Waldverlust Abholzen für die Weltwirtschaft
Hauptinhalt
22. Januar 2023, 05:00 Uhr
Die Aussage "Regenwälder werden zugunsten von Landwirtschaft abgeholzt" ist nur ein kleiner Teil der Wahrheit. Größeren Anteil haben andere Produktarten mit globalen Lieferketten, auch nach Europa.
In nur einem Jahr haben Europa, China und die USA 269.000 Hektar lateinamerikanischen Regenwald abgeholzt. So verkürzt klingt das natürlich seltsam, aber indirekt waren diese drei Märkte eben genau dafür verantwortlich. Zu diesem Teilergebnis kommt eine neue Studie, die es sich zum Ziel gesetzt hat herauszufinden, wem die Abholzung von Wäldern letztlich materiell zugutekommt, egal ob bewusst oder unbewusst.
Untersucht wurden dabei Regenwälder rund um den Äquator und die borealen Nadelwälder im Norden Amerikas, Europas und Sibiriens. Beide Waldarten haben erheblichen Einfluss aufs Klima der Erde. Aber so genau wie diese Studie hat bislang niemand auf die Zusammenhänge zwischen Waldflächenverlusten und globalen Versorgungsketten geschaut. Gezeigt wird dabei der bedeutende Anteil, den Handel und Konsum von nicht-landwirtschaftlichen Rohstoffen und Produkten haben. Das Vorurteil, dass die Wälder immer zugunsten von landwirtschaftlichen Flächen (wie Palmöl-Plantagen im Regenwald) abgeholzt werden, stimmt eben offenbar nicht. Nur zu 35 Prozent sei die Landwirtschaft "schuld", berechnet die Studie. Zusammen 62 Prozent machen dagegen Bergbau, Energiegewinnung, Energietransport und Produkte, in denen Holz enthalten ist, aus.
Abholzungen werden laut den Autoren um Bin Chen von der Fudan-Universität "nicht mehr nur durch die lokale Nachfrage angetrieben, sondern auch indirekt durch internationale Märkte und den steigenden Verbrauch".
Vor allem gelte das für die finanzstarken Märkte, die zwar selbst nicht direkt mit der Abholzung zu tun haben, weil sie sich in ganz anderen Vegetationszonen befinden, aber indirekt eben schon. "Länder mit Waldschutzzielen können fertige Landprodukte über globale Lieferketten importieren und so den Landnutzungsdruck und die damit verbundenen ökologischen Auswirkungen über die Grenzen ihres eigenen Territoriums hinaus verlagern."
Riesige Datenmengen, jahrelang ausgewertet
Weil der Studie eine riesige Menge von Wald- und Wirtschaftsdaten zugrunde liegen, hat die Auswertung sehr lange gedauert. Deshalb beziehen sich alle Zahlen und Daten auf das Jahr 2014, aber die Forschungsgruppe ist sich sicher, das sich seitdem am Prinzip der globalen Lieferketten nicht viel verändert hat, und wenn, dann wohl eher in die aus ihrer Sicht falsche Richtung.
In der Studie wird auch berechnet, welche Märkte innerhalb eines Jahres für wie viel abgeholzte Fläche in ganz anderen Regionen der Welt verantwortlich waren. Insgesamt war 2014 demnach mehr als ein Drittel aller Waldverluste mit dem Export in andere Länder verbunden.
Eingriffe in LIeferketten nötig
Ziel der Studie ist es laut den Autoren, den Blick für globale Zusammenhänge zu weiten. Dass zum Beispiel Wälder zugunsten der Rindfleischproduktion abgeholzt werden, sei inzwischen recht bekannt. Aber für Verbraucher sei es schwer zu erkennen, wenn Endprodukte Holz oder Metalle beinhalten, die auf Kosten von intaktem Wald produziert worden sind. Es gebe auch viele Dienstleistungen, die zwar von tertiären Sektoren erbracht werden, aber nur durch Elektrizität möglich sind, die wiederum aus Öl oder Gas erzeugt wurde, welches unter früheren Waldgebieten lagerte, die dafür abgeholzt wurden.
Und weil Verbraucher das selten nachprüfen können, fordert die Forschungsgruppe "ein stärkeres Engagement der Regierungen und Eingriffe in die Lieferkette", wenn die wichtigsten Wälder der Erde erhalten werden sollen.
Links / Studien
Kan et al.: "Risk of intact forest landscape loss goes beyond global agricultural supply chains", erschienen in One Earth
(rr)
Dieses Thema im Programm: Das Erste | BRISANT | 12. Oktober 2022 | 17:15 Uhr