Autoverkehr Studie: Tempolimit von 130 km/h auf Autobahnen hat gewaltige Vorteile
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25. April 2023, 17:24 Uhr
Geringerer Ausstoß von Treibhausgasen, weniger Kosten durch Unfälle und ein geringerer Bedarf für den weiteren Ausbau von Straßen: Eine neue Studie zeigt die vielen Vorteile eines Tempolimits von 130 km/h auf Autobahnen.
Die FDP glaub nicht an den Nutzen eines generellen Tempolimits auf deutschen Autobahnen. Eine solche Begrenzung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit trage nur geringfügig dazu bei, den Ausstoß von CO2 durch den Verkehr zu reduzieren. Zugleich seien viele Fahrer dann aber länger unterwegs und das fresse die Gewinne gleich wieder auf, behauptete ein von der Partei in Auftrag gegebenes Gutachten im Februar.
Hat ein Tempolimit von 130 Kilometern pro Stunde auf Autobanen wirklich kaum Effekte? Diese Behauptung haben Stefan Gössling und Kollegen jetzt in einer Modellberechnung noch einmal gründlich geprüft. Das deutsch-skandinavisch-kanadische Team von Forschenden kam dabei wenig überraschend zum umgekehrten Ergebnis. Bis zu 950 Millionen Euro pro Jahr seien demnach einsparbar, wenn die Höchstgeschwindigkeit begrenzt werde.
Weniger Kraftstoffverbrauch, weniger Unfälle, geringerer Ausbaubedarf
Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler haben dabei nicht nur die Effekte für den Kraftstoffverbrauch und damit das Klima einbezogen. Sie haben auch berechnet, wie gut der Verkehr fließt bei verschiedenen Temporegeln und wie sich das auf die Notwendigkeit von Investitionen in die Straßen auswirkt. Zudem betrachteten sie die Kosten durch Unfälle bei verschiedenen Geschwindigkeiten.
Fazit: Durch das Tempolimit könnten der Kraftstoffverbrauch gesenkt und die Zahl der Unfälle reduziert werden. Geringe Verbräuche würden auch die Kosten von Lieferketten senken. Zudem steige die Kapazität von Straßen, da der Verkehrsfluss vor allem dann am besten sei, wenn alle Fahrzeuge mit ungefähr der gleichen Geschwindigkeit unterwegs seien. Lasse man die Einsparungen beim Klima beiseite, bleiben immer noch 660 Millionen Euro übrig, die durch ein strengeres Tempolimit eingespart werden können. Auch für betroffene Autofahrer wiegen sich die Kosten der verlorenen Zeit durch das geringere Unfallrisiko auf.
Studie unterschätzt möglichen Nutzen durch Tempolimit sogar
Udo Becker, Verkehrsökologe an der TU Dresden, war nicht an der Studie beteiligt, hält ihr Ergebnis aber für plausibel und wenig überraschend. "Eigentlich ist es ganz einfache Physik, und jeder lernt es in der Mittelstufe: Der Energieverbrauch steigt mit dem Quadrat der Geschwindigkeit an, und schnellere Fahrt erzeugt mehr Emissionen und erhöht die Lärmbelastung." Dennoch höre man im Autofahrerland Deutschland immer wieder, ein Geschwindigkeitslimit auf Autobahnen sei gefährlich und wirtschaftlich schädlich.
Die neue Studie zeichnet neben ihrem breiten Blickwinkel auch aus, dass sämtliche verwendeten Zahlen öffentlich zugänglich sind und dass die Forschenden im Zweifelsfall immer die niedrigeren, konservativeren Werte verwendet haben hinsichtlich möglicher Spareffekte. "Alle Datengrundlagen sind belegt und nachprüfbar: Da immer die 'vorsichtigsten Werte' verwendet werden, wird in der Realität ein deutlich höherer Nutzen zu erwarten sein", prognostiziert Udo Becker.
Nur eine drastische Erhöhung der Mineralölsteuer könnte ähnliche Effekte erzielen
Becker hält vor allem die Einbeziehung der verschiedenen Effekte für einen großen Vorteil der Studie. "Die Kosten-Nutzen-Betrachtung erlaubt es, auch verschiedene physikalische Effekte gemeinsam zu bewerten." Ein Tempolimit könne demnach dazu beitragen, weniger Flächen in Anspruch zu nehmen und Abgase und Lärm zu reduzieren. "Ähnliche große Umweltentlastungen wären wohl nur durch eine drastische Erhöhung der Benzin- und Dieselsteuern möglich."
Kai Nagel, Verkehrsforscher an der TU Berlin, hat die verwendeten Daten nachgeprüft, stieß dabei aber auf das Problem, dass das Umweltbundesamt inzwischen viele Werte aktualisiert hat. "Das macht es zunächst schwierig, die Studie von Gössling et al. nachzuvollziehen." Allerdings: Auch in anderen Studien seien die errechneten Werte, etwa für die Kosten durch längere Reisezeiten, ähnlich.
Fehlendes Tempolimit bedeutet Subvention fürs Schnellfahren
Die Autoren der Studie betonen, dass Deutschland aktuell das einzig größere Land auf der Welt sei, in dem es keine generelle Geschwindigkeitsbegrenzung auf Autobahnen gebe. Die sogenannte Richtgeschwindigkeit von 130 km/h ist nur eine Empfehlung. Übertreten Fahrer dieses Limit, ist das allein nicht strafbar. Aufgrund ihrer Berechnungen gelangen sie zu dem Ergebnis, dass das fehlende Tempolimit eine Subvention für schnell fahrende Fahrer sei, da die Volkswirtschaft dafür erhebliche Kosten aufwenden müsse.
Aus Sicht des Klimaschutzes sind Maßnahmen beim Verkehr in Deutschland dringend notwendig. Dort konnte ein Rückgang der Emissionen bislang nur während der Corona-Pandemie gemessen werden. Inzwischen sind die Werte laut den Zahlen des Umweltbundesamts aber wieder auf dem Normalniveau vor der Pandemie angekommen und wachsen weiter.
Verbote bringen mehr als Anreize, sind aber unbeliebter
Ob hier nun Verbote oder Anreize mehr bringen, dazu gibt es laut dem Berliner Verkehrsforscher Kai Nagel relativ eindeutige Ergebnisse. Er verweist dabei auf das Push- und Pull-Modell, Push steht dabei für äußeren Druck, Pull für Anreize. "Push-Maßnahmen richten sich direkt gegen die jeweiligen Herausforderungen, also zum Beispiel Geschwindigkeitsbegrenzungen oder Maut gegen CO2-Ausstoß oder gegen Lärm. Pull-Maßnahmen versuchen, die Autofahrer auf andere Verkehrsmittel – zum Beispiel Fahrrad oder öffentlichen Verkehr – umzulenken, indem man jene attraktiver macht."
Alle Untersuchungen zeigen, dass Push-Maßnahmen deutlich besser als Pull-Maßnahmen wirken; sie finden aber auch deutlich weniger Akzeptanz.
Die Herausforderung sei nun, einen Mix zu finden, der politisch akzeptiert werde, aber auch wirke.
(mit smc)
Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | 21. April 2023 | 15:30 Uhr
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