ESA Weltraumteleskop Euclid soll dunkle Energie und dunkle Materie entschlüsseln helfen
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27. Juni 2023, 16:20 Uhr
Am 1. Juli 2023 will die europäische Raumfahrtbehörde Esa ihr neues Weltraumteleskop Euclid ins Weltall bringen. Es soll mindestens ein Drittel des bekannten Universums durchmustern und der Wissenschaft neue Hinweise auf das mysteriöse Wesen von dunkler Materie und dunkler Energie liefern.
Dunkle Energie und dunkle Materie sind die beiden Rätsel der Astrophysik: Aus ihren Beobachtungen des Alls wissen Forscher, dass es deutlich mehr Materie geben muss als in den Teleskopen sichtbar ist und dass eine rätselhafte Kraft die Ausdehnung des Universums ständig beschleunigt. Doch was genau dunkle Materie und dunkle Energie sind, ist bislang völlig unbekannt. Europas neues Weltraumteleskop Euclid soll hier nun Abhilfe schaffen.
Das Teleskop soll einen Drittel des bisher bekannten Universums durchmustern und dabei ins Blickfeld rücken, wo sonst die wenigsten Teleskope hinschauen: in die dunklen Bereiche, abseits der Milchstraße und großer Sternenkonstellationen. Am kommenden Sonnabend (1. Juli) soll Eucid ins All abheben.
SpaceX bringt Euclid ins All
Die Esa setzt bei diesem Start nicht auf die eigene Rakete Ariane, sondern auf das private Unternehmen SpaceX. Dessen Falcon 9 soll Euclid ins Weltall bringen. Die europäische Behörde hat dafür sehr eng mit der US-Firma zusammengearbeitet, erklärt Andreas Rudolph in einer Pressekonferenz der Esa von 23. Juni 2023. Er ist der Flugdirektor am Esoc, dem europäisches Raumflugkontrollzentrum in Darmstadt.
Für SpaceX ist der geplante Flug zwar kein Neuland, so Rudolph, doch "zumindest sehr besonders, weil die diese Art von Missionen doch recht einzigartig sind. Von daher war die Interaktion sehr intensiv". Damit hat die Esa auch zum ersten Mal einen direkten Vertrag mit SpaceX abgeschlossen. Das Weltraumteleskop soll am 1. Juli 2023 um 17:11 Uhr (MESZ) vom Weltraumbahnhof Cape Canaveral an der Atlantikküste vor Florida (USA) aus starten. In den USA wird es dann 11:11 Uhr sein.
Betriebsbeginn von einem besonderen Punkt im Universum aus
Nach dem Start wird das Teleskop für 30 Tage unterwegs sein und sich zum Lagrange-Punkt (L2) machen. Ein bedeutender Gleichgewichtspunkt im Weltall, an dem die Anziehungskräfte von Erde und Sonne ähnlich stark sind. Raumsonden, die diesen Punkt umkreisen, benötigen deswegen viel weniger Treibstoff, da sie nicht so stark gegen die Anziehungskräfte der Himmelskörper ankämpfen müssen.
Auch das berühmte James-Webb-Weltraumteleskop und das Röntgeninstrument eRosita befinden sich an diesem Ort, der mit 1,5 Millionen Kilometern vier bis fünf Mal so weit von der Erde entfernt ist, wie der Mond.
Zwei Wochen Reise wird es dauern, bis die Instrumente von Euclid auf die richtige Betriebstemperatur abgekühlt sind und den Betrieb aufnehmen können. Nach weiteren zwei Wochen erreicht das Teleskop sein Ziel. Innerhalb der nächsten ein bis drei Monate werden die wissenschaftlichen Instrumente getestet, bevor Euclid dann seinen Dienst zur Durchmusterung des Universums mit einer 600 Megapixel-Kamera offiziell antreten kann.
Euclid soll pro Sekunde 9,2 Megabyte Daten zur Erde senden
Dann wird das Teleskop am Tag bis zu 100 Gigabyte an Rohdaten aufnehmen und zur Erde schicken. Im Verhältnis würde das etwas 30 bis 40 Kinofilme pro Tag bedeuten, sagt Markus Kissler-Patig in der Pressekonferenz. Er leitet bei dieser Esa-Mission den Bereich Wissenschaft und Betrieb.
Laut Rudolph entspricht das circa der dreifachen Datenerfassung des Weltraumteleskops James Webb. Entsprechend wird das Teleskop auch eine wesentlich höhere Datenrate zur Erde senden: "Das ist eine Größenordnung von circa 9,2 Megabyte pro Sekunde – das hört sich jetzt nicht nach viel an, doch es ist für ein Weltraumteleskop in dieser Entfernung eine ganz schöne Herausforderung"
Das Universum Das Universum ist nach bisherigen Beobachtungen und Berechnungen etwa 14 Milliarden Jahre alt, also nur etwa dreimal älter als die Sonne. Frühere Durchmusterungen zeigten, dass es etwa zehn Trilliarden (10^22) Sterne gibt. Astronom Kissler-Patig sagt, dass sei zwar eine hohe Zahl, jedoch sei sie immer noch geringer als die Anzahl lebender Organismen in den Ozeanen der Erde. Für ihn folgt: Wir leben in einem relativ kleinen, noch jungen Universum.
Die Suche nach der Dunkelheit?
