Energiewende Batteriespeicher-Revolution: Hunderte Gigawatt Speicherleistung kommen
Hauptinhalt
15. April 2025, 14:54 Uhr
Stromerzeugung aus Wind- und Sonne schwanken – Batteriespeicher können das bald ausgleichen. Hunderte Projekte haben Anschlüsse ans Stromnetz beantragt. Bis 2029 sollen über 200 Gigawattstunden gespeichert werden können.
Seit Herbst reißen die Meldungen nicht mehr ab: Ein Batterie-Tsunami rolle heran, verkündete der Energiewende-Enthusiast Christian Stöcker Mitte November im Spiegel. Im Februar berichtete die Tagesschau vom "Boom" der Batteriegroßspeicher und kurz darauf erklärte Utopia.de, warum die Lösung für Dunkelflauten rasend schnell im Aufbau sei.
Das Vorweg: Das Dunkelflautenproblem werden Großbatterien wahrscheinlich nicht lösen. Warum, dazu weiter unten mehr. Zuerst ist wichtig, dass Großakkus einer für die Stabilität der Stromnetze viel drängenderen Schwierigkeit entgegenwirken: den extremen Angebots- und damit Strompreisschwankungen an langen sonnigen Tagen. Denn dann steht um die Mittagszeit dank boomender Photovoltaik Strom im Überfluss zur Verfügung. Doch schon am Abend springen derzeit konventionelle Kraftwerke wieder an.
Dank rasend schnell fallender Preise für Lithium-Ionen-Batterien lohnt sich seit Kurzem der Bau von Batterien, die mitunter über 100 Megawatt Leistung bringen und bis zu 275 Megawattstunden Strom speichern könnten – genug, um eine Million Haushalte eine Stunde mit Strom zu versorgen, wie das Portal ingenieur.de vorrechnet.
Geplante Speicher: 226 Gigawatt Leistung
Landauf, landab kalkulieren Investoren neue Projekte durch und stellen Anfragen für den Anschluss von Batterien an das Stromnetz. Bei den Netzbetreibern lagen laut dem Photovoltaik-Magazin im Januar über 650 Anfragen für Großspeicher vor, die, würden sie alle gebaut, auf eine Gesamtleistung von 226 Gigawatt kämen.
Gigawatt oder Gigawattstunden?
Uns erreichen zu diesem Beitrag eine Reihe von Zuschriften, die eine Änderung der Einheit in Gigawattstunden GWh anregen. Hier ist aber bewusst die Rede von Gigawatt. Denn es geht um die Anschlussleistung, also das Maximum an Energie, das zu einem bestimmten Zeitpunkt durch eine Stromleitung übertragen werden kann.
Warum wird dieses Maß gewählt? Weil wir hier über die Größe des Anschlusses an das Stromnetz sprechen. Denn für solche Anschlüsse stellen die Projektierer der Batterieprojekte aktuell Anfragen an die Netzbetreiber. Auf die Menge des dann einmal zu speichernden Stroms (hier wäre GWh die korrekte Einheit) kann höchstens indirekt geschlossen werden. Erst wenn die Speicher genehmigt und tatsächlich im Bau sind, melden die Betreiber auch die Speichermenge beim Marktstammdatenregister an. Diese Angaben sind über die Seite Battery Charts einsehbar und finden sich in den Grafiken in diesem Beitrag wieder.
In Sachsen etwa plant das Schweizer Start-up Terralayr zwei Speicher in Döbeln und in Lohsa. In Sachsen-Anhalt baut Kyon Energy eine Batterie in Tangermünde. Marktbeobachter sagen: Fast alle Investoren sind Profis, kennen das Geschäft und wissen, wie sie Projekte realistisch planen müssen. Trotzdem ist die Situation für die Netzbetreiber, die Stromleitungen, Umspannstationen und Transformatoren unterhalten, nicht einfach. "Das ist wahnsinnig viel, wenn man bedenkt, dass wir vor wenigen Jahren noch Anschlussanfragen im einstelligen Gigawattbereich hatten", sagt Dirk Biermann. Er ist Geschäftsführer für den technischen Betrieb bei 50hertz, einem der vier großen Betreiber von Übertragungsnetzen in Deutschland, also der höchsten Spannungsebene im Stromnetz.
Allein bei 50hertz lagen Anfang April Anschlussanfragen für Batteriespeicher mit einer Gesamtleistung von 90 Gigawatt vor. Zum Vergleich: Die drei zuletzt abgeschalteten Atomkraftwerke kamen zusammen auf eine Leistung von etwa 4,5 Gigawatt.
Antragsflut: Nicht alle Speicher werden gebaut
Ziemlich sicher ist aber auch: Nicht alle diese Speicher sollen tatsächlich gebaut werden. "Wir beobachten derzeit, dass sich etwa 50 Prozent der Projekte über die Antragsphase hinaus weiter in Richtung Realisierung bewegen", sagt Daniela Geppert, Sprecherin der Avacon Netz-Gesellschaft. Avacon betreibt das sogenannte Verteilnetz im Norden von Sachsen-Anhalt und in Niedersachsen, und auch hier stapeln sich gerade Anschlussanträge für Speicherprojekte.
