Aurora Borealis und Aurora Australis Steife Brise aus dem Weltall: Wie gefährlich können Polarlichter werden?
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14. Januar 2025, 11:06 Uhr
Faszinierende Polarlichter gab es in letzter Zeit häufiger zu sehen, sogar in den südlicheren Gefilden Deutschlands. Sie entstehen, wenn von der Sonne ausgestoßene, elektrisch geladene Teilchen, also ein Sonnenwind, auf das Magnetfeld der Erde treffen. Polarlichter an sich sind nicht gefährlich, aber ihr Auslöser kann weitreichende Folgen haben – vor allem in der Welt, in der wir uns gerade befinden.
Wenn jetzt nun ausgerechnet die Seenotretter in Seenot gerät, wäre das, gelinde gesagt, gleich in zweifacher Hinsicht schlecht. Das ist also ein Szenario, das Frank Weinhold und seine Crew nach Möglichkeit ausschließen wollen. An Bord des weiß-roten Seenotrettungskreuzers gibt es deshalb einen doppelten Boden in Navigationsdingen. Denn elektronische Karten und Radar lassen sich auch mal durch Störungen von außen aus dem Konzept bringen. Selbst der Kompass.
"Und wenn der gestört sein sollte, haben wir da oben noch einen magnetischen Kompass. Herkömmlich, so wie viele hundert Jahre auf normalen Schiffen gefahren wurde", sagt Weinhold, Vormann des Seenotrettungskreuzers NIS RANDERS der Deutschen Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger (DGzRS). Aber selbst der solide Navigationsklassiker ist vor Ausfall oder Irreführung nicht sicher. "Es kann immer was passieren. Die Technik kann ausfallen, es kann Wetterunbilden geben oder einen Sonnensturm, wie in der letzten Zeit."
Polarlichter: Ohne Wind, aber nur mit Sonnensturm
Und so ein Sonnensturm kann sich nicht nur aufs GPS, sondern auch auf den Funk auswirken. Oder sogar die Energieversorgung. Sonnensturm, die steife Brise im Weltall, obwohl es dort gar keinen Wind gibt.
Kleiner Exkurs: Ein Sonnensturm entsteht, wenn die Sonne elektrisch geladene Teilchen ausstößt. Treffen die auf das Magnetfeld der Erde, ist das für Groß und Klein ein großes Hallo: Zeit für Polarlichter! Dass Polarlichter vornehmlich dem hohen Norden und tiefen Süden des Planeten vorbehalten sind, liegt an der Form des Magnetfelds der Erde. Vereinfacht gesagt: An den magnetischen Polen, die nicht direkt am Nord- und Südpol liegen, tritt das Erdmagnetfeld aus dem Inneren aus und legt sich wie ein Mantel um die Erde hin zum gegenüberliegenden Magnetpol. An der "magnetischen Austrittsstelle" können die Sonnenpartikel ungehindert einströmen – Polarlichter entstehen.
Mehr Polarlichter über Deutschland
Dass 2024 nun auch in Deutschland plötzlich so viele zu sehen waren und es 2025 so weiter gehen kann, liegt an der derzeit erhöhten Sonnenaktivität. Aber auch an unseren technischen Möglichkeiten: Bei den letzten hohen Aktivitätszeiträumen war die mobile Kameratechnik noch nicht so ausgereift und stetig verfügbar wie jetzt. So landen auch mehr ansehnliche Polarlichterbilder im Netz.
Satelliten können betroffen sein, Stromnetze können betroffen sein. Und Services, von denen wir jeden Tag abhängen
An denen ist auch nichts auszusetzen – also weder an den Fotos noch an den Polarlichtern selbst. Aber ohne Sonnensturm eben keine grün-lila-roten Lichtschweife am Himmel. Nur können uns Sonnenstürme in der technisierten Welt nicht nur zurück zur Schönheit der Natur holen, sondern eben der Technikwelt ganz schön an den Kragen gehen. "Satelliten können betroffen sein, Stromnetze können betroffen sein. Und Services, von denen wir jeden Tag abhängen, also: Navigation, Kommunikation. Die sind für viele Berufszweige essenziell. Es gibt auch indirekte Auswirkungen: Software, Börsenhandel, Medizinprodukte, Wirtschaft." Das sagt Jens Berdermann, kommissarischer Leiter des Standorts Neustrelitz vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt, wo unter anderem zur Vorhersage von Weltraumwetter geforscht wird.
