Zebrafische im Wasser: Kleine Fische mit markanten schwarz-weißen Längsstreifen vor Hintergrund mit (teils unscharfen) grünen Wasserpflanzen.
Bildrechte: imago/blickwinkel

Wissen-News Sich selbst regenerierende Netzhaut: Vom Zebrafisch lernen, heißt (wieder) sehen lernen

26. August 2024, 14:24 Uhr

Zebrafische können abgestorbene Netzhautzellen des Auges durch körpereigene Stammzellen regenerieren. Und wie eine Dresdner Forschungsgruppe nun erstmals nachgewiesen hat, ist die Sehkraft danach wie "neu". Das ist ein wichtiger Meilenstein auf dem Weg zum Ziel der medizinischen Forschung, erblindeten Menschen ihre volle Sehkraft wiedergeben zu können.

Der Zebrafisch (eigentlich Zebrabärbling) ist nicht nur ein beliebter Aquariumfisch, sondern auch in Forschungslaboren sehr oft anzutreffen. Das kleine Tier benötigt wenig Platz, hat einen kurzen Generationszyklus (Geschlechtsreife nach zwölf bis 16 Wochen) und Fähigkeiten, auf die Menschen nur neidisch sein können. So kann der Zebrafisch abgestorbenes Gewebe im Herzen nachbilden, auch abgetrennte Flossen wachsen nach, selbst Nervenzellen im Gehirn erneuern sich.

Und dieser kleine Fast-alles-Könner der Regeneration schafft es auch, abgestorbene Netzhautzellen im Auge zu erneuern. Auf einer gesunden Netzhaut fangen spezielle Sehzellen, die Photorezeptoren, das Licht ein und wandeln es in elektrische Signale um. Beim Menschen können sich diese Photorezeptoren nicht regenerieren. Sterben sie ab, führt dies (nach derzeitigem medizinischem Stand) zu dauerhafter Erblindung.

Ein vielversprechender Ansatz, der am Zentrum für Regenerative Therapien der TU Dresden (CRTD) verfolgt wird, ist die Regeneration der Zellen aus körpereigenen Stammzellen der Retina, den so genannten Müller-Glia-Zellen. Beim Zebrafisch funktioniert das. Er kann Teile seines Nervensystems, einschließlich der Netzhaut und ihrer Photorezeptoren, selbst nach schweren Schäden vollständig erneuern. Die Müller-Glia-Zellen bilden dabei, als spezialisierte Stammzellen der Netzhaut, die neuen Photorezeptoren.

Schlummert die Fähigkeit zur Regeneration auch in uns Menschen?

"Auch beim Menschen gibt es ähnliche Müller-Glia-Zellen. Diese haben im Laufe der Evolution allerdings ihre Fähigkeit zur Regeneration verloren. Vielleicht können wir diesen Prozess aber wieder ankurbeln", sagt Neurobiologe Michael Brand. "Es ist jedoch entscheidend, festzustellen, ob die neu entstandenen Photorezeptor-Zellen wieder genauso effektiv funktionieren wie die ursprünglichen."

Und genau das hat das Dresdner Team nun nachgewiesen – mit Hilfe eines speziell dafür entwickelten Mikroskops, das die gleichzeitige Stimulation und Beobachtung der lebenden Zebrafisch-Netzhaut ermöglichte. So konnte das Brand-Team zeigen, dass die regenerierten Photorezeptoren ihre normale physiologische Funktion wiedererlangen. Sie reagieren auf Licht, übertragen das elektrische Signal an die Nachbarzellen und tun dies mit der gleichen Empfindlichkeit, Qualität und Geschwindigkeit wie ursprüngliche Photorezeptoren in einer intakten Netzhaut. Zebrafische können anschließend wieder vollständig sehen.

Zebrafisch-Photorezeptorzellen, stimuliert mit blauem Licht, zeigen korrekte elektrische Aktivität. Das Bild wurde mit einem speziell für diese Studie entwickelten Mikroskop aufgenommen.
Bildrechte: Michael Brand, Evelyn Abraham (CRTD)

Und wie kann dieses Wissen erblindeten Menschen helfen? "Menschen und Fische haben gemeinsame evolutionäre Wurzeln, und der größte Teil der Gene und Zelltypen ist immer noch konserviert zwischen Fisch und Mensch", sagt Michael Brand. "Daher hoffen wir, dass es uns gelingt, diesen 'Regenerationstrick' vom Zebrafisch auf den Menschen zu übertragen."

Was seine Gruppe tue, sei zwar Grundlagenforschung, betont Brand, und bis zur klinischen Anwendung sei es noch ein langer Weg. "Doch die Möglichkeit, aus körpereigenen Stammzellen eine funktionierende Netzhaut nachwachsen zu lassen, könnte die Behandlung von Augenkrankheiten wie Retinitis pigmentosa oder Makuladegeneration revolutionieren. Unsere Studie ist ein weiterer wichtiger Schritt in diese Richtung."

Links / Studien

(rr, pm)

Wissen

Die Illustration zeigt eine junge Frau mit langen roten Haaren und einem weißen Shirt. 34 min
Bildrechte: MDR/Jessica Brautzsch

MDR Fr 20.10.2023 12:00Uhr 33:43 min

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Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN - Das Sachsenradio | 24. April 2024 | 11:01 Uhr

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