Ausschnitt des Gehirns im Bereich des Hippocampus. Dabei wurde die faserige Architektur mithilfe von 3D-polarisierter Lichtgebung sichtbar gemacht.
Ausschnitt des Gehirns im Bereich des Hippocampus. Dabei wurde die faserige Architektur mithilfe von sogenanntem dreidimensionalem Polarized Light Imaging sichtbar gemacht. Bildrechte: Markus Axer and Katrin Amunts, INM-1, Forschungszentrum Jülich

"Human Brain Project" Neue Einsichten ins Gehirn: Stärker vernetzt, als wir bisher dachten

04. November 2022, 15:43 Uhr

Die linke Gehirnhälfte fürs rationale Denken und die rechte für die Kreativität? Diese Ansicht ist passé. Ein internationales Forscherteam hat das Gehirn mit einer neuen Analysemethode detailliert durchleuchtet und eine starke Vernetzung entdeckt. Dabei komme es vor allem auf die Axone an, sagen die Experten.

An der Untersuchung, die es auf das aktuelle Titelblatt von "Science" geschafft hat, waren Forschende aus den Deutschland, den Niederlanden, Frankreich und Italien beteiligt. Sie ist Teil des "Human Brain Project", einer Forschungsinitiative der Europäischen Kommission, mit der das gesamte Wissen über das menschliche Gehirn zusammenfasst werden soll. In dieser Studie ging es um das sogenannte Konnektom, also die Gesamtheit der Verbindungen im Nervensystem und wie es auf verschiedenen räumlichen Ebenen verknüpft.

Die Wissenschaftler um Katrin Amunts und Markus Axer vom Forschungszentrum Jülich entwickelten dafür eine neue Methode namens "dreidimensionales Polarized Light Imaging" (3D-PLI). Damit können Nervenfasern auf mikroskopischem Niveau sichtbar gemacht werden. Vor allem die länglichen Fortsätze von Nervenzellen, die sogenannten Axone, können so in hoher Auflösung visualisiert und untersucht werden. Die Ergebnisse fließen auch in den "Julich Brain Atlas" ein, bei dem 24.000 Hirnschnitte digitalisiert und kartiert wurden und der dauernd erweitert wird.

Verbindung von mikro- und makroskopischen Ansätzen

"Wir erläutern in Science, wie unser Gehirn vernetzt ist, angefangen von den Kontaktstellen einzelner Nervenzellen bis hin zu Verbindungen zwischen verschiedenen Hirnregionen – und welcher Methoden es bedarf, um diese verschachtelte Organisation zu verstehen", erklärt Katrin Amunts die Untersuchung. Bisher hätten vor allem detaillierte Informationen über den Verlauf der Axone gefehlt, besonders im menschlichen Gehirn. Dabei seien sie entscheidend für die Verschaltung im Netzwerk und deren Funktion. Und hier besonders im Bereich des Hippocampus, der für die Gedächtnisbildung und für Lernprozesse bedeutend ist.

Die neuartige 3D-PLI-Methode fungiere dafür als Brücke zwischen mikro- und makroskopischen Ansätzen, so Amunts. "Das liegt daran, dass 3D-PLI die Architektur der Nervenfasern in hoher Auflösung darstellt und gleichzeitig die Bildgebung von ganzen Bereichen des Gehirns erlaubt, sodass wir diese dann in 3D rekonstruieren und so die Verbindungen zwischen den Fasern nachvollziehen können." Mithilfe des "Julich Brain Atlas" konnten die Forschenden diese Strukturen schließlich genau im Gehirn verorten. In Zukunft soll neben diesem "Leuchtturmprojekt" für die Erforschung des Hippocampus im Rahmen des "Human Brain Project" nun noch weitere Gehirnbereiche untersucht werden.

Links/Studien

Die Studie "Scale matters: The nested human connectome" ist am 03.11.2022 im Fachjournal "Science" erschienen.

cdi/pm

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