Corona-Forschung Lungenmodell für Impfstoff- und Therapieerprobung
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30. Mai 2020, 12:00 Uhr
Fieberhaft wird weltweit nach einem Impfstoff gegen SARS-CoV-2 und Therapien gegen Covid 19 gesucht. Auch in Berlin arbeiten die drei Universitäten und die Charité gemeinsam mit Hochdruck daran. Dabei kommt nun erstmals ein menschliches Lungenmodell aus dem 3D-Drucker zum Einsatz.
Der Biotechnologe Prof. Jens Kurreck von der TU Berlin hat die Testlunge in den letzten vier Jahren gemeinsam mit seinem Forscherteam entwickelt. Das waffelförmige Organmodell ist nur einen Quadratzentimeter groß und zwei Millimeter hoch. Es besteht aus Biotinte mit Millionen menschlicher Zellen. Es ist eine vielversprechende Möglichkeit für den Forschungsverbund der Berlin University Alliance, die unter Leitung des Chemikers Rainer Haag und des Virologen Christian Drosten eine mögliche neue Waffe gegen das Coronavirus testen: Die so genannte RNA-Interferenz.
Erbgut der Viren einfach abschalten
Die Natur arbeitet ständig damit: Sie schaltet bestimmte Gene, die gerade nicht gebraucht werden, einfach ab. Pflanzen nutzen sie aber auch, um sich gegen Angreifer, in diesem Fall RNA-Viren, zu wehren. Werden sie von diesen befallen, können sie dank der RNA-Interferenz das Erbgut der Viren einfach abschalten und sie damit außer Gefecht setzen. Biotechnologe Jens Kurreck erklärt, wie das bei SARS-CoV-2 funktionieren könnte:
Dieses Verfahren wurde 2001 zum ersten Mal an menschlichen Zellen eingesetzt. Doppelstrang-RNA-Schnipsel aus 21 Bausteinen werden isoliert und eine Zielsequenz dank zellulärer Prozesse zerschnitten. Im Labor klappt das schon ganz gut, aber im lebendigen Organismus gibt es für SARS-CoV-2 noch keine Ergebnisse. Die Lungenzellen, die man in einer Kulturschale hält, verhalten sich ganz anders als Lungenzellen, die dreidimensional im Lungengewebe gewachsen sind.
Tierversuche verfälschen Ergebnisse
SARS-COV-2 infiziert viele der typischen Labortiere nicht. Man müsste zunächst Mäuse züchten, die sich erfolgreich anstecken können. Dabei spielen zum Beispiel die Oberflächenstrukturen eine Rolle, über die das Virus in die Zellen eindringt. So lange die vom Menschen mit denen der Versuchstiere nicht identisch sind, sind die Testergebnisse für Covid-19-Medikamente trügerisch:
Wir wissen, dass derzeit 90 Prozent aller im Tierversuch erfolgreichen Medikamentkandidaten später im klinischen Versuch am Menschen versagen.
Da stiftet das Berliner Lungenmodell mit menschlichen Zellen Hoffnung. Bis zu zehn Stück können pro Phase gedruckt werden. Zuerst entsteht eine dreidimensionale Schicht mit Lungenfibroblasten, also Stützzellen. Dann werden die Immunzellen entweder gleich beim Druck importiert oder sie wandern später ein. Kurreck sieht derzeit im direkten Import den besseren Weg. Zuletzt werden in einer einfachen Lage die Lungenzellen aufgebracht. Alle Zellen bekommen die Forscher über die Charité direkt vom Spender.
Menschliches Modell - realistische Ergebnisse
Mit dem Berlinder Lungenmodell aus dem 3D-Drucker können die Wissenschaftler ihre Tests an menschlichen Zellen mit menschlichem Oberflächenrezeptor durchführen und bekommen so ein realistisches Abbild von der Situation im menschlichen Patienten. Außerdem lässt sich das Lungenmodell mit SARS-CoV-2 infizieren, natürlich im Sicherheitslabor. Die Infektion an sich erfolgt relativ einfach:
Man gibt eine Lösung mit dem Coronavirus auf das Modell. Dann infizieren die Viren automatisch die Lungenzellen im gedruckten Modell.
Jetzt können die Wissenschaftler untersuchen: Wie viel des Virus befindet sich in der Zelle zu verschiedenen Zeitpunkten? Wie viele Virusgenome befinden sich in der Lunge und werden sie mit der Zeit mehr? Oder kann das getestete Therapeutikum die Anzahl minimieren? Dabei nutzen die Forscher immunologische Methoden mit Antiköprern oder Fluoreszenztechniken:
Unter einem Fluoreszenzmikroskop kann man es dort leuchten sehen, wo sich das Virus im Modell verbreitet.
Das Modell wird bei diesen Analysen in der Regel zerstört. Allerdings sei der Aufwand nicht so groß, um ein neues zu drucken, so Kurrek. Einer umfassenden Testreihe in Berlin steht also nichts im Wege. Und das nicht nur dort. Denn Mit Modelllungen, sogenannten Organoiden, forschen neben der Berlin University Alliance auch das Max-Planck-Institut für Infektionsbiologie und die Ruhr-Universtität Bonn.
(gs/krm)