Kernfusion Dresden, Rostock und der Mittelpunkt der Erde: Eine neue Fusion soll die Energie der Sonne freisetzen
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01. August 2024, 16:51 Uhr
Strom aus Kernfusion gilt als großer Hoffnungsträger, Erneuerbare auf dem Weg in eine saubere Energiezukunft zu unterstützen. Vorbild ist das Innere von Sternen, was die Sache auch ein bisschen kompliziert macht, schließlich muss alles unter irdischen Bedingungen stattfinden. In einem wichtigen Bereich soll Forschung aus Dresden und Rostock jetzt helfen. Ein neues Institut widmet sich sogenannter Hochenergiedichte – und hat auch höchste politische Wichtigkeit.
- Neben dem Ausbau der Erneuerbaren wird auch in anderen Bereichen der Energiegewinnung weiter geforscht, insbesondere für künftige Fusionskraftwerke
- In Rostock ist jetzt geplant, in Kooperation mit sächsischer Forschung ein Institut zu eröffnen, um bei der Laserfusionsenergie weiterzukommen
- Dazu muss Materie besser verstanden werden, die unter sehr hohen Druckbedingungen zu finden ist
Wem beim Fahrradaufpumpen schon bei viereinhalb Bar die Puste ausgeht und wer sich fragt, wann einem der steinharte Reifen eigentlich um die Ohren fliegt, sollte wissen: Im Kontext des Universums ist das alles Pudding. Und vielleicht nicht mal das. Bei einer Million Bar liegt die Schwelle, ab der die Physik von Hochenergiedichte spricht.
Energiedichte ist mit Druck gleichzusetzen. Die stark erhöhten Zustände beginnen im Prinzip unter unseren Füßen, bei halber Strecke auf die andere Seite der Erde, im Allerinnersten, "wo wir etwa dreieinhalb Millionen Bar an Druck haben und auch recht hohe Temperaturen. Und auch das Zentrum der Sonne oder Zustände in Sternen bezeichnen wir auch noch als Hochenergiedichte-Materie." Das sagt Dominik Kraus, Professor für Hochenergiedichtephysik an der Uni Rostock und Gruppenleiter für Hochenergiedichte am Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf.
Fusionsenergie: Die Politik fördert auch Laserfusion
Kraus ist als einer von zwei Gründungsdirektoren eines neuen Instituts für Hochenergiedichte vorgesehen, eine Kooperation zwischen Rossendorf und Rostock. Die Absichtserklärung, ein solches Institut aufzubauen, ist sozusagen Chefinnensache: Am 1. August haben Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) und Sachsens Ministerpräsident Michael Kretzschmar (CDU) feierlich ein entsprechendes "Memorandum of Understanding" unterzeichnet. Die beiden Bundesländer wollen den Aufbau kräftig unterstützen.
Und das liegt nicht daran, dass Schwesig und Kretzschmar plötzlich eine leidenschaftliche Faszination für Druckzustände wie im Inneren der Sonne entwickelt haben. Sondern ist in der Hoffnung auf eine emissionsfreie und sichere Energieversorgung begründet, die irgendwann einmal die Erneuerbaren ergänzen könnte: Fusionsenergie.
Das ist ein blinder Fleck im Verständnis von Materie und da müssen wir durch, um diese Form von Fusionsenergie auf der Erde nutzbar zu machen.
Also das, was auch im Inneren der Sonne passiert (und die produziert bekanntlich eine ganze Menge Energie). "Wenn wir Materie im Labor kontrolliert zu Bedingungen wie im Inneren der Sonne bringen wollen und darüber hinaus, ist das nicht einfach, diese hohe Energiedichte auch zu erhalten, für eine Zeit, die lang genug ist, dass wir genug Fusionsenergie erzeugen können", so Dominik Kraus, "sonst hätten wir auch schon Fusionsenergie auf der Erde. Das ist quasi so ein blinder Fleck im Verständnis von Materie und da müssen wir durch, um diese Form von Fusionsenergie auf der Erde nutzbar zu machen."
Kernfusion: Dichte warme Materie ist hochkomplex – und ein ganzes Institut wert
Dichte, warme Materie hochkomplex und befindet sich in einem Stadium zwischen Materie, wie wir sie kennen, und Plasma. So komplex, dass es für diesen blinden Fleck dann schon mal ein ganzes Institut bedarf. "Wir wollen das sowohl durch die Theorie mit neuen rechnergestützten Methoden als auch im Experiment mit ganz neuen Experimentieranlagen angehen, die in Deutschland, aber auch teilweise anderen Orts auf der Welt zur Verfügung stehen, und dieses Loch im Verständnis der Materie füllen", sagt Dominik Kraus. Rauskommen sollen am Ende hoffentlich spannende Erkenntnisse für die Astrophysik, aber vor allem eben die Trägheitsfusionsforschung. Das ist ein umgangssprachlich Laserfusion genannter Teilbereich der Kernfusionsforschung, in dem in den vergangenen Jahren Kraus zufolge erhebliche Fortschritte erzielt werden konnten.
Trägheitsfusion (Laserfusion, ICF) und Fusion durch magnetischen Einschluss (MCF) – was ist da der Unterschied? Bei der Trägheitsfusion wird Deuterium und Tritium durch Laser- oder Ionenstrahlen komprimiert und erhitzt, wodurch eine Fusionsreaktion ausgelöst wird. Bei der magnetischen Variante wird ein Plasma aus Deuterium und Tritium durch starke Magnetfelder eingeschlossen und auf hohe Temperaturen erhitzt. Durch den stabilen Zustand der Magnetfelder kann die Fusionsreaktion kontinuierlich ablaufen.
Wenn man nun Dominik Kraus fragt, wann Fusionsenergie aus der Steckdose kommt, antwortet er mit einem launigen Witz vom Fach: "Also da gibt es ja die berühmte Fusionskonstante, es dauert immer dreißig Jahre, zwanzig Jahre oder fünfzig Jahre." Er habe da unterschiedliche Zahlen gehört, die schon seit mehr als fünfzig Jahren genannt werden.
"Allerdings ist jetzt tatsächlich gerade eine sehr spannende Zeit." Und das ist gut, denn selbst im entsprechenden Wikipedia-Artikel steht schon in der Einleitung, dass die Forschung auf diesem Gebiet bisher hinter den Erwartungen zurückblieb. Zwar ist das Prinzip der Trägheitsfusion noch nicht so bekannt wie die Kernfusion durch magnetischen Einschluss – ein Verfahren, wie es am experimentellen Reaktor Wendelstein 7-X in Greifswald untersucht wird –, aber man komme mittlerweile in einen Bereich, in dem unter Laborbedingungen Energie erzeugt werden könne. Neben politischem Support werde auch mittlerweile privates Geld in den Bereich gesteckt, für Kraus ist das ein Zeichen, dass wirklich Bewegung in der Sache ist.
Wann können wir Strom aus Fusionskraftwerken nutzen?
Also, wie lange noch? "Ich glaube, dass man gar nicht mehr so weit weg ist", so Kraus. Vorausgesetzt, es gebe weitere Investitionen auf dem Gebiet. Nun gilt es aber erstmal, ein neues Institut aufzubauen und in eine fünfjährige Startphase zu bringen. Dazu entstehen sogar neue Räumlichkeiten auf dem Campus der Uni Rostock. Und dann heißt es: Den Mittelpunkt der Erde gibt's nicht nur unter unseren Füßen. Sondern auch in Mecklenburg-Vorpommern.
Dieses Thema im Programm: MDR | 01. August 2024 | 17:00 Uhr
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