Trauerforschung Wie sollen wir über Tod und Sterben sprechen?
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08. Februar 2021, 12:14 Uhr
Über den Tod und das Sterben sprechen wir nicht gern. Dabei könnten wir genau damit helfen, dem Abschied einen Platz in unserem Leben einzuräumen und uns die Angst davor zu nehmen. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie aus Australien. Das ist ermutigend, findet Bestattungsfachkraft, Trauerbegleiterin und Psychotherapeutin Maria Förster. Denn wenn wir über den Tod sprechen, stirbt ja noch niemand.
Über Trauer, den Tod und das Sterben zu sprechen, haben wir nicht gelernt. Diese Themen haben wir aus unserer Gesellschaft outgesourct, das erlebt Maria Förster als Trauerbegleiterin und Dozentin täglich. Früher starben die Menschen meist zu Hause, inmitten einer Gemeinschaft. Das hat man gemeinsam erlebt, die Trauer geteilt. Heute sterben viele allein in Kliniken oder Altenheimen hinter verschlossenen Türen. Selbst gestandenen Alten- und Krankenpflegerinnen und -pflegern fällt es inzwischen schwer, Angehörigen zu sagen, dass jemand gestorben ist.
Da werden ganz viele Synonyme verwendet oder Phrasen, nur um nicht sagen zu müssen: 'Ihre Mutter ist gestorben'.
Das Repertoire reicht von "ist eingeschlafen" über "von uns gegangen" bis hin zu "hat den Holzfrack angezogen". Rund 80 Synonyme und Redewendungen gibt es fürs Sterben im deutschen Sprachschatz. Dass diese eher Unsicherheit schaffen oder sogar Ängste wecken können, weiß Maria Förster aus ihrer Arbeit mit trauernden Kindern:
Sagt man einem Kind: 'Deine Mama ist gegangen', kann das Verlassensängste auslösen. Denn das Kind versteht: Deine Mama hat dich verlassen.
Auf eine Botschaft wie "Der Opa ist eingeschlafen", wird ein Kind ganz selbstverständlich mit der Frage reagieren, wann er wieder aufwacht. Von den Jüngsten können wir im Umgang mit dem Tod eine Menge lernen, davon ist Maria Förster überzeugt. Denn sie begegnen dem Thema ohne Vorbehalte, bis sie von uns Erwachsenen lernen, dass es ein Tabu ist. Dieses Tabu auch mit Worten zu brechen, ist für die Trauertherapeutin ein wichtiger Anfang. Dem Unfassbaren einen Namen zu geben, ist erst einmal schmerzhaft, räumt sie ein, denn dann wird es wahrhaftig. Aber dann bekommt es auch ein Gesicht und wird greifbar. Sie fasst es in die Worte von Hermine Granger aus "Harry Potter":
Angst vor einem Namen macht nur noch größere Angst vor der Sache selbst.
Zu diesem Ergebnis kommt auch eine Studie unter der Leitung des Forschungszentrums für Palliativmedizin, Tod und Sterben der Flinders Universität in Australien. Die Wissenschaftler befragten in den Jahren 2016, 2017, 2018 und 2020 insgesamt 1.491 Teilnehmer dazu, wie sie ihre Gefühle und Erkenntnisse über Tod und Sterben in Worte fassen. Außerdem schrieben sich die Teilnehmer in den eigens dafür entwickelten Online-Kurs "Dying2Lern" ein, durch den sie lernen sollten, offen darüber zu sprechen.
Über den Tod zu sprechen, kann ihm den Schrecken nehmen
Die Forschenden analysierten am Ende des Kurses die Worte, die die Probanden verwendet hatten und stellten fest, dass sie im Laufe der Zeit angenehmere und friedvollere Begriffe und Umschreibungen fanden, um ihre Gefühle im Hinblick auf den Tod auszudrücken.
Es stellte sich auch heraus, dass wir den Tod anderer und unseren eigenen Tod offenbar unterschiedlich bewerten. Zumindest schlussfolgern die Autoren der Studie das aus den unterschiedlichen Formulierungen: Stirbt ein anderer, wurden in diesem Zusammenhang häufiger Worte wie "traurig", "Angst", und "Verlust" verwendet. Ging es um den eigenen Tod, hieß es deutlich positiver: "unvermeidlich", "Frieden" und "natürlich". Maria Förster führt zu diesem Phänomen wieder ein Zitat ins Feld. Es stammt aus einem Gedicht von Mascha Kaléko:
Bedenkt: Den eignen Tod, den stirbt man nur, doch mit dem Tod der andern muss ich leben.
Dazu gehört, der Trauer Raum zu geben und das Erlebte und die Gefühle in Worte zu fassen. Dass uns das so schwer fällt, hat mit unserer Angst vor dem Abschied zu tun. Doch nur weil wir über den Tod sprechen, stirbt ja noch lange niemand, ermutigt Maria Förster. Auch das Wissen darüber, was geschieht, wenn ein Mensch stirbt, hilft, dieser Angst zu begegnen.
Wenn ich mich damit vertraut mache, was im Sterbeprozess geschieht, kann ich ihn auch anders annehmen.
Dieses Wissen an Angehörige von unheilbar Kranken weiterzugeben, ist unter anderem die Aufgabe von Palliativteams und Hospizmitarbeitern. Sie und auch Forschungsprojekte wie die Studie der Flinders-Universität in Australien holen in unsere Gesellschaft Stück für Stück zurück, was wir vor Jahrzehnten aus ihr verbannt haben: Die Auseinandersetzung mit und damit die Annäherung an den letzten Teil unseres Lebens – den Tod.
Link zur Studie
Die Studie von Miller-Lewis et al. "Words describing feelings about death: A comparison of sentiment for self and others and changes over time" ist im Magazin PLOS ONE veröffentlicht worden.
krm
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