Covid-19 5.102 neue Corona-Fälle – Mediziner: Eris und Pirola sind nicht das Problem
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08. September 2023, 15:29 Uhr
Mit dem Ferienende bringen Reiserückkehrende auch neue Coronavarianten mit. Zuletzt wurden über 5.000 neue Infektionen gemeldet. Sorgen bereitet Medizinern wie Sandra Ciesek oder Leif-Erik Sander aber etwas Anderes.
Hinweis: Dieser Beitrag bezieht sich auf die bis zum 3. September 2023 verfügbaren Daten. Aktuellere Werte finden Sie hier:
- Das Robert Koch-Institut meldet aktuell über 5.000 Corona Neuinfektionen, allerdings sind die Daten durch sehr selten gewordene Tests ausgesprochen lückenhaft und die Zahl tatsächlicher Ansteckungen wahrscheinlich um ein vielfaches höher.
- Mediziner schätzen die aufgebaute Bevölkerungsimunität als ausreichend stabil ein, dass schwere Erkrankungen nur noch sehr selten vorkommen.
- Von den neuen Virusvarianten Eris und Pirola gibt es noch wenig Daten, sie scheinen aber nicht zu schwereren Krankheitsverläufen zu führen. Der Personalmangel in den Kliniken gilt als viel größeres Problem.
Die Zahl neuer Corona-Infektionen steigt seit einigen Wochen wieder. Wie viele Menschen in Deutschland derzeit aber an Sars-CoV-2 erkrankt sind, darüber können Fachleute nur Schätzungen abgeben. Die 5.102 gemeldeten Fälle in der Woche bis zum 3. September dürften nur die Spitze eines Eisbergs sein, denn einen PCR-Test zum Nachweis des Virus wird nur noch selten durchgeführt, etwa bei Patienten im Krankenhaus, die Symptome einer Infektion zeigen oder in den ausgewählten Hausarztpraxen des Sentinelsystems des Robert Koch-Instituts.
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Zudem gibt es ein Abwasser-Monitoring in bis zu 40 deutschen Kläranlagen. Allerdings melden nicht alle dieser Anlagen jede Woche regelmäßig Daten. Daneben sind sie nicht repräsentativ über Deutschland verteilt und es gibt eine hohe Störanfälligkeit, etwa durch Regenfälle, die das Abwasser verdünnen. Die Datenlage zu Corona ist in Deutschland aktuell also sehr begrenzt, erläutern Mediziner bei einer Videokonferenz des Science Media Centers am Mittwoch.
Nicht wenige Menschen ignorieren eine mögliche Coronainfektion, wenn die Symptome nicht stärker sind als bei einem gewöhnlichen Schnupfen. Dass es doch Sars-CoV-2 ist, zeigt im besten Fall ein zuhause durchgeführter Selbsttest. Anekdotische Evidenz, also Berichte aus dem persönlichen Umfeld, zeigen aktuell ein starkes Ansteckungsgeschehen. Das gilt auch für den Familien- und Bekanntenkreis der Frankfurter Virologin Sandra Ciesek. "Sehr viele dieser Infektionen passieren nach der Rückkehr aus dem Urlaub", berichtet sie.
Richtig beunruhigend findet sie diese Entwicklung aber nicht, genauso wenig wie Leif-Erik Sander, Immunologe an der Berliner Charité. "Es gibt eine breite Immunität in der Bevölkerung durch Impfungen und Infektionen", sagt er. Diese werde auch bei neuen Varianten des Coronavirus weitgehend vor schweren Erkrankungen schützen.
Neue Coronavarianten Eris und Pirola gehören immer noch zu Omikron
Auch der Intensivmediziner Stefan Kluge vom Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf sieht derzeit in Corona keinen Grund zur Besorgnis. Aktuell seien 182 Patienten mit Covid-19 in seiner Klinik, jedoch nur bei der Hälfte davon sei das Virus auch der Grund für den Krankenhausaufenthalt. Sie stellten etwa ein Prozent der Behandlungen auf den Intensivstationen dar. "Wir beobachten ein Infektionsgeschehen, aber es verläuft relativ ruhig gerade", sagt er.
