ESA-Plan "Space Rider": Europas neues Raumschiff – wie ein Shuttle ohne Flügel
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18. April 2021, 05:00 Uhr
Die europäische Weltraumagentur ESA hat seit März einen neuen Chef. Der Österreicher Josef Aschenbacher will Europas Raumfahrt dynamischer, kommerzieller und risikofreudiger machen. Eines der Projekte, die anstehen, ist ein eigenes Raumfahrzeug, der Space Rider. Wer da wie, wann und warum ins All "reiten" soll, erklärt Guido Meyer.
Europa hat sich in der Raumfahrt in den letzten Jahrzehnten einen Namen gemacht: Unbemannte Sonden erforschen andere Planeten und Monde, und bemannt ist die "Alte Welt" fester Partner auf der Internationalen Raumstation. Aber bei der Raketentechnik hinkt die europäische Weltraumagentur ESA hinterher. Der Start der neuen Trägerrakete Ariane 6 findet erst 2022 statt, zwei Jahre später als geplant. Wiederverwendbare Raketen gibt es noch nicht. Und auch an so etwas wie einem eigenen Raumschiff, das ins All fliegen und auch wieder zurückkehren kann, hapert es noch. Doch nicht mehr lange. Die ESA bastelt derzeit an einem wiederverwendbaren Raumtransporter. Sein Name: Space Rider.
Vorgänger startete bereits 2015
Vor genau sechs Jahren klang es an Europas Weltraumbahnhof Kourou in Französisch Guyana so: "Sie sehen jetzt, wie Arianespaces Vega das IXV für die Europäische Weltraumorganisation startet. Der letzte Countdown steht an!" Kurz danach schießt eine europäische Vega-Rakete das IXV in den Weltraum. Diese etwas sperrige Abkürzung steht für Intermediate EXperimental Vehicle, also übersetzt für ein "mittelgroßes Experimentier-Vehikel".
"Das IXV ist ein länglicher Körper. Es hat so ein bisschen die Form des Shuttles, aber es fehlen ihm eben die Flügel", sagt Holger Burkhardt aus dem Programm für zukünftige Trägersysteme beim Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR). Ein "Shuttle ohne Flügel" – das macht ihn zu einer Art überdimensionalen Bobschlitten.
Von der Größe her ist es ungefähr ein Mittelklasseauto, hat so einen etwas ovalen Querschnitt, ist länglich, hat keine Ecken und Kanten dran, ist eher abgerundet - äußerlich eigentlich recht unspektakulär. Das ist so ein stumpfer Keil ohne besonderen Schnick-Schnack dran.
Space Rider hat die Größe eines Mittelklasseautos
Diesen "stumpfen Keil" – so Hendrik Weihs vom DLR in Stuttgart – soll eine europäische Vega-Rakete ins All schießen, und zwar von Europas Weltraumbahnhof in Französisch-Guyana aus. Hinter diesem "Keil" in Mittelklasseautoformat verbirgt sich der Space Rider – ein europäischer, wiederverwendbarer Raumtransporter. Und gerade deshalb, weil er eben recycelt werden soll, zieren schwarze Kacheln seine Unterseite – so wie damals, bei den US-Space Shuttles. Ihre Aufgabe: die Hitze beim Eintritt in die oberen Schichten der Atmosphäre aufzufangen – erklärt Holger Burkhardt vom DLR in Bonn.
Die keramischen Hitzeschutzkacheln, das ist eine Technologie, die in Deutschland entwickelt wurde. Und sie sind von ihrer Technologie auch eben einen Schritt weiter als das, was z.B. tatsächlich beim Space Shuttle in Anwendung war.
Ohne Hitzeschutz kein Wiedereintritt, und ohne zuverlässiges Kachelsystem kein Hitzeschutz. Die US-amerikanischen Space Shuttles fliegen nicht mehr, und auch das Automatische Transfer-Vehikel (ATV) haben die Europäer nach nur fünf Flügen eingemottet. Derzeit verfügt die europäische Weltraumagentur ESA über keinen Raumtransporter. Und selbst das ATV ist nach keinem seiner fünf Einsätze zur Erde zurückgekehrt, sondern nach Missionsende in der Atmosphäre verglüht – daher der Appell von Luft- und Raumfahringenieur Hendrik Weihs vom Institut für Bauwesen und Konstruktionsforschung des DLR: "Wiedereintrittstechnologie an sich ist schon extrem wichtig. Um volle Raumfahrtkonzepte zu haben, da muss man den Start beherrschen, man muss die orbitale Phase beherrschen, man muss aber auch die Rückkehr beherrschen.
Wenn wir irgendetwas aus dem All zurückhaben wollen, brauchen wir eine funktionierende Rückkehrtechnologie. Momentan haben wir als Europäer keine Möglichkeit, irgendetwas von der Raumstation zurückzubringen.
Wenngleich die Entwicklung des Space Riders bereits vor zwei Jahrzehnten begann, wiederholt Europa also nicht nur etwas, was die Amerikaner in drei Jahrzehnten Space-Shuttle-Flüge mehr oder weniger erfolgreich vorgemacht haben. Nein, die ESA wolle mit diesem Projekt einen Schritt weitergehen, sagt der italienische Ingenieur Giorgio Tumino, der Programm-Manager für den Space Rider. "Der Space Rider ist eine orbitale Plattform, eine Art Weltraumlabor, um neue Technologien zu erproben und in der Schwerelosigkeit zu forschen."
Experimente brauchen nicht so hohe Sicherheitsanforderungen
Und das heißt: Dieses Raumschiff soll nicht nur ins All und zurück fliegen, sondern der Space Rider könnte eine preisgünstigere, unbemannte Ergänzung zur Internationalen Raumstation werden. "Dadurch, dass Menschen mit an Bord sind, ist die Qualität der Schwerelosigkeit nicht ganz so hoch, wie das manchmal gewünscht wird", erklärt Holger Burkhardt. "Dadurch, dass es (die ISS Anm.d.Red.) eben ein bemanntes System ist, sind auch die Sicherheitsanforderungen sehr hoch. Und deswegen ist die Entwicklung von Experimenten für die Raumstation extrem langwierig und auch relativ teuer."
Eine unbemannte Experimentierplattform – wie der Space Rider es sein könnte – böte da eine billigere Möglichkeit, hofft Burkhardt: "Es könnte eher eine Alternative sein, dass Experimente für so eine Plattform gebaut werden, das Modell dann gestartet wird mit den Experimenten an Bord." So könnte es einige Woche oder bis zu sechs Monaten im All bleiben, so dass "in dieser Zeit die Experimente durchgeführt werden und diese zur Erde zurückgeführt werden können".
Und nach der Bergung kann mit der Auswertung der Flugdaten begonnen werden. Nachdem die ersten Testflüge erfolgreich geklappt haben, bauen Europas Weltraumingenieure derzeit an der ersten voll einsatzfähigen Flugversion fürs All. Die Verträge darüber wurden im Dezember 2020 mit mehreren italienischen Weltraumfirmen unterzeichnet. Ihr Jungfernflug ist für 2023 geplant.
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