Ernährung Mikrobiom: Pflegen Sie Ihre Darmbakterien

01. Juli 2020, 19:51 Uhr

Hastiges Essen, die falschen Lebensmittel, vielleicht Antibiotika: Werden die Bakterien im Darm gestört, macht sich das Verdauungsorgan mit Blähungen und Völlegefühl bemerkbar. Daran kann man etwas ändern.

Wir Menschen können unser Essen nicht allein verdauen. Um aus Gemüse, Obst, Brot und Milch Lebensenergie zu machen, brauchen wir die Hilfe unserer Mitbewohner im Darm. Über 38 Billionen Mikroorganismen leben dort – mehr als unser Körper Zellen hat. Wie wichtig diese Bakterien, Viren, Hefen und Pilze für uns sind, beginnt die Wissenschaft gerade erst zu verstehen.

Wir brauchen unsere Bakterien

Und auch Menschen wie Wissen-Reporterin Daniela Schmidt lernen gerade erst, dass man auf die Kleinstlebewesen im Bauch gut aufpassen sollte. Sie selbst hat das lange Zeit nicht getan und hat deshalb ein paar Probleme mit der Verdauung. "Also nach fast jedem Essen fühle ich mich voll. Und ich bin schon mehrmals früher von einer Party gegangen, weil es in meinem Bauch so gerumpelt hat", sagt sie.

Die Gründe dafür sind vielfältig. Oft nimmt sich Daniela zu wenig Zeit und isst dann hastig. Als Radiomoderatorin hat sie zudem wechselnde Schichten, arbeitet mal am Tag und mal in der Nacht und bringt dementsprechend ihre Verdauung immer wieder durcheinander. Für unseren Podcast "Meine Challenge" stellt sie sich deswegen der Herausforderung: Wie kann sie ihren Bauch wieder in Ordnung bringen?

Gestörte Bakterienkulturen führen zu Verdauungsproblemen und Durchfällen

Klar ist, sie braucht dabei die Hilfe zahlreicher Bakterien. Denn unsere Verdauung haben wir Menschen nicht allein im Griff, wir brauchen dafür unser Mikrobiom – die Lebensgemeinschaft, die uns beim Zersetzen unseres Essens hilft und schlechte Eindringlinge bekämpft. Es kann selbst zum Problem werden, etwa, wenn Bakterien dazukommen, die wir nicht kennen. Albrecht Hoffmeister ist Professor für Gastroenterologie – also der Wissenschaft vom Darm – am Universitätsklinikum Leipzig. Er erklärt: "Wenn wir Urlaub machen und in ein anderes Land fahren, wo andere Keime üblich und verbreitet sind, muss sich unser Körper erstmal dran gewöhnen und reagiert dann häufig mit Durchfall."

Daniela hat ein anderes Problem. Vor kurzem litt sie an einer Blasenentzündung. Und dagegen nahm sie über einige Wochen hinweg Antibiotika ein. "Antibiotika sind Medikamente, die Bakterien töten, nicht nur die, die in der Blase ihr Unwesen treiben, sondern sie erwischen auch immer welche mit im Darm, die da eigentlich hingehören", sagt Hoffmeister. "Und so werden die guten Bakterien durcheinander gebracht und das kann zu Verdauungsproblemen und Durchfällen führen."

Ernährungstipp: Gute Bakterien füttern

Ein Teil des Bauchgrummelns könnte also damit zu tun haben, dass die Bakteriengemeinschaft ordentlich durcheinander gewirbelt wurde. Aber wie kann Daniela ihre Mitbewohner wieder glücklicher machen? Auf solche Fragen weiß Juliane Schubinski Rat. Schubinsiki ist diplomierte Ernährungsberaterin mit eigener Praxis im Leipziger Musikviertel.

Wenn wir über Blähungen oder guten Stuhlgang sprechen, wäre es emfpehlenswert, die guten Bakterien mit Gemüse zu füttern, damit die sich vermehren können. Oder eben gute Bakterien dem Körper zuzuführen in Form von stichfestem Joghurt zum Beispiel oder andere gesäuerte Milchprodukte oder auch andere gesäuerte Gemüsesorten.

Juliane Schubinski, Ernährungsberaterin

Kreislauf: Schlechte Atmung, weniger Bakterien, weniger Verträglichkeit

Gute Bakterien mögen es also sauer – neben Joghurt helfen auch saure Gurken oder Sauerkraut. Sie machen die Wohngemeinschaft im Bauch wieder ein bisschen glücklicher. Die gute Nachricht für Menschen, die vegan leben oder keinen Milchzucker vertragen: Auch Sojaghurts enthalten die richtigen Mikroorganismen.

Daneben hilft auch ein bewussterer Umgang mit sich selbst, sagt Juliane Schubinski. Denn wie viele Menschen atmet auch Daniela Schmidt häufig flach. Dass sie damit auch den Bakterien im Darm schadet, hat sie bislang nicht gewusst.

Gerade wenn man viel Stress hat und deshalb eine schlechtere Atmung, wird auch die Darmschleimhaut schlechter versorgt und dann können auch Bifidobakterien, die eher positiv sind, weniger werden. Weniger Bifidobakterien produzieren weniger Schleim, dann hat man eine geringere Darmschleimhaut und dann kommt auch die fehlende Laktase um den Milchzucker zu spalten und so weiter, dann geht der Kreislauf los.

Juliane Schubinski, Ernährungsberaterin

Wissenschaftlich nicht belegt: Nutzen von Mikrobiom-Analysen fragwürdig

Daniela bekommt im Netz auch immer wieder Anzeigen zu sehen, die Werbung machen für Tests ihres Mikrobioms. Die Anbieter versprechen, aus einer Probe der Darmbakterien ablesen zu können, welche Ernährung der Danielas Gesundheit weiterhilft. Albrecht Hoffmeister, selbst Forscher am Uniklinikum Leipzig, hält wenig von solchen Angeboten. "Wir lernen gerade, dass das Mikrobiom auch Einfluss auf unser Wohlbefinden hat und damit natürlich auf die Gesamtgesundheit. Aber welche Bestandteile des Mikrobioms hier gezielt welchen Effekt haben, ist überhaupt nicht bekannt."

Es bleibt also bei den bekannten Tipps, weniger Stress und mehr Joghurt können der Verdauung schon weiterhelfen. Daneben vielleicht auch quellende Mittel wie Flohsamenschalen. Und viel Geduld sollte Daniela mitbringen. In ein bis zwei Wochen wird sich noch wenig tun, glauben der Forscher und die Ernährungsberaterin. Nach mehreren Monaten hingegen sollte sie langsam eine Verbesserung in ihrem Bauch bemerken. So lange dauert es, bis sich die kleinen Mitbewohner im Darm erholt haben.

Internationale Darmforschung

Das Forschungsprojekt "Amercian Gut" sammelt übrigens gerade in großem Stil Stuhlproben von Menschen in den USA. Die Forscher wollen auf diese Weiste mehr erfahren über die verschiedenen Mikrobiome und wie die Bakteriengemeinschaften mit Krankheiten zusammenhängen. Für Europäer gibt es das Partnerprojekt "British Gut". Wer teilnehmen möchte, muss ein Probenkit bestellen und bezahlen, bekommt dafür aber auch die Auswertung der Analyse seiner Darmbakterien. Eine Interpretation der Daten und Handlungsempfehlungen gibt es allerdings nicht. Aktuell ist British Gut allerdings wegen Corona ausgesetzt.

Einige Hintergrundvideos vom ARD-Magazin W wie Wissen zur Forschung rund um den Darm gibt es hier.

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