Raumfahrt made in Germany: GAIA Aerospace Raketenstarts von Flugzeugen aus: Das deutsche Pendant zu Virgin Orbit
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13. April 2021, 13:42 Uhr
Der Raumfahrtmarkt für Kleinraketen befindet sich im Aufschwung. Da wollen auch deutsche Unternehmen mitmischen. Ein gemeinnütziger Verein möchte nun mit einer Ausgründung ebenfalls in die Liga der deutschen Raketenbauer aufsteigen und arbeitet an einem Konzept, das die besten Ideen der Raumfahrtindustrie in einem System vereinen soll: die Valkyrie-Rakete von GAIA Aerospace.
Bereits ab 2025 könnten deutsche Weltraumraketen von Flugzeugen aus ins Weltall fliegen. Vorausgesetzt, Deutschland bekommt seinen Weltraumflughafen in Rostock-Laage oder Nordholz. Der in Braunschweig ansässige Verein GAIA Aerospace forscht an einem Konzept, mit dem sich Raketen mit Hilfe von Flugzeugen von Deutschland aus ins All starten lassen sollen. Diese sollen dann in einer Höhe von elf Kilometern abgeworfen werden und fliegen von dort aus anschließend in den Orbit.
Der Clou: Die Raketen sollen wiederverwendbar sein und kommen an einem Fallschirm befestigt zurück zur Erde. Vor der Küste Norwegens würde sie ein Hubschrauber dann bergen. Wir haben mit Kai Höfner, dem Mitgründer von GAIA Aerospace, über seine Raumfahrtpläne gesprochen.
Das sollten sie über GAIA Aerospace wissen
Bei GAIA Aerospace handelt es sich um den gemeinnützigen Verein "German Association for Intercontinental Astronautics" (dt. Deutsche Gesellschaft für interkontinentale Raumfahrt), der die deutsche New Space-Szene miteinander vernetzt. New Space beschreibt die Ära der Raumfahrt 4.0, bei der auch private Anbieter im Weltall mitmischen. 2016 hatten Höfner und seine damaligen Kommilitonen den Verein gegründet. Neben der Vernetzung geht es bei GAIA auch um die Erforschung und Entwicklung nachhaltiger Raumfahrttechnologien, aus der wiederum neue Raumfahrt-Startups hervorgehen sollen.
Weltraumraketen für Flugzeuge
Die Idee, die Höfner und sein Team verfolgen, ist nicht neu. Vorbild ist das Air Launch-System vom privaten Raumfahrtunternehmen Virgin Orbit mit der Trägerrakete Launcher One, die mit einer umgebauten Boeing 747-400 in die Luft gebracht und dort abgeworfen wird. Nach drei Sekunden startet die Rakete und bringt ihre Nutzlast in den Orbit. Diese kann laut Höfner für den niedrigen Erdorbit bis zu 500 Kilogramm betragen und für den sonnensynchronen Orbit bis zu 300 Kilogramm.
Die Valkyrie-Rakete von Gaia Aerospace spielt dagegen in einer kleineren Liga: "Im Großen und Ganzen ist unser System weitaus kleiner und flexibler designt. Wir benötigen lediglich einen Airbus A320, also ein deutlich kleineres Trägerflugzeug. Und wir haben gerade mal eine Nutzlast von 60 Kilogramm in einen sonnensynchronen Orbit, in den LEO sind es 100 Kilogramm." LEO steht übrigens für den niedrigen Erdorbit (engl. Low Earth Orbit), der sich zwischen 200 und 2.000 Kilometer Höhe erstreckt. Bei einem sonnensynchronen Orbit dreht sich die Umlaufbahn über das Jahr hinweg mit dem Einfallswinkel der Sonne mit. So haben Erdbeobachtungssatelliten stets gleiche Belichtungsverhältnisse bei ihren Aufnahmen.
Im Gegensatz zu Virgin Orbit wird die Rakete nicht unter den linken Flügel montiert, sondern unter den Rumpf eines A320, der auch nur halb so groß wie eine Boeing 747-400 ist. Die Valkyrie ist mit ihren fast zwölf Metern Länge ein richtiger Knirps unter den Microlaunchern – das sind kompakte Raketen, die speziell für den Transport von kleinen Satelliten wie würfelförmige Cube-Sats konstruiert werden.
