Epidemiologen in Schutzanzügen sammeln im Zuge der Vogelgrippe-Epidemie einen tot am Meeresstrand liegenden Vogel ein.
Vogelgrippe wird zur Pandemie: 2021 wurden erstmals auch im Sommer tote Vögel an Deutschlands Küsten gefunden (Foto). 2022 waren es noch einmal deutlich mehr. Bildrechte: imago/blickwinkel

Angst um die Weihnachtsgans 2022 ein Ausnahmejahr für die Vogelgrippe – wie geht es weiter?

17. Oktober 2022, 12:27 Uhr

Eigentlich steht die Vogelgrippe-Saison in Europa erst noch bevor, doch in diesem Jahr ist sie besonders stark und zu unüblichen Zeiten aktiv. Was bedeutet das für die kommenden Monate, die Vogelpopulationen und die Menschen?

Seit 2016 wird Deutschland regelmäßig von der Vogelgrippe heimgesucht. Sie grassierte aufgrund des Vogelzugs in den vergangenen Jahren vor allem zwischen Oktober und April. Dann kommen besonders viele Vögel zur gleichen Zeit auf vergleichsweise engem Raum zusammen. Für das Virus eine gute Möglichkeit sich zu verbreiten. 2021 gab es erstmals auch Fälle während des Sommers, vor allem im nördlichen Europa. Im Sommer 2022 sind die Fallzahlen allerdings noch einmal gestiegen. "In diesem Sommer ist das ganze Konzept quasi komplett über den Haufen geworfen worden", erklärt Timm Harder, Leiter des Nationalen Referenzlabors für Aviäre Influenza am Friedrich-Loeffler-Institut (FLI), gegenüber dpa.

Bestände in Gefahr

In der freien Natur hat die Vogelgrippe zuletzt koloniebrütende Seevögel wie Seeschwalben und Basstölpel an der Nordsee und Kormorane an der Ostsee getroffen. Allein an der Nordsee geht der Experte davon aus, dass Zehntausende Wildvögel dem Virus zum Opfer gefallen sind. Für bestimmte Bestände ist das Virus eine große Gefahr. So brüten die Basstölpel hierzulande zum Beispiel nur auf Helgoland. Diese Kolonie war stark betroffen. Würde sie wegfallen, wäre diese Art laut Martin Rümmler vom Naturschutzbund Deutschland (Nabu) in Deutschland ausgestorben. Und auch für Arten, die zwar älter werden, aber pro Wurf nur wenige Jungtiere haben, sind Verluste sehr schwer zu ersetzen. Greifvögel wären hierfür ein Beispiel.

Verluste in Geflügelbetrieben, Gefahr für die Weihnachtsgans

In Geflügelbetrieben lassen sich die Verluste natürlich einfacher dokumentieren als in der freien Natur. Laut EU Gesundheitsbehörde ECDC mussten in der Vogelgrippe-Saison 2021/2022 48 Millionen Tiere gekeult, also getötet werden. Laut FLI-Risikoeinschätzung ist das Risiko für Virus-Einträge in die Geflügelbetriebe an der Küste hoch, ansonsten aber gering. Experte Harder sagt aber, dass es Anzeichen dafür gibt, dass sich das Infektionsgeschehen von der Küste aus wieder über Gesamtdeutschland verteilt. Ob jetzt eine starke Winterwelle droht, lässt sich schwer voraussagen. Allerdings besteht durch den einsetzenden Vogelzug das Risiko für eine weitere Vogelgrippe-Welle. Das birgt große Risiken für Wildvogelbestände und natürlich auch Zuchtbetriebe. Noch nie sei die Weihnachtsgans so sehr in Gefahr gewesen wie in diesem Jahr, warnt Lorenz Eskildsen, Vorsitzender des Bundesverbandes bäuerlicher Gänsehaltung. Eskildsen geht davon aus, dass die Preise im Weihnachtsgeschäft deutlich steigen werden, um vier bis fünf Euro pro Kilogramm bei Importen und drei Euro bei deutschen Gänsen.

Wie gefährlich ist die Vogelgrippe für Menschen?

Es ist möglich, dass H5N1 vom Vogel auf den Menschen übergeht, doch diese Infektionen sind laut Timm Harder absolute Ausnahmen. Das Risiko für die Bevölkerung wurde daher jüngst als niedrig eingestuft. Dennoch sind entsprechender Schutz und Vorsicht etwa beim Einsammeln infizierter Vögel notwendig. Gerade in Geflügelfarmen, die vom Virus betroffen sind, ist Vorsicht geboten, denn dort ist die Viruslast besonders hoch. Für die breite Bevölkerung bedeutet das, dass es keinen Anlass zur Besorgnis gibt.

dpa/JeS

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | 12. Oktober 2022 | 16:10 Uhr