Warum haben wir in Deutschland 2024 eigentlich so oft Polarlichter gesehen? Die Sonne ist gerade besonders aktiv. Zugrunde liegt ein natürlicher Zyklus, der Sonnenfleckenzyklus, weil die Zahl und Größe der Sonnenflecken auf der Oberfläche mit zunehmender Aktivität wachsen. 2024 haben wir den Höhepunkt des elfjährigen Zyklus erreicht. Die Aktivität wird also jetzt wieder abnehmen und damit auch die Zahl der Polarlichter – bis Mitte der 2030er Jahre.
Das "Wetter" außerhalb der Atmosphäre ist ein nicht ganz unwichtiges Thema, weil unser Alltag von Technologie abhängig und ein Sonnensturm das ist, was wir eben überhaupt nicht gebrauchen können. Vor allem kein Extremereignis. Immerhin: "Die treten selten auf, das letzte ist 1859 aufgetreten." Was Jens Berdermann meint, ist das Carrington-Ereignis. Der bisher größte wissenschaftlich beobachtete Sonnensturm sorgte dafür, dass sogar in den Subtropen und Tropen Polarlichter zu sehen waren.
Carrington-Ereignis: Der extreme Sonnensturm von 1859
Besonders das damals noch neue Telegrafennetz war in Nordeuropa und Nordamerika betroffen: "Da fing die Station an zu brennen, die Operateure haben elektrische Schocks gekriegt und das System konnte man ohne Batterie betreiben. Heute wären die Auswirkungen natürlich deutlich gravierender, weil wir viel mehr technologische Systeme betreiben, sowohl am Boden als auch im Weltraum."
Ich muss in der Lage sein, ein Boot ohne elektronische Hilfsmittel von A nach B zu fahren
Was passiert, wenn ein Sonnensturm auf eine Welt voller Technik trifft, war 1989 in der kanadischen Provinz Québec zu erleben, wo mehrere Transformatoren ihren Dienst quittierten und schließlich über Stunden in der Region Montréal der Strom ausfiel. Und 2022 sind vierzig Internetsatelliten des Netzwerks Starlink verglüht, die kurz nach dem Start in einen Sonnensturm geraten waren und an Höhe verloren hatten. Hätte sich das denn nun verhindern lassen?
Weltraumwettervorhersage: Mehr als Polarlicht-Prognose
"Bei der Weltraumwettervorhersage muss man eben auch die geladenen Teilchen, die in der Sonne bis zur Erde bewegen und dann in das Erdsystem einkoppeln können, gut vorhersagen können. Und das ist noch ein weiter Weg", sagt Jens Berdermann. Immerhin: Der Weltraumwetterfrosch und sein Team haben in Neustrelitz einen ständigen Blick auf die Aktivität der Sonne – und stehen in Verbindung mit dem US-amerikanischen Beobachtungssatelliten DSCOVR in 1,5 Millionen Kilometern Entfernung zur Erde. So lässt sich eine halbe bis dreiviertel Stunde vorher sagen, ob ein Sonnensturm die Erde treffen wird. Durch eine neue Mission möchte die europäische Weltraumbehörde Esa die Vorwarnzeit verlängern. Mit einem geänderten, seitlichen Blickwinkel soll ein Satellit Massenauswürfe der Sonne früher erkennen als das bisher möglich ist. So besteht auch mehr Zeit, kritische Systeme vom Netz zu nehmen.
Zurück auf der Ostsee, auf den Gewässern vorm Darß und dem Rettungsschiff von Frank Weinhold. Seine Taktik, um bei Sonnenstürmen und sonstigen Ereignissen gewappnet zu sein, ist: Technik zu nutzen, ohne in die Abhängigkeit zu schlittern. "Es gibt genug Segler, die nur mit dem Handy durch die Gegend fahren, Google Maps und weiß der Geier. Tja, das ist keine gute Idee."
Stattdessen appelliert Weinhold, das klassische Navigieren nicht zu verlernen: "Ich muss in der Lage sein, ein Boot ohne elektronische Hilfsmittel von A nach B zu fahren." Denn vom sicheren Hafen aus ist der Blick auf die Polarlichter schließlich immer noch der schönste.
Dieses Thema im Programm: Das Erste | Polarlichter - schön und gefährlich | 13. Januar 2025 | 22:50 Uhr
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