Feldlerche etabliert auf den Flächen, dann sind sie auch bereit zu sagen: Okay, dann setze ich das so um, aber bitte schaut auch, dass die Maßnahme bei mir reinpasst."
Links/Studien
Alle Informationen zum F.R.A.N.Z.-Projekt - den Stand der Forschung, die erprobten Maßnahmen und alle Zwischenergebnisse - finden Sie hier auf der Projektwebsite.
Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | 29. Dezember 2024 | 16:34 Uhr
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