Wenn du es möglichst flexibel haben möchtest, musst du auch zusehen, dass möglichst kleine und kostengünstige Flugzeuge die Rakete transportieren können. Gerade da nicht jeder Flughafen als Spaceport geeignet ist oder die notwendige Bahnlänge für ein Großraumflugzeug mit sich bringt.
Der Volkswagen der deutschen Raketenbauer
Wettbewerber lauern auch in Deutschland. Deren Microlauncher bewegen sich aber in einer Größenordnung von 27 bis dreißig Metern. Den Vergleich zwischen der deutschen Microlauncher-Szene und der deutschen Autoindustrie, der in Insider-Kreisen gerne getroffen wird, findet Höfner besonders passend und sagt auch warum:
Wir hätten dann so etwas wie den Volkswagen unter den Raketen. Also eher das kleine, kompakte Vehikel, das für die Allgemeinheit oder für den Otto Normalbürger zuständig ist. Die Microlauncher von HyImpulse, Isar Aerospace oder RFA kommen da schon eher einem Mercedes, Audi oder BMW gleich und bedienen insbesondere etablierte Satellitenbauer wie Airbus oder OHB.
Gegenüber den deutschen Mitbewerbern hat GAIA Aerospace einen Vorteil, sofern sie ihr Konzept tatsächlich umsetzen werden: Ihre Rakete könnte bei Bedarf auch für vertikale Raketenstarts verwendet werden. Senkrechtstarter sind aber nicht für Air Launchs ausgelegt, da dort andere Kräfte herrschen. Außerdem sind die Witterungsbedingungen bei Air Launchs kaum relevant. Als Kunden sieht Höfner vor allem Erdbeobachtungsanbieter wie Planet aus Berlin oder Universitäten und Forschungseinrichtungen: "Kleine Cube-Sats und ganze Konstellationen aus Kleinsatelliten liegen aktuell hoch im Kurs." Das Konzept der Valkyrie ist übrigens eine Zusammenstellung der Crème de la Crème der Raumfahrt:
Es ist so ein Mix aus SpaceX, was die Wiederverwendbarkeit angeht, und Rocket Lab, was die Bergung und die Triebwerke betrifft. Dann kommt noch was von Astra hinzu, weil es vor allem so eine kleine Rakete mit extrem hoher Startrate ist, und natürlich Virgin Orbit wegen des AirLaunchs. Meiner Ansicht nach kann man jetzt schon sagen: Das Beste aus allen Welten ist in dem System vertreten.
Ist der Raumfahrtmarkt nicht gesättigt?
In Deutschland befindet sich der New Space Markt gerade im Aufschwung. Besonders was Microlauncher angeht. Auf dem internationalen Markt sieht die Sachen ganz anders aus, erzählt Höfner. "Inzwischen haben im weltweiten Microlauncher-Segment bereits über 200 Startups Interesse angemeldet und sind zum Teil bereits mit der Entwicklung ihrer Systeme beschäftigt. Und sich bei über 200 Mitbewerbern durchzusetzen wird eine harte Nuss." Und dann wäre da noch das Problem mit den Satellitenbauern:
Wir haben aktuell die Situation, dass der Satellitenmarkt im Verhältnis zum Microlauncher-Markt gar nicht richtig hinterherkommt. Das heißt, wir erleben eine regelrechte Schwemme an Microlaunchern, die momentan noch auf eine zu geringe Nachfrage trifft. Daher ist es für die Raketenbauer nun auch umso wichtiger, sich insbesondere auf ihre Alleinstellungsmerkmale zu fokussieren und sich damit passende Kundenkreise zu sichern.
Höfner vermutet, dass sich in den nächsten fünf bis zehn Jahren herausstellen wird, welche Unternehmen am Markt überleben werden und welche nicht. Er vergleicht es mit der Dotcom-Blase, bei der sich auch nur wenige Unternehmen wie Amazon oder Google etabliert haben. Wohin sich der Weltraummarkt für Microlauncher entwickeln und ob Deutschland einer der Big Player sein wird, bleibt abzuwarten.
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