Wissen-News 1,5-Grad-Ziel bereits überschritten? Forschende äußern Bedenken an neuer Studie
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07. Februar 2024, 09:11 Uhr
Eine neue Studie legt nahe, dass die Erderwärmung bereits viel früher begonnen hat und das 1,5-Grad-Ziel bereits überschritten ist. Unabhängige Forschende mahnen aber zur Besonnenheit. Indes hat die EU ihre Klimaziele bis 2040 vorgestellt.
Verdirbt der Blick auf Zehntelgrade die Sicht aufs große Ganze? Eine aktuelle Untersuchung von Forschenden aus den USA und Australien im Fachblatt Nature Climate Change legt nahe, dass die Erderwärmung schon in den 1860er-Jahren begonnen haben könnte und damit etwa ein Jahrhundert vor den Annahmen des Weltklimarats. Dies hätte zur Folge, dass die globale Durchschnittstemperatur bereits 1,7 Grad über dem Wert des vorindustriellen Zeitalters läge und damit über dem Pariser Klimaziel von 1,5 Grad.
Unhaltbare Schlussfolgerung? Unabhängige Forschende halten Studienergebnis für unplausibel
Die Forschenden haben dazu Korallen-Schwamm-Skelette im Karibischen Meer analysiert und konnten anhand deren Zusammensetzung auf die umgebende Meerestemperatur seit dem 18. Jahrhundert schließen. Solche Proxy-Daten gelten als zuverlässiger als direkte Temperaturmessungen, da die erst seit Mitte des 19. Jahrhunderts begrenzt durchgeführt wurden.
Unabhängige Fachleute raten in einem Rundruf des Science Media Centers allerdings zu einem bedachten Umgang mit den Forschungsergebnissen. Besonders deutliche Worte findet Jochem Marotzke, Direktor des Max-Planck-Instituts für Meteorologie in Hamburg: "Die Schlussfolgerung, die Welt habe sich bereits um 1,7 Grad erwärmt, ist unhaltbar. Die Arbeit versucht nicht einmal im Ansatz, die Ursache für die unterschiedlichen Ergebnisse herauszufinden." Er verwies dabei unter anderem auf fehlende Langzeitbeobachtungen und fehlende Beobachtungen zu natürlicher Variabilität.
EU-Klima-Zwischenziel für 2040 erwartet: 90 Prozent weniger Emissionen als 1990
Der renommierte Klimaforscher Mojib Latif betont, dass eine Diskussion um Zehntelgrade akademischer Natur sei und der Temperaturwert des Pariser Klimaabkommens ohnehin nur als Richtschnur zu verstehen sei: "Die Auswirkungen der bereits realisierten globalen Erwärmung sind schon katastrophal. Meiner Meinung nach sollten wir nicht über Zehntelgrade diskutieren und von der Dringlichkeit des Handels ablenken." Für politische Diskussionen müsse ein Zeitraum herangezogen werden, für den sehr gute Daten vorlägen. So betrage die Erwärmung zwischen 1970 und 2023 ein Grad Celsius, mehr sollte es Latif zufolge ohnehin nicht werden.
Indes hat die EU-Kommission am Dienstag ihre Empfehlung für das europäische Klimaziel bis 2040 vorgelegt. So sollen gegenüber 1990 Treibhausgase um neunzig Prozent reduziert werden. Der Vorschlag ist als Zwischenziel zur angestrebten Klimaneutralität bis 2050 zu verstehen.
flo
Links/Studien
Die Studie 300 years of sclerosponge thermometry shows global warming has exceeded 1.5 °C erschien am 5. Feburar 2024 in Nature Climate Change.
DOI: 10.1038/s41558-023-01919-7
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