Vorschläge für die Politik Thüringer Landwirte forschen zu besserem Artenschutz
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16. März 2025, 15:00 Uhr
Die Landwirtschaft und der Schutz der Artenvielfalt scheinen auf den ersten Blick nicht so gut zusammenzupassen. Aber das ist ein Trugschluss, denn natürlich wissen vor allem die Landwirtinnen und Landwirte, wie wichtig Biodiversität für das Pflanzenwachstum sind. In Thüringen haben sich deshalb einige an einem Forschungsprojekt beteiligt, um Vorschläge zu erarbeiten, wie beides besser in Einklang gebracht werden kann.
Fast jedes Kind weiß heute: Um viele Arten steht es nicht sehr gut, Europa kämpft mit dem Verlust der biologischen Vielfalt. Ein Drittel der Pflanzen und Tiere ist gefährdet, etwa drei Prozent sind bereits ausgestorben. Weniger bekannt ist, dass davon insbesondere intensiv genutzte Agrarlandschaften betroffen sind – und von diesen sogenannten Kulturlandschaften sind weite Teile Deutschlands geprägt.
Im Rahmen eines Forschungsprojekts mit dem sperrigen Namen "CAP4GI – Gemeinsame Agrarpolitik für vielfältige Landschaften" (= Common Agricultural Policy for Green Infrastructure) haben sich deshalb Fachleute in Naturschutz und Landwirtschaft mit der Problematik auseinandergesetzt. Das Ziel: Die Zusammenarbeit mit den Agrarbetrieben bei Naturschutzmaßnahmen fördern, ihre Entscheidungen besser verstehen und Modelle für eine Agrarpolitik entwickeln, die sowohl den Betrieben als auch der Natur zugutekommt.
Mit der Landwirtschaft forschen
Im Projekt haben zwei regionale Teams drei Jahre lang gearbeitet, eines davon in Thüringen. Dessen Ergebnisse sind jetzt dem Thüringer Umweltminister Tilo Kummer übergeben worden, denn das Projektteam sieht in der Politik einen wichtigen Hebel in Sachen Artenschutz. Die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) der Europäischen Union habe das Potential, eine Trendwende einzuleiten, heißt es.
In Thüringen hat die Natura 2000-Station Unstrut-Hainich/Eichsfeld die Zusammenarbeit mit den beteiligten Landwirten im Eichsfeld, dem Thüringer Becken und dem Ostthüringer Buntsandsteingebiet koordiniert. Die wissenschaftliche Arbeit lag unter anderem bei der Universität Rostock, dem Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (Leipzig-Halle) bzw. dem Deutschen Zentrum für integrative Biodiversitätsforschung (Leipzig).
Wir als Landwirte arbeiten jeden Tag mit der Natur zusammen, wir sind die größten Naturschützer für unsere Kulturlandschaft. Wir haben die geschaffen mit unserer Bewirtschaftung vor vielen Hundert Jahren. Und wir wollen sie natürlich auch erhalten.
Dieses diverse Team hat in dem Forschungsprojekt Verbesserungsvorschläge für sogenannte Agrarumweltfördermaßnahmen erarbeitet. Diese sollen für die Landwirtinnen und Landwirte nämlich attraktiver werden und so ökologisch wirksam wie möglich sein. Dafür habe sich Thüringen als Projektregion besonders geeignet, weil es stellvertretend für die Agrarlandschaft im Osten stünde, erklärter der Projektleiter Ronald Brudler. "Wir sind mit vielen Landwirtinnen und Landwirten ins Gespräch gekommen und konnten deren Vorschläge und Anliegen an die Politik auf Landes-, Bundes- und europäischer Ebene weitergeben."
Einfach, flexibel und bezahlbar muss es sein
Die Erkenntnisse aus dem Forschungsprojekt machen Hoffnung, dass Landwirtschaft und Artenschutz auf einen gemeinsamen Weg finden können: Landwirte haben nämlich im Allgemeinen ein hohes Bewusstsein für das Thema Biodiversität und sind Neuerungen gegenüber aufgeschlossen, heißt es im Abschlussbericht. Allerdings würden sie auch durch zahlreiche Faktoren an der Umsetzung von Umweltmaßnahmen gehindert.
So geht es auch der beteiligten Thüringer Landwirtin Marika Richter. Das Thema ist ihr wichtig, sie legte nicht nur einzelne Blühstreifen, sondern sogar ganze 81 Hektar Blühfelder mit einer speziell entwickelten Samenmischung aus einheimischen Pflanzen an. Dass sie das auch über den Winter unberührt ließ und nicht einfach gemäht hat, habe durchaus für Irritationen gesorgt, erzählt sie. "Alles was neu ist und anders, da gibt es immer Bedenken. Was haben die sich jetzt schon wieder ausgedacht. Und wir wollen doch eigentlich nur Landwirtschaft machen." Da müsse man schon erklären, warum das notwendig sei, so die Landwirtin. "Dass das auch zu uns gehört, dass das auch Rückzugsorte sind für unsere Insekten und andere Lebewesen."
An Willen oder Einsicht scheitert es bei der Landwirtin also nicht, was ihr Probleme bereite sei die Finanzierung dieser Arbeit. Denn Geld verdient sie mit ihren insekten- freundlichen Blühfeldern bislang nicht. Sie versuche deshalb Fördermaßnahmen zu bekommen, um die Kosten zu decken. "Denn die Aussaat kostet natürlich Geld", sagt Richter.
Deshalb schlägt das Projektteam auch als zentralen Punkt vor, die Vergütung für die Landwirte zu erhöhen. Denn nur, wenn sich die Artenschutz-Maßnahmen auch rechneten, könnten sie umgesetzt werden, da die Agrarbetriebe betriebswirtschaftlich denken müssten, sagt Projektleiter Brudler und bilanziert: "Aber der Effekt für die Umwelt wäre sehr groß." Außerdem müsse die Bürokratie abgebaut werden und mehr Flexibilität ermöglicht, um Maßnahmen etwa an regionale Besonderheiten anzupassen, heißt es im Ergebnisbericht.
Das Projekt hat gezeigt, dass Agrarumweltmaßnahmen funktionieren und stärker in die Fläche kommen können, wenn man die Landwirte besser einbindet.
Das Projektteam schlägt außerdem ein Modell vor, das auf Information und Beratung fußt und die meisten festgestellten Hemmnisse reduzieren soll. Und nicht zuletzt seien auch neuartige Fördermodelle vielversprechend. So könnten etwa ergebnisorientierte Maßnahmen oder eine Gemeinwohlprämie einen wichtigen Beitrag leisten, heißt es. Doch letztendlich könnten die Forschenden nur Vorschläge liefern und sie mit der Landwirtschaft abstimmen. Was davon in welcher Form umgesetzt werde, sei jetzt Sache der Politik.
Links/Studien
Die Zusammenfassung der Empfehlungen zur Verbesserung der Agrarumweltförderung aus dem Projekt "CAP4GI – GAP für vielfältige Landschaften" finden Sie hier zum Nachlesen.
(kie/MDR Thüringen)
Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN | MDR Thüringen Journal | 12. März 2025 | 19:00 Uhr
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