Grund für diese Flut sind vor allem zwei Faktoren. Aktuell müssen die Netzbetreiber die Anträge nach der Reihenfolge ihres Eingangs abarbeiten, sprich: Es gilt das Prinzip "First Come – first served". Hinzu kommt, dass diejenigen am besten verdienen, deren Speicher als Erste ans Netz gehen. Mit jeder weiteren Batterie werden Überangebots- und Mangelphasen besser miteinander ausgeglichen, wodurch auch die Preisunterschiede immer kleiner werden.
Bei 50hertz prüfen die Fachleute daher gerade, ob sich die Antragsprüfung optimieren lässt. "Wir müssen gezwungenermaßen priorisieren", sagt Dirk Biermann. "Die Frage ist, wie priorisiert man richtig? Wie fischt man die Projekte heraus, die die höchste Realisierungswahrscheinlichkeit haben?"
Wann Stromspeicher dem Netz schaden
Für die Netzbetreiber geht es außerdem darum, die Stabilität der Stromnetze im Auge zu behalten. Denn eine Batterie kann dieser Stabilität dienen, wenn sie am richtigen Ort aufgebaut wird, beispielsweise in der Nähe von Umspannwerken, wo die Anschlussstrecke kurz ist. Zudem sollte sich die Batterie möglichst an die höheren Spannungsebene angeschlossen werden, sagt Avacon Sprecher Marvin Macke. "Je höher die Spannungsebene im Stromnetz, umso besser kann die Batterie dort im Sinne der Netzdienlichkeit gefahren werden."
Und: Großspeicher sollten sich möglichst nah an der Stromquelle befinden, sprich an den großen Wind- und Solarparks. Das ist aber dank einheitlicher Strompreise in Deutschland keine Selbstverständlichkeit. Das schlechteste Szenario aus Sicht des Stromnetzes: An einem sonnigen und windigen Tag produzieren die Wind- und Solarparks in Norddeutschland ein Stromüberangebot, das die Preise an der Börse in den Keller fallen lässt. Nun starten Batterien in Süddeutschland den Ladevorgang. Weil aber die Stromnetze nicht ausreichend ausgebaut sind, müssen nun teure Gaskraftwerke im Süden einspringen, um Angebot und Nachfrage stabil zu halten. Die Batterie hätte im Endeffekt den Strompreis weiter in die Höhe getrieben, anstatt ihn zu senken.
Um dieses Problem zu vermeiden, hat die Bundesnetzagentur im Herbst eine Neuregelung der sogenannten Baukostenzuschüsse vorgeschlagen. Batteriebetreiber sollen für den Netzanschluss umso weniger bezahlen, je netzdienlicher der Ort ist, an dem sie den Speicher aufstellen.
Bis 2029 fertiggestellte Batteriespeicher müssen 30 Jahre lang keine Netzentgelte bezahlen. Deswegen sollen nahezu alle geplanten Großbatterien bis dahin in Betrieb sein. Hinzu kommen voraussichtlich noch etliche Gigawatt von privaten Heimspeichern. Wie stark deren Speicherleistung in Zukunft steigt, dazu gibt es keine Prognosen. Bisher aber stellen sie rund 80 Prozent der Speicherkapazität in Deutschland dar, wie die auf dem Marktstammdatenregister basierende Seite Battery Charts zeigt. (Wie heimische Stromspeicher so betrieben werden können, dass ihre Lebensdauer steigt und das Stromnetz profitiert, hat übrigens die HTW Berlin kürzlich in diesem Beitrag erläutert.)
Dunkelflauten verlangen andere Lösungen
Die Batterien werden eine wichtige Lücke in der Energiewende schließen: Sie gleichen vor allem Schwankungen bei der Stromerzeugung im Tag-Nacht-Rhythmus aus. Windstille und dunkle Wochen im Winter dagegen werden sie voraussichtlich nicht überbrücken können, denn dafür reicht ihre Speicherkapazität nicht aus. Im Schnitt werden in Deutschland zwischen einer und zwei Terrawattstunden Strom an einem Tag verbraucht. Das ist sehr viel mehr, als alle jetzt geplanten Speicher abdecken können und gilt schon für einen einzigen Tag ohne Wind- und Sonnenstrom. Hält eine Dunkelflaute mehrere Tage oder Wochen an, braucht es andere, größere Lösungen.
Das könnte dann zum Beispiel Stromerzeugung mit Hilfe von Wasserstoff sein, der zuvor mit überschüssigem Solar- und Windstrom erzeugt wurde. Diese Art der Stromerzeugung wird allerdings dann sehr viel teurer sein. Deswegen ist hier noch nicht absehbar, dass in diesen Phasen ganz auf fossile Energieträger verzichtet werden kann.
Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | 11. April 2025 | 13:15 Uhr
Not Found
The requested URL /api/v1/talk/includes/html/88e2582c-9025-4b4f-9655-bf3ba681c716 was not found on this server.