Organe aus dem 3D-Drucker Dresdner drucken menschliches Gewebe
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16. Mai 2021, 05:00 Uhr
In Deutschland warten tausende Patienten auf eine Organspende – doch das Warten gleicht einem Glücksspiel. Große Hoffnungen setzt die Wissenschaft deshalb in die sogenannte additive Fertigung, auch bekannt als 3D-Druck. Hier werden am Computer dreidimensionale Teile passgenau nachgebildet und anschließend Schicht für Schicht hergestellt. Was in der Industrie bereits funktioniert, soll nun auch in der Medizin neue Möglichkeiten eröffnen – Forscher an der TU Dresden nutzen den 3D-Druck bereits.
Das Labor von Prof. Michael Gelinsky ist vollgestellt mit Hightech-Geräten. Der Leiter des Biodruck-Labors an der Medizinischen Fakultät der TU Dresden forscht hier an den Organen der Zukunft.
Jetzt sind wir im Bioprinting-Labor. Die Besonderheit ist, dass die 3D-Drucker hier in sogenannten Steril-Werkbänken untergebracht sind, sodass wir mit lebenden Zellen arbeiten und sie verdrucken können. Sie können auch Pilze und Bakterien ausdrucken. Da gibt es ganz viele mögliche Anwendungsfelder.
Völlig neue Baupläne für Organe
Der Wissenschaftler sucht nach einem völlig neuen Bauplan für die Niere oder die Leber. Was so einfach klingt, ist in Wirklichkeit ein hochkomplexer Prozess. Das fange schon bei der Materialbeschaffung an, erklärt Gelinsky.
Deshalb lagern in den sogenannten Brutschränken verschiedene Zellproben. Sie werden hier bei einer bestimmten Temperatur aufbewahrt und tummeln sich nach dem Verdrucken in einer speziellen Substanz, dem Hydrogel. Es ähnelt jener Substanz im menschlichen Körper, die den Zellen als Lebensgerüst dient. Aus dem Gel entsteht später das Material für den Bio-Druck.
Struktur wird wie bei Speichen eines Fahrrads gedruckt
Was die 3D-Drucker noch leisten können, wird im Nachbarlabor deutlich. Hier wird das sogenannte "Melt Electrowriting" angewendet. Grundlage seien hier nicht lebende Zellen, sondern ein spezielles Kunststoffmaterial, erläutert Doktorand Max von Witzleben. Es wird als Schmelze in einem elektrischen Feld zu einem extrem dünnen Faden gesponnen und anschließend zu feinen Gittern verarbeitet.
Wir verdrucken Polycaprolacton. Das ist ein Thermoplast, den wir in einem flüssigen Zustand in einer Kartusche lagern bei ungefähr 73 Grad. Und mit einer Hochspannung von ungefähr 6.000 Volt spinnen wir darauf einen zehn Mikrometer-Faden.
Für das menschliche Auge ist der Faden kaum zu erkennen. Grundlage für den Druck ist eine dreidimensionale Vorlage, die eine Computer-Software erstellt. In diesem Fall soll ein Trommelfell für das Ohr entstehen. Der Drucker bildet die Vorlage Schicht für Schicht nach. Er fährt von rechts nach links. Setzt ab. Fährt ein Stück nach oben. Druckt die nächste Schicht. Vergleichbar sei die entstehende Struktur mit den Speichen eines Rades, erklärt der Forscher.
Wir modellieren unser Trommelfell in mehreren Schichten. Das sind einmal die Speichen des Fahrrades, darüber die ringförmige Struktur. Und für die Erhöhung der mechanischen Stabilität legen wir noch eine Gitterstruktur oben drauf.
Wenige Minuten später ist das Trommelfell aus dem 3D-Drucker fertig. Es habe die Größe einer Reißzwecke und eine leichte Wölbung, erläutert Prof. Gelinsky, weil das der natürlichen Krümmung des Trommelfells entspreche. "Das ist wichtig für das richtige Schwingungsverhalten", betont der Experte. "Eine komplett gerade Membran schwingt anders als eine Membran, die trichterförmig ist. Das können wir mit dem Verfahren anatomisch sehr gut nachbauen."
Totaler Trommelfell-Ersatz künftig möglich
Was da im 3-Druck-Labor passiert, interessiert besonders den HNO-Arzt Marcus Neudert. Er sitzt auf dem Campus nur einige Gebäude entfernt und steht in engem Kontakt mit den Forschern. Der Mediziner rekonstruiert üblicherweise den Trommelfell-Ersatz aus körpereigenem Knorpelmaterial und stößt hier regelmäßig an Grenzen. Der 3D-Druck könnte die Grenzen verschieben.
Die Möglichkeiten sind unter Umständen sogar noch wesentlich größer als das, was wir im Moment mit dem Trommelfall machen. Wir können dann einen totalen Trommelfell-Ersatz mit einem 3D-gedruckten Transplantat machen. Wir können sagen, dass in einem bestimmten Quadranten das Trommelfell eine stärkere mechanische Belastbarkeit hat. Dann brauche ich auch keinen Knorpel mehr zu nehmen, um an der Stelle einen Prothesen-Teller oder eine Mittelohr-Prothese zu schützen.
Ob der Nachbau aus dem 3D-Drucker aber tatsächlich funktioniert und ein menschliches Trommelfell ersetzen kann, muss sich erst noch in aufwändigen Tests herausstellen. Die Forschung stehe hier noch am Anfang, bittet Prof. Gelinsky um Geduld. Und er verweist darauf, dass die eigentlichen Herausforderungen erst noch kommen. Zum Beispiel bei der Niere.
Gerade in der Niere habe ich eben nicht einen Zelltyp und dann funktioniert die Niere wie sie soll. Sondern es sind ganz unterschiedliche Zelltypen, die in einer ganz unterschiedlichen Art und Weise mit verschiedenen Kanalstrukturen eine dreidimensionale Organisation bilden müssen. Es ist noch ein sehr weiter Weg, bis man wirklich funktionale Organe wird herstellen oder drucken können.
In Dresden jedenfalls haben sie den Anfang schon mal gemacht und eröffnen der Organspende somit völlig neue Perspektiven.
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