Die neu entstehenden Varianten wie Eris (EG.5), das bereits in Deutschland nachgewiesen wurde und Pirola (BA.2.86), das derzeit auf der Welt vermehrt in Laboren festgestellt wird, sorgen nach aktuellem Erkenntnisstand nicht für schwerere Erkrankungen. Beide Varianten zeigen zwar eine ganze Reihe von Mutationen. Bei Pirola etwa gibt es rund 35 neue Veränderungen im Vergleich zu der im Frühjahr zirkulierenden XBB.1.5-Variante. Dennoch sei das Virus weiterhin der Omikron-Linie zuzurechnen und stamme klar von der BA.2-Variante ab. "Solange es Omikron bleibt, beunruhigt es mich nicht", sagt Ciesek.
Bei Eris gibt es Daten von Versuchen mit Hamstern, die im Vergleich zu vorherigen Omikron-Untervarianten nicht stärker erkranken. Für BA.2.86 liegen solche Untersuchungen zwar noch nicht vor, sondern nur Tests mit Zellkulturen. Aber auch diese deuten nicht auf ein gefährlicher werdendes Virus hin. Laut Ciesek gebe es noch nicht begutachtete Studien, wonach das Virus wieder häufiger Zellen in der Lunge befalle. "Das bedeutet, der Tropismus [Anm. Red.: die Fähigkeit zum Befallen bestimmter Zellen] des Virus hat sich möglicherweise verändert." Aber auch das gehe nicht mit schweren Krankheitsverläufen einher.
Personalmangel auf Intensivstationen - Intensivbetten müssen leer bleiben
Bedenklicher sei aus Sicht der Mediziner, dass im Herbst auch andere Atemswegsviren hinzukommen. Noch hat die Welle von Influenza- und RSV-Ansteckungen nicht begonnen. Wie im vergangenen Jahr, könnten dann aber neue Superinfektionen anstehen, wenn sich Patienten mit mehreren Viren und anschließend noch mit bakteriellen Erregern ansteckten.
Ein richtiges Problem ist dabei vor allem die Personallage auf den Intensivstationen. Weil es an Pflegerinnen und Pflegern fehlt, können schätzungsweise ein Viertel der Betten auf den Stationen aktuell nicht belegt werden, weil sich niemand um die Patienten kümmern könnte.
Impfungen mit XBB.1.5-Impfstoff nur für Risikogruppen wichtig
Leif-Erik Sander empfiehlt gefährdeten Menschen daher eine weitere Impfung mit einem aktuell an die Variante XBB.1.5 angepassten Impfstoff. "Die bisherige Studienlage zeigt, dass Booster-Impfungen die Sterblichkeit immer verringert haben." Befürchtete negative Effekte durch zu viele Impfdosen, etwa eine falsche Vorprägung des Immunsystem (Immune Imprinting), seien bislang nicht beobachtet worden. Allerdings seien zusätzliche Impfdosen wohl nur für Menschen mit angeschlagener Gesundheit hilfreich: "Gesunde Personen haben wahrscheinlich keinen zusätzlichen Nutzen durch weitere Impfungen", so Sander. Hier reiche die etablierte Immunität durch Impfungen und Infektionen aus.
Wichtig sei ihm, auf einen oftmals häufig vergessenen Effekt durch Virusinfektionen hinzuweisen. "Mein weiß schon von der Grippe oder anderen viralen Infektionen, dass es nach der Genesung vermehrt Herzinfarkte oder andere kardiovaskuläre Folgen gibt. Impfungen verringern diese Folgen, genau wie antivirale Therapien, wenn es doch zur Infektion kommt", rät er.
Dieses Thema im Programm: Das Erste | BRISANT | 05. September 0023 | 17:21 Uhr
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