Klima Attributionsforschung: Die Auswirkungen des Klimawandels genau berechnen
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08. November 2024, 13:09 Uhr
Zahlreiche Hochwasser, zwei verheerende Wirbelstürme, mehrere tödliche Hitzewellen: Das Wetter war 2024 in vielerlei Hinsicht extrem. Physikerin Friederike Otto kann genau berechnen, wie viel Klimawandel darin steckt.
2024 ist ein Jahr mit vielen schlechten Nachrichten. Einer der Gründe: viele extreme Wetterereignisse. Im April führt Starkregen zu Hochwasser in Pakistan und Afghanistan. Hunderte Menschen sterben. Einen Monat später: neue Hitzerekorde in Indien. 52,9 Grad Celsius werden in einem Vorort von Delhi gemessen. Sogar junge Menschen werden jetzt mit Hitzschlag in Kliniken gebracht.
Extremwetter: Ohne Klimawandel wäre Hitze weniger tödlich
Ungefähr zur gleichen Zeit treten in Bayern und Baden-Württemberg Flüsse nach Starkregen über ihre Ufer. Das Gleiche passiert Wochen später noch einmal in Polen und Tschechien. Die Philippinen und Vietnam werden von Yagi getroffen, einem Wirbelsturm der höchsten Stufe. Über 800 Menschen sterben. In den USA fordert Hurrikan Helene 600 Todesopfer. Vorläufiger Schlusspunkt: Das Hochwasser in Südspanien mit mindestens 200 Toten.
Chronik der Extremwetterereignisse 2024
- 14. bis 16. April Starkregenfälle führen zu Hochwasser in Teilen von Afghanistan und Pakistan. Mindestens 100 Menschen sterben.
- 27. April, 17. Mai: Zwei stark aufgeladene Regengebiete lassen zahlreiche Gewässer in der brasilianischen Provinz Rio Grande do Sul über die Ufer treten. Die Millionenstadt Porto Allegre wird teilweise überschwemmt, mindestens 154 Menschen werden getötet.
- 28. Mai: In einem Vorort von Indiens Hauptstadt Delhi werden 52,9 Grad Celsius gemessen. Es könnte sich aber um einen Messfehler handeln. In der Stadt selbst wurden am Tag zuvor "nur" 49,9 Grad Celsius gemessen, auch das ein Rekordwert. Beobachter gehen von mindestens 110 direkten Todesfällen durch die Hitze aus.
- 31. Mai bis 3. Juni: Eine sogenannte Vb (gesprochen Fünf B) Wetterlage führt Starkregen nach Bayern und Baden-Württemberg. Mindestens fünf Menschen sterben, der Freistaat Bayern will über 100 Millionen Euro Fluthilfe zahlen.
- 28. Juni bis 8. Juli: Der Hurrikan Beryl verwüstet als Wirbelsturm der höchsten Stufe 5 Teile der Karibik, Mexikos und der USA. Er hat solch eine Wucht, dass er die Staaten durchquert und zum Tiefdruckgebiet abgeschwächt sogar Kanada erreicht. Mindestens 19 Menschen sterben, die Schäden werden allein in den USA auf bis zu 32 Milliarden US-Dollar geschätzt.
- 1. bis 14. September: Der Taifun (die in Asien gängige Bezeichnung eines Hurrikans) Yagi zieht über die Philippinen, Südchina, Vietnam und Kambodscha hinweg. In seinem Verlauf wird er als Sturm der höchsten Klasse 5 eingestuft. Mindestens 500 Menschen sterben, die Schäden belaufen sich auf mindestens 13 Milliarden US-Dollar.
- 11. bis 17. September: Erneut führt eine Vb Wetterlage zu Hochwasser in Europa, diesmal vor allem in Tschechien und Polen. Dort sterben mindestens 22 Menschen. Die Elbe in Dresden erreicht zwar Hochwasserstufe 4, doch die Stadt mit der soeben eingestürzten Carolabrücke hat Glück: Sie bleibt diesmal von Überflutungen verschont.
- 23. bis 27. September: Hurrikan Helene zieht weit in das Landesinnere hinter der amerikanischen Ostküste und führt vor allem in den Appalachen zu zahlreichen Erdrutschen. Die Behörden zählen bislang 247 Todesopfer, was Helene zum tödlichsten Hurrikan seit Katrina macht.
- 25. Oktober: Der Tropensturm Trami, der nicht die volle Stärke eines Taifuns erreicht, tötet dennoch mindestens 60 Menschen auf den Philippinen.
- 29. Oktober: Starkregen führt zu Blitzhochwasser in Südspanien. Die Provinzhauptstadt Valencia wird schwer beschädigt, mindestens 200 Menschen sterben.
"Natürlich hat es auch ohne den Klimawandel schon Extremwetterereignisse wie Wirbelstürme, Überschwemmungen und Hitzewellen gegeben. Aber mit dem Klimawandel sind all diese Ereignisse häufiger und intensiver geworden", sagt Friederike Otto. Sie ist Physikerin, forscht am Imperial College in London und hat die sogenannte Klima-Attributionsforschung mitbegründet. "Ohne Klimawandel hätte 2024 weniger Hitzewellen gehabt, vor allem nicht solche extremen Temperaturen, wie wir sie jetzt in Indien gesehen haben, oder in Südeuropa, in Teilen Mexikos oder den USA."
Zuordnung zum Klimawandel: Lässt sich dank Naturgesetzen genau berechnen
Friederike Otto ist sich in diesem Punkt sehr sicher: In ihrer Forschung kann sie recht genau berechnen, wie sich der Klimawandel auf die Wetterextreme ausgewirkt hat. Sie kann zwar nicht nachschauen bei einer zweiten Erde, bei der die CO2-Werte noch auf dem vorindustriellen Niveau sind. Aber das ist auch nicht notwendig. "In den Klimawissenschaften hat man die Grundlagenphysik. Durch sie kennen wir die Eigenschaften von Treibhausgasen und wissen, wie sie sich verhalten. Das haben wir mit Beobachtungsdaten nachgemessen und gesehen: Treibhausgase verhalten sich exakt so, wie es die Physik voraussagt."
Dadurch lässt sich eine Erde berechnen, auf der es keinen Klimawandel gibt. "Wir haben auch eine Kontrollgruppe in dem Sinne, dass es Beobachtungsdaten gibt, die 100 Jahre alt sind. Damals war der Klimawandel deutlich geringer. Auch so können wir prüfen, ob unsere Modelle recht haben".
Das nächste Hochwasser kommt bald
Man kann das gut illustrieren am Beispiel der Elbe in Dresden: Beim Hochwasser 2002 sprach man noch von der Jahrhundertflut, weil ein solches Extremereignis im Schnitt nur einmal in 100 Jahren vorkam. Doch spätestens seit 2013 ist klar: Das passiert jetzt öfter. 2024, vor wenigen Wochen, ging das Hochwasser für Dresden noch einmal glimpflich aus. Doch die nächste gefährliche Situation kommt bald – der Klimawandel macht das wahrscheinlicher.
Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | 07. November 2024 | 14:45 Uhr
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