Astronomie Erstes Bild vom Schwarzen Loch im Zentrum der Milchstraße: So sieht Sagittarius A* aus
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13. Mai 2022, 15:27 Uhr
Ein internationales Team von Astronomen der Kooperation Event Horizon Telescope (EHT) hat das erste Bild des supermassiven Schwarzen Lochs Sagittarius A* präsentiert, um das sich unsere Milchstraße dreht. Es ist das zweite Foto eines solchen Objekts überhaupt.
Es ist rund 27.000 Lichtjahre von uns entfernt und liegt im Sternbild Schütze: Das Zentrum unserer Milchstraße, um das sich unsere Sonne und alle Sterne der Galaxie drehen. Weil es so weit entfernt ist und von vielen Schichten an Sternen und interstellarem Staub verdeckt wird, ist es Forschern erst vor wenigen Jahren gelungen, diese Region mit Infrarotteleskopen näher zu beobachten. Was sie sahen, war eine Gruppe von Sternen, die mit offenbar extremen Geschwindigkeiten einen Punkt umkreisten, der selbst scheinbar unauffällig und dunkel war. Aus den Beobachtungen schlossen die Forschenden, dass es sich um ein gewaltiges schwarzes Loch handeln muss: Sagittarius A*, dessen Masse über vier Millionen Sonnen betragen muss, um die beobachteten Umlaufbahnen der Sterne in seinem Umfeld erklären zu können. Heute, am 12. Mai, hat nun ein internationales Forscherteam zum ersten Mal ein Bild dieses nahezu unvorstellbaren Objekts präsentiert.
Event Horizon Telescope: virtuelles Teleskop bündelt acht Teleskope
Die Forschungsgemeinschaft "Event Horizon Telescope" hatte bereits 2019 das erste Bild eines Schwarzen Lochs überhaupt präsentiert. Damals zeigten die über 350 beteiligten Forscherinnen und Forscher M87*, das aktive Zentrum der Galaxie M87. Bei der Aufnahme handelte es sich wie bei dem heutigen Bild um eine Rekonstruktion. Denn Schwarze Löcher verschlucken Licht, sind daher naturgemäß dunkle Objekte. Allerdings wird die Materie, die mit extremer Geschwindigkeit um den sogenannten Ereignishorizont kreist, aufgeheizt und gibt dabei Strahlung ab.
Diese Strahlung lässt sich beobachten, allerdings nur mit extrem aufwendigen Methoden. Das "Event Horizon Telescope" (EHT) ist ein virtuelles Teleskop, also eine Zusammenschaltung von insgesamt acht Radioteleskop-Standorten auf der ganzen Welt. Diese acht Teleskope beobachten zuvor vereinbarte Objekte im Himmel zeitlich extrem genau abgestimmt. Dadurch entsteht ein virtuelles Radioteleskop das den Durchmesser der gesamten Erde hat. Die dahinter stehende Methode nennt sich "Very Long Baseline Interferometry (VLBI)" und macht es möglich, zigtausende Lichtjahre entfernte Objekte mit sehr kleinen Radiowellen im Bereich von 1,3 Millimetern zu beobachten und so extrem hohe Auflösungen zu schaffen.
Sagittarius A*: vergleichsweise klein mit wenig strahlendem Material im Orbit
Die Daten werden gesammelt und schließlich in zwei Rechenzentren mit Supercomputern zusammengeführt. Eines davon liegt beim Massachusetts Institute of Technology in Boston, USA, das andere beim Max-Planck-Institut für Radioastronomie in Bonn. Für das nun veröffentlichte Bild von Sagittarius A* sammelten die beteiligten Teleskope in fünf Beobachtungsläufen mehr als 6.000 Terrabyte an Daten.
Der Forschungsgruppe zufolge ist die größte Herausforderung, dass Sagittarius A* mehr als 1.000 Mal leichter ist als das Schwarze Loch im Zentrum von M87. Zudem befinde sich weit weniger Material in einem Orbit um das Schwarze Loch. Das wenige Gas rase in wenigen Minuten mit nahezu Lichtgeschwindigkeit um das Schwerkraftzentrum und sei damit extrem schwer zu erfassen. Auch das ist ganz anders als bei M87, wo das Gas Tage bis Wochen benötigt, um das Schwarze Loch zu umkreisen. "Ein bisschen so, als würde man versuchen, ein scharfes Bild von einem Welpen aufzunehmen, der unentwegt mit seinem Schwanz vor der Kamera wedelt", beschrieb EHT-Wissenschaftler Chi-kwan Chan vom Steward Observatory (USA) die Herausforderung.
