Projekt "MoveOn" Verkehrsdatenprojekt aus Dresden bei Deutschem Mobilitätspreis ausgezeichnet
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26. Oktober 2024, 10:00 Uhr
Die Radinfrastruktur in Kommunen auf Grundlage echter Verkehrsdaten zu verbessern, ist Ziel von "MoveOn", einem Projekt der TU Dresden und zweier Partner. Schon jetzt fließen dort GPS-Daten von Hunderttausenden Nutzern der App "Stadtradeln" ein und werden in Münster schon parktisch eingesetzt: Als digitalern Grüne-Welle-Assistent für Radfahrer. Dafür wurden die Dresdner nun mit dem Publikumspreis des Deutschen Mobilitätspreises ausgezeichnet.
Wo geht es besonders flüssig voran, wo staut sich der Radverkehr, welche Routen werden bevorzugt und welche gemieden? All das sind wichtige Fragen für Verkehrsplaner einer Stadt oder Gemeinde, wenn ihnen daran liegt, die Infrastruktur für die radfahrende Bevölkerung zu verbessern und die Wirksamkeit von schon erfolgten Maßnahmen zu beurteilen. Mittlerweile können Kommunen auf repräsentative Daten dieser Art zugreifen. Grund dafür ist das Projekt "MoveOn", das die TU Dresden gemeinsam mit der aus der TU ausgegründeten Firma "flow.d" und dem "Klima-Bündnis" ins Leben gerufen hat.
Verkehrsingenieur Sven Lißner, Leiter der Forschungsgruppe "Radverkehr / Bike Lab" an der Professur für Verkehrsökologie der TU, kam schon vor mehreren Jahren auf die Idee, Kommunen echte Radfahr-Daten an die Hand zu geben. Damals erfuhr er, dass die bei ambitionierten Radfahrern beliebte Plattform Strava die GPS-Daten ihrer Nutzerschaft an Kommunen im englischsprachigen Raum verkauft, welche dann auf Grundlage dieser Daten Verkehrsplanung betreiben. Aber das könne nicht der richtige Weg sein, meinte der Dresdner Wissenschaftler, der selbst passionierter Radfahrer ist, denn die eher "verrückten" Strava-Nutzer, wie Lißner es formuliert, seien im Durchschnitt auf deutlich längeren Strecken und deutlich schneller mit dem Rad unterwegs als "normale" Radfahrer. Und es seien zu 80 Prozent Männer – also seien die Daten nicht sonderlich repräsentativ und nützlich für eine kommunale Planung.
Zusammenarbeit mit "Stadtradeln"
Deshalb setzten sich die Dresdner Wissenschaftler um Sven Lißner mit dem Klima-Bündnis e.V. in Verbindung, dem Betreiber der Initiative "Stadtradeln", bei der jedes Jahr drei Wochen lang Radfahrerinnen und Radfahrer ihre im Alltag gefahrenen Kilometer für ihre Stadt "sammeln", indem eine Handy-App die Routen aufzeichnet. Man stellte fest, dass die Nutzerschaft dieser App deutlich repräsentativer ist, weil eben nicht nur die sportlich Ambitionierten teilnehmen. Und so mündete die Zusammenarbeit von TU Dresden und Klima-Bündnis in den Projekten "Movebis" (lateinisch "du wirst dich bewegen") und "MoveOn" (englisch "beweg dich weiter"), in denen fleißig Daten gesammelt und nun auch visualisiert wurden.
Federführend bei der Visualisierung ist die aus der TU Dresden ausgegründete Firma flow.d, auf deren Portal "RiDE" ("Radverkehr in Deutschland") sich Kommunen anmelden und Daten und Visualisierungen nutzen können. Dabei sind Heatmaps genauso möglich wie Karten von Durchschnittsgeschwindigkeiten oder dem Rad-Verkehrsaufkommen, Statistiken zu Wartezeiten und noch einiges mehr. Etwa 700 registrierte kommunale Nutzer gebe es bereits, sagt Sven Lißner im Gespräch mit MDR WISSEN. Aber was die dann konkret mit den Daten machen und inwiefern die Verkehrsplanung vor Ort tatsächlich davon profitiert, wird den Bereitstellern der Daten natürlich nur selten zurückgemeldet.
Konkrete Datennutzung bei Carolabrücke und Leezenflow
Zwei konkrete Fälle kennt Sven Lißner aber doch. Der eine hängt mit dem Einsturz der Carolabrücke in Dresden zusammen. Dieser geschah am 11. September, zufällig vier Tage nach Beginn der diesjährigen drei Wochen "Stadtradeln" in Dresden. Und so konnten die Verkehrsplaner schon schnell nach dem Einsturz anhand der Daten sehen, wie der Wegfall von Dresdens zentraler Brücke den Radverkehr verändert. Die beiden Nachbarbrücken (Augustus- und Albertbrücke) werden nun entsprechend häufiger zum Radfahren genutzt, was im Bereich der Brückenköpfe und Einzugsgebiete natürlich ebenfalls zu höherem Verkehrsaufkommen führt, auf das die Stadt nun gezielt und auf echter Datengrundlage reagieren kann.
Der andere konkrete Fall, von dem Sven Lißner erzählt, spielt in Deutschlands inoffizieller "Fahrradhauptstadt" Münster. Dort gibt es den sogenannten Leezenflow, einen digitalen Grüne-Welle-Assistenten auf der Promenade, der Fahrradfahrern anzeigt, wie stark sie in die Pedale treten müssen, um bei der nächsten Ampel das Grün noch zu erwischen – oder ob sie gemütlich ausrollen lassen können, weil sie sowieso keine Chance auf die grüne Ampel mehr haben. Grundlage für die Berechnungen dieses Assistenten sind die Durchschnittsgeschwindigkeiten im jeweiligen Abschnitt. Und diese bekamen die Leezenflow-Planer aus dem Datensatz von "MoveOn" beziehungsweise "RiDE".
Nachfolgeprojekt geplant
"MoveOn" wird nur noch bis Jahresende 2024 im Rahmen des nationalen Radverkehrsplans vom Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV) gefördert, dann ist die dreijährige Laufzeit vorbei. Das Portal "RiDE" wird es davon unabhängig aber natürlich weiterhin geben. Und für die Zeit nach "MoveOn" haben Sven Lißner und sein Team schon neue Ideen. Gern würden sie in die Daten zum Beispiel auch die Verbindung zwischen Fahrrad und öffentlichen Verkehrsmitteln mit hineinnehmen. Ob es wieder eine Förderung für die Dresdner gibt, wird erst noch entschieden. Aber nach dem Gewinn des Publikumspreises beim Deutschen Mobilitätspreis dürften die Chancen zumindest nicht ganz schlecht stehen.
Links / Studien
- Portal "RiDE" ("Radverkehr in Deutschland") – wissenschaftlich evaluierte Daten für die kommunale Verkehrsplanung
- Projektseite von "MoveOn" bei der TU Dresden
- Projektseite von "Stadtradeln" (Aktion für 2024 schon abgeschlossen)
Dieses Thema im Programm: Das Erste | Brisant | 22. Oktober 2024 | 17:18 Uhr
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