Schulpädagogik Smartphoneverbot an Schulen verbessert Wohlbefinden und Lernleistung
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27. August 2024, 14:52 Uhr
Das Verbot privater Smartphones in Schulen steigert das soziale Wohlbefinden von Schülerinnen und Schülern. Zusätzlich kann es sogar die Lernleistung positiv beeinflussen. Das ist das Ergebnis einer aktuellen Untersuchung der Universität Augsburg. Erst in höheren Klassenstufen sollte der Umgang ermöglicht, aber gut begleitet werden, so die Empfehlung.
Wenn es um private Smartphones in der Schule geht, dann wird schon seit einiger Zeit leidenschaftlich diskutiert, sagt der Schulpädagoge Klaus Zierer. "Wir haben aktuell die große Debatte in vielen Ländern auch in Deutschland, ob Smartphoneverbote an Schulen sinnvoll sind", bilanziert er. Die wissenschaftliche Forschung dazu sei aber überschaubar. Dennoch haben sich die Forschenden der Universität Augsburg im Rahmen einer Metastudie mit der aktuellen Forschungslage beschäftigt, um eine Antwort zu finden.
Bisher nur wenig Forschung
Für ihre Analyse mussten die Forschenden ins europäische Ausland schauen. Denn in Deutschland gibt es Zierer zufolge bisher gar keine empirischen Untersuchungen zu der Frage. Fündig wurden sie aber in Norwegen, Spanien, Tschechien, England und Schweden. "Die Studien erheben, wie sich Smartphoneverbote auf das Wohlbefinden der Schüler in der Schule und auf die Lernleistung auswirken", sagt Zierer.
Die Ergebnisse ließen sich auch auf die Debatte in Deutschland übertragen. Zwar gebe es Unterschiede in der gesellschaftlichen Bedeutung von Bildung zwischen verschiedenen Ländern, aber die europäischen Länder, in denen die betrachteten Studien durchgeführt wurden, seien kulturell so nah, dass "wir hier weniger Sorge haben, dass sich die Studienergebnisse nicht übertragen lassen", bilanziert der Pädagoge.
Größeres Wohlbefinden ohne Smartphones
Trotz der überschaubaren Studienlage fällt das Ergebnis der Untersuchung recht eindeutig aus: Private Smartphones an Schulen zu verbieten, sei förderlich für Wohlbefinden und Lernleistung, so die Forschenden. Besonders stark sei der Effekt hinsichtlich des Wohlbefindens von Schülerinnen und Schülern. "Wenn Kinder nicht mit den privaten Handys in der Schule sind, dann tut das den sozialen Kontakten, den Begegnungen und den Gesprächen gut", so Zierer. Insgesamt verbessere sich das soziale Klima in der Schule, da die Smartphones tendenziell Konflikte beschleunigten. Bei der Lernleistung sei der positive Effekt weniger stark ausgeprägt, aber durchaus vorhanden.
"Unterm Strich können wir festhalten, dass ein Smartphoneverbot an Schulen durchaus sinnvoll ist", bilanziert der Forscher. Allerdings reiche es nicht, die Geräte einfach zu verbieten. "In den Studien ist sehr schön deutlich geworden, dass wir nicht nur ein Verbot umsetzen können, sondern gleichzeitig immer auch überlegen müssen, welche pädagogische Begleitung brauchen Kinder?" Das heiße konkret, so Zierer, je älter die Schülerinnen und Schüler werden, desto mehr Freiheiten könne man ihnen bei der privaten Smartphonenutzung zugestehen, wenn das entsprechend begleitet werde, damit auch ein verantwortungsvoller Umgang mit der Technologie erlernt werde.
Handy-Verbote an Schulen – wer macht denn sowas?
In Deutschland sind Handyverbote an Schulen seltene Ausnahmen und werden nicht bundesweit eingesetzt, denn Schule und Bildung sind Ländersache. Auch der deutsche Lehrerverband hat sich zuletzt im vergangenen Herbst gegen ein generelles Handyverbot in Schulen aus. Dieses sei nicht durchsetzbar.
In Italien gilt ein strenges Handy-Verbot im Unterricht. Auch für Lernzwecke darf es dort nicht genutzt werden.
In den Niederlanden gilt seit diesem Jahr eine Art Handyverbot als „dringende Empfehlung“ an weiterführenden Schulen. Im Klassenzimmer sind Smartphones nicht mehr erlaubt.
