
Wissen-News Material-Forschung: Mini-Roboter arbeiten zusammen wie Zellen eines Lebewesens
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24. Februar 2025, 17:30 Uhr
Intelligente Materialien der Zukunft könnten sich "lebendig" anfühlen, wenn sie Form und Festigkeit je nach Bedarf ändern. Gerade noch "schlaff" wie eine Flüssigkeit, dann auf einmal fest wie ein stabiles Werkzeug. Forscher aus Dresden und Kalifornien haben nun gezeigt, wie das grundsätzlich funktionieren kann: Mit vielen kleinen Robotern, die sich wie zusammengehörende Zellen eines Lebewesens verhalten.
Während der Entwicklung eines Embryos haben menschliche Zellen die bemerkenswerte Fähigkeit, sich eigenständig anzuordnen und den Organismus in komplexe Formen und verschiedene Konsistenzen zu bringen: So entstehen Hände, Füße oder das Gehirn. Eine Forschungsgruppe aus Dresden und Santa Barbara (Kalifornien, USA) hat nun einen Weg gefunden, solche Verformungen besser zu verstehen und mit zukünftigen intelligenten Materialien in Verbindung zu bringen. Sie haben Gruppen aus Mini-Robotern gebaut, die sich verhalten wie ein zusammengehörendes Material, das aber je nach Anforderung sehr veränderlich ist: steif oder formbar. Wenn Roboter in einer Gruppe fest miteinander verbunden wurden, war es bislang nicht möglich, dass sie ihre Gesamtform fließend ändern konnten. Jetzt geht das.
Noch ist das alles natürlich Grundlagenforschung, denn die Roboter sind zwar klein, für ein echtes Material der Zukunft aber noch deutlich zu groß. Jeder einzelne Roboter ähnelt in Größe und Form einem Eishockey-Puck, wiegt 135 Gramm und hat Materialkosten von knapp 60 Euro. Was mehrere Roboter dieser Art als Gruppe können, ist dennoch erstaunlich. "Lebende embryonale Gewebe sind die ultimativen intelligenten Materialien", sagt Otger Campàs, Direktor des Exzellenzclusters "Physics of Life" (Physik des Lebens) an der TU Dresden und Mitautor der neuen Studie. "Sie haben die Fähigkeit, sich selbst zu formen, sich selbst zu heilen und sogar ihre Materialstärke in Raum und Zeit zu kontrollieren."
Magnete und polarisiertes Licht machen den Roboter-Verbund "lebendig"
In der Welt der Roboter sind Magnete das Äquivalent zur Zell-Zell-Haftung. Sie ummanteln eine Robotereinheit und ermöglichen es den Robotern, sich aneinander festzuhalten – dann verhält sich die gesamte Gruppe wie starres Material. Durch die Einführung dynamischer Kräfte zwischen den Einheiten konnte die Herausforderung gemeistert werden, starre Kollektive in verformbare Materialien zu verwandeln, die lebendes embryonales Gewebe widerspiegeln: Zusätzliche Kräfte wie in Zellen wurden durch tangentiale Kräfte zwischen den Robotereinheiten kodiert. Acht motorisierte Zahnräder entlang der runden Außenseite jedes Roboters ermöglichen diese Einwirkung. Mit der Steuerung dieser Kräfte zwischen den Robotern war das Forschungsteam in der Lage, Rekonfigurationen in ansonsten vollständig starren Kollektiven zu ermöglichen. Das Ergebnis: Die Robotergruppen formierten sich neu.
"Jede Zelle kennt ihren Kopf und ihr Ende und weiß daher, in welche Richtung sie Kräfte anwenden muss", erklärt Elliot Hawkes, Professor für Maschinenbau an der University of California, Santa Barbara (UCSB). Auf diese Weise gelingt es dem Zellkollektiv, die Form des Gewebes zu verändern. In den Robotern wird diese Leistung durch Lichtsensoren mit Polarisationsfiltern auf der Oberseite jedes Roboters vollbracht. Wenn Licht auf die Sensoren fällt, dann bestimmt die Polarisation des Lichts, in welche Richtung die Roboter ihre Zahnräder drehen und ihre Form verändern müssen. "Man kann ihnen unter einem konstanten Lichtfeld einfach sagen, in welche Richtung sie gehen sollen“, sagt Studien-Erstautor Matthew Devlin von der UCSB.
Auf diese Weise konnten die Forscher die Gruppe von Robotern so steuern, dass sie sich wie intelligentes Material verhielten: Teile des Roboter-Verbunds schalteten die dynamischen Kräfte ein und "verflüssigten" das Gesamtmaterial, während die Roboter in anderen Teilen einfach aneinander festhielten und so ein starres Material bildeten. Indem sie dieses Verhalten über die gesamte Gruppe von Robotern hinweg steuerten, konnten die Forscher Robotermaterialien schaffen, die nicht nur schwere Lasten tragen, sondern sich auch umformen, Objekte manipulieren und sogar selbst heilen (also Lücken im "Zell"-Verbund schließen) können.
Die vorliegende Arbeit ist eine sogenannte Proof-of-Concept-Studie, die also nur zeigen soll, dass das Konzept funktioniert, aber noch keine konkreten Anwendungsmöglichkeiten aufzeigt. Der Roboter-Verbund der sächsisch-kalifornischen Forschungsgruppe besteht derzeit auch "nur" aus 20 Robotern. Simulationen zeigten aber, dass das System auf eine größere Anzahl von Einheiten skaliert werden kann. "Das könnte die Entwicklung von Robotermaterialien ermöglichen, die aus Tausenden von Einheiten bestehen, die unzählige Formen annehmen und ihre physikalischen Eigenschaften nach Belieben einstellen können", blickt Otger Campás von der TU Dresden in die Zukunft.
Links / Studien
Die Studie "Material-like robotic collectives with spatiotemporal control of strength and shape" ist im Fachjournal "Science" erschienen.
(rr, pm)
Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN - Das Sachsenradio | 20. Januar 2025 | 17:00 Uhr
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