Blühstreifen vor einem Maisfeld
Blühstreifen fördern die Vielfalt der Wildbienen - das konnten Wissenschaftler der Hochschule Anhalt nachweisen. Bildrechte: IMAGO/Frank Peter

Biodiversität und Landwirtschaft Blühstreifen an Feldern: Die richtigen Wildblumen locken hunderte Arten von Wildbienen

16. September 2023, 05:55 Uhr

Wildblumenstreifen an intensiv genutzten Agrarflächen können für Wildbienen ein Segen sein. Doch damit es soweit kommt, müssen oft erste viele Aspekte in der Praxis stimmen.

Blumen und Flächen mit Wildkräutern fördern Artenreichtum und auch die Zahl der Wildbienen. Das kann Anita Kirmer, Professorin für Landwirtschaft, Ökotrophologie und Landschaftsentwicklung an der Hochschule Anhalt in Köthen durch jahrelange Forschung inzwischen nachweisen, wie sie bei der Jahreskonferenz der Gesellschaft für Ökologie im Gespräch mit MDR WISSEN erklärt.

Für die Studie analysierten Kirmer und ihr Team 20 vier-bis fünfjährige Wildblumenstreifen und zehn Getreidefelder. Auf den Blühflächen konnten die Forschenden insgesamt 1.232 Wildbienen nachweisen, die zu 125 Arten gehörten. Auf den herkömmlichen Flächen hingegen fanden die Forschenden nur 21 Wildbienen von elf Arten. Für das Projekt hat die Hochschule Anhalt mit dem Landwirtschaftsministerium und dem Thünen-Institut, dem Bundesinstitut für Landwirtschaft, zusammengearbeitet.

Von den entdeckten Wildbienenarten stehen 16 Prozent auf der Roten Liste für bedrohte Arten in Sachsen und 34 Prozent auf der Roten Liste Deutschlands. Wildbienen gelten wegen ihrer Spezialisierung auf die Bestäubung von bestimmten Pflanzenarten als enorm wichtig für die Ökosysteme und die Landwirtschaft.

Professorin Anita Kirmer
Professorin Anita Kirmer von der Hochschule Anhalt hat mit ihrem Team eine Wildsaatgutmischung entwickelt, deren Blüten viele Landwirte überzeugen. Bildrechte: MDR/Katrin Tominski

Wildblumen- und Blühstreifen an Feldern: Hohe Artenvielfal, wenn Qualität stimmt

"Wildblumenstreifen haben ein hohes Potenzial, die biologische Vielfalt auf landwirtschaftlichen Flächen zu erhöhen", sagt Kirmer. "Eine hohe Qualität der Blühstreifen, sowie die Umsetzung unter offenen Bedingungen maximieren ihre ökologische Wirksamkeit."

Neben den Wildbienen haben Kirmer und Kollegen auch die Vielfalt der Pflanzenarten und die Zahl der Vögel im Umfeld bestimmt. Um das Angebot an Pflanzennektar und Pollen abzuschätzen, verwendeten die Wissenschaftler einen eigens entwickelten Pollinator Feeding Index (PFI). Ein freudiges, nicht erwartetes Sahnehäubchen der Ergebnisse: Wildkräuter, die sich spontan eigenständig auf den Blühstreifen ansiedelten, "erweiterten das gesamte Artenspektrum und die damit verbundenen Nektar- und Pollenressourcen beträchtlich, insbesondere im frühen Frühjahr und im Spätsommer". Die Ergebnisse der Studie wurden im Fachmagazin "Basic and Applied Ecology" veröffentlicht.

Funktionierende Blühstreifen: Heimische Wildkräuter locken die meisten Insekten

Also einfach viele Blühstreifen anlegen und alles wird gut? So einfach ist das nicht! Wie Kirmer erklärt, muss auf viele Aspekte geachtet werden, damit die Flächen gut blühen und auch wirklich die Artenvielfalt der Wildbienen befördern und die Bodenqualität verbessern. Unter anderem sei enorm wichtig, dass die Saatmischungen für die Blühstreifen eine gute Qualität haben. "Wichtig sind heimische Wildkräuter, sie locken die meisten Insekten." Zusammen mit dem Landwirtschaftsministerium Sachsen-Anhalt haben die Wissenschaftler eine Wildsaatgutmischung entwickelt, die aus 30 zertifizierten regionalen Wildkräutern besteht.

Blühstreifen
Wildkräuter kommen zwar nicht opulent, sondern bescheiden daher. Sie bieten Wildbienen und Vögeln jedoch ein Paradies. Bildrechte: Kircher/Hochschule Anhalt

Gute Vorbereitung für Lichtkeimer: Wildkräutersamen dürfen nicht unter die Erde

"Wichtig ist auch, dass die Landwirte ihre Böden für die Blühflächen vorbereiten, als würden sie eigene Kulturen anpflanzen. Nur so können sich die Samen optimal entfalten." Wildkräuter seien zudem Lichtkeimer. "Sie dürfen also nicht wie andere Samen in zehn Zentimetern Tiefe in die Erde eingebracht werden", erklärt die Forscherin. Gerade zu Beginn des Projektes habe es Landwirte gegeben, "die sich wunderten, dass ihre Saat nicht aufging." Deren Fragen wurden in der das Projekt begleitenden Beratung geklärt. Gleichzeitig sei es hilfreich, Bodenmanagement zu betreiben und die Blühwiesen gelegentlich zu mulchen.

Blühstreifen
Einfach Samen hinwerfen und das war's - so läuft es nicht. Auch Blühstreifen wollen Aufmerksamkeit, müssen vorbereitet und gepflegt werden. Ganz wichtig: Die Samen richtig einbringen, denn Wildblumen sind Lichtkeimer. Ist das Saatgut zu tief in der Erde, rührt sich nichts. Bildrechte: Gerald Perschke

Gute Förderung und blühende Wiesen: 5.000 Hektar Wildblumenstreifen seit 2014

Anfangs seien viele Landwirte noch skeptisch gewesen, weil herkömmliche Mischungen nicht gut funktionierten, erzählt Kirmer. Dann habe man jedoch die Saatgutmischung aus zertifizierten heimischen Wildkräutern hergestellt. "Die 30 heimischen, mehrjährigen Wildkräuter zeigen einen enormen Blüherfolg", so die Forscherin. Dies habe nicht nur das Ministerium, sondern auch den Bauernverband in Sachsen-Anhalt überzeugt.

Insgesamt seien seit dem Projektbeginn 2014 über 5.000 Hektar Blühstreifen entstanden. "Die Maßnahmen werden extrem gut angenommen, weil sie eben funktionieren." Landwirte erhalten für das Anlegen der Blühstreifen eine Förderung von 850 Euro pro Hektar. Die "qualitativ sehr gute Wildkräuter-Saatgutmischung" sei zwar mit 500 Euro nicht eben günstig, würde jedoch durch die Förderung abgebildet und wegen des Erfolgs gut angenommen. Sie könne überall dort erworben werden, wo es Wildblumensaatgut gibt.

Grafik - Standorte Blühstreifen
Die Standorte der Blühstreifen (WFS) und Getreidefelder (Control) in Sachsen-Anhalt. Bildrechte: Kircher/Hochschule Anhalt

Schatten und Grasbewuchs vereiteln Wirkung der Blühstreifen

Der einzige Wehmutstropfen allerdings: Schatten und Grasbewuchs wirken sich negativ auf die Leistung der eingesäten Stauden aus. Läuft, beziehungsweise wächst es hier nicht, klappt es auch nicht mit den Vögeln und den Wildbienen.

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT | 20. April 0022 | 06:41 Uhr

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