Bild von Sagittarius A* ist aus hunderten Bildern zusammengesetzt
Die jetzt veröffentlichte Aufnahme ist die Zusammenführung hunderter Bilder, die während Beobachtungskampagne entstanden. Die wichtigsten davon zeigen den Ring des Gases, welcher das schwarze Loch in der Mitte umkreist. Nur die hellen Stellen auf diesen Ringen liegen an jeweils etwas anderen Stellen, was durch minimale Unterschiede bei der Datenauswahl und Analyse entstanden sei, hieß es bei der Pressekonferenz.
In weiteren Analysen soll erforscht werden, welche Magnetfelder im Umfeld des Schwarzen Lochs wirken und ob es sogenannte Jets gibt, also Ströme, in denen Materie aus dem Umfeld des Lochs in die Tiefen des Alls geschleudert wird. Zudem erhoffen sich die Forschenden Hinweise auf die Grenzen der Einsteinschen Relativitätstheorie, die die Existenz der Schwarzen Löcher und ihre physikalischen Eigenschaften vorausgesagt hat. Bislang sieht es allerdings so aus, als habe Einstein praktisch keinerlei Fehler gemacht. Bereits bei M87* stellten die Forschenden fest, dass Einsteins Voraussagen zu 100 Prozent eingetroffen waren.
Schwarze Löcher haben Pole und einen Äquator
Schwarze Löcher sind nahezu unendlich dichte, gewaltige Ansammlungen von Materie. Ihre extreme Dichte führt zu einer extremen Schwerkraft. Dadurch entsteht ein sogenannter Ereignishorizont, also eine Art unsichtbare Grenze im Weltraum, die sich am besten mit der Kante eines Wasserfalls vergleichen lässt. Alle Energie und Materie, die hinter den Ereignishorizont fällt, kann dem Schwarzen Loch nie wieder entkommen. Die Beschleunigung beim Fall in Richtung Zentrum des Lochs wird größer als die Lichtgeschwindigkeit, weshalb auch Licht nicht mehr entkommen kann. Das sorgt für die namensgebende Schwärze des Lochs und dafür, dass die physikalischen Gesetze, die hinter dem Ereignishorizont gelten, praktisch unbekannt sind.
Allerdings können nach der von Albert Einstein aufgestellten Relativitätstheorie einige Eigenschaften des Schwarzen Lochs bestimmt werden, vor allem über die Wirkung auf seine Umgebung. So lässt sich einerseits seine Masse bestimmen und andererseits sein Drehimpuls, der sogenannte Spin. Wie Sterne und Planeten haben auch Schwarze Löcher senkrechte Achsen, um die sie sich drehen. Materie, die in den Schwerkraftbereich des Lochs gerät, sammelt sich in einer sogenannten Akkretionsscheibe, die oberhalb des Äquators kreist. Nicht alles umkreisende Material fällt schließlich auch hinein. Ein Teil wird durch die enormen Beschleunigungskräfte im Umfeld des Lochs schließlich wieder fortgeschleudert und zwar in sogenannten Jets, also gewaltigen Strömen von Materie, die über den Polen entstehen.
Einstein hatte schon wieder Recht
Das nun veröffentlichte Bild habe die Forschenden selbst überrascht, teilte das vom niederländischen Anstronomen Huip van Lengeveld geleitete Team mit. Sagittarius A* sehe dem bereits vor zwei Jahren veröffentlichten Bild von M87* extrem ähnlich, trotz der deutlich geringeren Größe. Die Forscher rätseln indes noch darüber, in welche Richtung das Schwarze Loch gegenüber der Erde orientiert ist. Die jetzt veröffentlichten Daten lassen einige Forschende vermuten, das Schwarze Loch könnte senkrecht zur Erde stehen, mit seinen Polen also in unsere Richtung schauen. Dann allerdings würde die umgebende Milchstraße nicht in einer Scheibe um den Äquator des Lochs kreisen. Hier sollen weitere Analysen der gesammelten Daten in den kommenden Jahren mehr Hinweise geben.
Ein weiterer Gegenstand der Forschung sind Magnetfelder, die im Umfeld von Sagittarius A* wirken. Auch hier erhoffen sich die Forscher weitere Erkenntnisse von einer Auswertung der Daten. Klar ist aber schon jetzt: Auch das neue Bild beweist erneut die theoretischen Voraussagen von Albert Einstein. Damit ist es nach wie vor nicht gelungen, die Grenze des Geltungsbereichs von Einsteins Theoremen zu finden. Eine solche Grenze ist allerdings wahrscheinlich, denn anders sind die bisher beschriebenen Gesetze der Quantenphysik nicht mit den Relativitätstheorien vereinbar.
(ens)
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