Euclid ist eine astrophysikalische Mission, bei der es um Kosmologie geht. Mit dieser Mission möchte das Team eine 3D-Karte des Universums erstellen. Eigentlich sogar eine 4D-Karte, erklärt Kissler-Patig. Die vierte Dimension wird die Vergangenheit sein. Denn mit diesem Datensatz werden sie ungefähr zehn Milliarden Jahre in der Zeit zurückschauen können.
Mit dem Weltraumteleskop wollen die Wissenschaftler und Astrophysikerinnen der Esa auch das Standardmodell der Kosmologie prüfen. Denn es gibt offene Fragen, etwa die zu dunkler Materie und dunkler Energie.
Das Mysterium der dunklen Materie und dunklen Energie
In der Physik, die wir von der Erde kennen und die im gesamten Universum zählt, gibt es vier grundsätzliche Kräfte: Starke Wechselwirkung, schwache Wechselwirkung – die passieren auf atomarer Ebene – sowie Elektromagnetismus (alles was mit Licht zu tun hat) und Schwerkraft.
Doch wenn man alle sichtbare Materie, die wir kennen, zusammen nimmt, reicht deren berechnete Schwerkraft nicht aus, um Galaxien zusammenzuhalten. Rein nach den beobachteten Bewegungen müssten sie eigentlich auseinanderdriften. Die leuchtende und für uns sichtbare Materie scheint also nur einen kleinen Teil der vorhandenen Schwerkraft auszumachen.
Die Fachwelt bezeichnet es Materie, weil es Schwerkraft ausübt. Und sie nennt es dunkel, weil sie nicht leuchtet und damit nicht mit Elektromagnetismus zu tun hat. Diese große Unbekannte hat nichts mit der Physik gemein, die Forschende auf der Erde erkundet haben, erklärt der Missionsexperte.
Dann gibt es noch eine Kraft, die das Universum auseinandertreibt. Jedoch können selbst dunkle und leuchtende Materie zusammen nicht so viel Energie für die Expansion des Weltalls aufbringen. Und diese Kraft nennt die Fachwelt dunkle Energie.
Wimps und Axionen: Woraus dunkle Materie bestehen könnte
Woraus dunkle Materie und dunkle Energie tatsächlich bestehen, ist unklar. Jedoch gibt es mehrere hypothetische Kandidaten dafür. Die dunkle Materie könnte beispielsweise aus Wimps oder Axionen besten, zwei Formen von Elementarteilchen, die noch nie beobachtet wurden, theoretisch aber existieren könnten.
Wimps steht für Weakly Interacting Massive Particles und beschreibt hypothetische schwere, schwach wechselwirkende subatomare Teilchen. Bei Axion handelt es sich um ein hypothetisches Elementarteilchen ohne elektrische Ladung und mit Spin (Eigendrehimpuls). Würden diese Teilchen existieren, könnten sie erklären, warum sie nicht mit Hilfe von Licht beobachtet werden können, denn Licht ist elektromagnetische Strahlung, eine der vier Fundamentalkräfte des Universums.
Dunkle Materie könnte für Licht unsichtbar sein - aber atomare Wechselwirkung entfalten
"Von den vier Fundamentalkräften lässt die dunkle Materie die elektromagnetische Wechselwirkung eben aus", erörtert Kissler-Patig. Dafür kann dunkle Materie mit den drei anderen Fundamentalkräften interagieren.
Wimps sind die Kandidaten, die sich mit schwacher Wechselwirkung und Schwerkraft auseinandersetzen. Axione haben etwas mit starker Wechselwirkung zu tun. Nun ist die offene Frage, ob es in der dunklen Materie starke oder schwache Wechselwirkung gibt. Auf der Erde wurde diese Materie noch nicht entdeckt, weswegen die Suche so schwer ist.
Dunkle Energie: Grundlegende Eigenschaften müssen noch verstanden werden
Für Euclid macht es keinen Unterschied, ob die dunkle Materie nun aus Axionen oder Wimps besteht. Es geht um die Materienverteilung der dunklen und sichtbaren Materie im Universum. "Das Spannende an Euclid ist", so Kissler-Patig, "dass wir eventuell auf irgendwas treffen, das wir überhaupt nicht erwartet haben und wofür wir eine ganz andere Physik brauchen". Das würde aber auch bedeuten, dass das Standardmodell der Physik noch nicht vollständig ist.
Bei der dunklen Energie sieht es anders aus. "Meines Wissens nach sind wir da komplett im Dunklen – wir wissen, dass es praktisch eine Energie ist, die sich gegen die Schwerkraft wendet. Also eine Art negative Energie, die das Universum auseinandertreibt, statt der Schwerkraft, die es zusammenziehen würde", sagt Kissler-Patig.
Euclid soll mindestens sieben Jahre lang Daten liefern
Das Missionsteam erwartet mehrere Veröffentlichungen von Daten durch verschiedene Forschungsteams, die erste etwa ein Jahr nach dem Launch des Teleskops.
Euclid wird Treibstoff für mindestens sieben Jahre haben. In dieseer Zeit soll das Teleskop ein Drittel des Universums durchmustern. Wenn dann immer noch genug Energie übrig ist, könnte die Mission sogar verlängert werden.
Dieses Thema im Programm: MDR+ | 09. Mai 0023 | 23:00 Uhr
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