In den USA haben in diesem Jahr haben bisher mindestens acht Bundesstaaten Gesetze erlassen, Anordnungen erlassen oder Regeln eingeführt, um die Handynutzung von Schülern während der Schulzeit einzuschränken.
Die Schulen müssten Strategien entwickeln, wie ein Verbot genau ausgestaltet, wie es kontrolliert werde und wie es wirkungsvoll pädagogisch begleitet werden könne, erklärt der Forscher. Dabei könnten etwa auch andere Studien helfen, beispielsweise aus der Neuropsychologie. "Aus der wissen wir, dass Kinder bis zu einem bestimmten Alter überhaupt nicht in der Lage sind, die sozialen Medien vernünftig zu verarbeiten, da der präfrontale Cortex noch nicht entsprechend ausgebildet ist." Aufbauend auf diesen Erkenntnissen müsse deshalb ein Konzept für das Smartphoneverbot mit pädagogischer Begleitung vernünftig aufgestellt werden.
Die Empfehlung von Schulpädagoge Zierer ist es, Smartphones in der Schule zu verbieten, aber mit einem sinnvollen Regularium, ab welcher Jahrgangsstufe die Geräte in einem festgelegten Rahmen erlaubt werden. "Das ist definitiv noch nicht in der Sekundarstufe eins. Aber dass man den Älteren dann begleitet und reguliert die Möglichkeit eröffnet", so der Forscher. "Also nicht in der Mensa, aber vielleicht in einzelnen Zonen ist es dann erlaubt, diese Geräte zu nutzen, aber immer mit Begleitung." Es sei wichtig, das Verbot mit Bildungsmaßnahmen zu kombinieren, die die Medienkompetenz der Schülerinnen und Schüler fördern. Und ganz zentral sei, so die Forschenden, mit den Kindern und Jugendlichen über das Verbot, die Regeln und die Gründe dafür zu sprechen. "Es ist wichtig, schrittweise Handlungsspielräume zu eröffnen, um so die Schüler Schritt für Schritt in eine Medienmündigkeit zu führen."
Was in der Freizeit passiert, ist ein anderes Thema, aber an Schulen ist es der Bildungsauftrag.
Digitale Bildung trotz Smartphoneverbot wichtig
Die Augsburger Forscher betonen, dass es bei einem Verbot explizit nicht um alle digitalen Geräte, sondern explizit um private Smartphones gehe. Andere digitale Medien wie etwa Schultablets in Klassensätzen oder digitale Schulbücher sollten, da wo sie sinnvoll sind, eingesetzt und der Umgang mit ihnen geübt werden, sagt Pädagoge Zierer. Das sei aber auch nicht die problematische Nutzung, sondern eher die auf dem Pausenhof, die dazu führe, dass Kinder weniger miteinander interagierten. "Gibt es dieses Verbot, kommen die jungen Menschen auf einmal wieder aufeinander zu, sprechen miteinander, tauschen sich aus, spielen miteinander und das müssen wir aus pädagogischer Sicht an Schulen unbedingt unterstützen", erklärt Zierer. "Was in der Freizeit passiert, ist ein anderes Thema, aber an Schulen ist es der Bildungsauftrag."
Die Augsburger weisen darauf hin, dass weitere Forschung notwendig sei. So könnten längere Studien dazu dienen, die langfristigen Effekte von Smartphoneverboten auf die soziale und schulische Entwicklung von Kindern und Jugendlichen zu untersuchen. Außerdem könnte gezielte Forschung helfen, effektive pädagogische Strategien zu entwickeln.
Die Frage, die jedoch unbeantwortet bleibt, ist die nach der Machbarkeit. Ob eine intensive pädagogische Begleitung eines Smartphoneverbots angesichts des großen Mangels beim Lehrpersonal in der Praxis überhaupt umsetzbar ist, bleibt offen.
Link zur Studie
Böttger, Tobias; Zierer, Klaus: To Ban or Not to Ban? A Rapid Review on the Impact of Smartphone Bans in Schools on Social Well-Being and Academic Performance. In: Educ. Sci. 2024, 14(8). https://doi.org/10.3390/educsci14080906.
(kie)
Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | 31. Juli 2024 | 09:23 Uhr
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