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Neurologie Kopfschmerzen, die das Leben ersticken
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04. Februar 2025, 15:16 Uhr
Gibt es einen Zusammenhang zwischen Migräne und Suizid? Dänische Forschende haben festgestellt, dass Menschen mit bestimmten Kopfschmerzerkrankungen ein erhöhtes Risiko für Selbstmordversuche oder vollzogene Selbstmorde haben.
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Kopfschmerzen sind lästig, da sind sich die meisten Menschen doch recht schnell einig. Für viele sind sie aber sogar mehr als das, bei manchen Menschen stehen sie für eine extreme Einschränkung der Lebensqualität. Sie können sogar so weit führen, dass das Leben nicht mehr lebenswert erscheint. Forschende des Universitätsklinikums Aarhus in Dänemark haben in einer breitangelegten Kohortenstudie untersucht, ob diagnostizierte Kopfschmerzen einen Einfluss auf das Risiko versuchter und tatsächlich durchgeführter Selbstmorde haben.
Kopfschmerzen können Einfluss auf alle Lebensbereiche haben
Bei Erwachsenen im erwerbsfähigen Alter sind Kopfschmerzen eine der Hauptursachen für Produktivitätsverlust, Arbeitsausfälle und kurzfristige Arbeitsunfähigkeit. Aber natürlich leidet nicht nur die Arbeit unter den Kopfschmerzen, sondern auch die Lebensqualität. Außerdem sind sie häufig von Stimmungs- und Angststörungen oder somatoformen Störungen, also körperliche Beschwerden, die sich aber nicht auf eine organische Erkrankung zurückführen lassen, begleitet.
Erhöhte Suizidgedanken bei extremen Kopfschmerzen
Bereits frühere Untersuchungen haben festgestellt, dass Patienten, die unter Migräne oder Clusterkopfschmerzen leiden, eine erhöhte Rate an Suizidgedanken und suizidalem Verhalten verzeichnen. In der US-amerikanischen Clusterkopfschmerz-Umfrage von Rozen et al. wurde zum Beispiel deutlich, dass 55 Prozent der Befragten über Suizidgedanken berichten. Umgangssprachlich wird diese primäre Kopfschmerzerkrankung aufgrund der Schwere der Anfälle auch Selbstmordkopfschmerz genannt.
Komplexe Zusammenhänge zwischen Schmerz und Verhalten
In der Forschung wurden schon verschiedene Mechanismen identifiziert, die Ursache für den Zusammenhang zwischen Kopfschmerzen und Suizid zugrunde liegen könnten. Zum einen kann eine bidirektionale Beziehung zwischen Kopfschmerzen und psychiatrischen Begleiterkrankungen bestehen. Kopfschmerzen können als Reaktion auf psychiatrische Symptome stärker werden und häufiger auftreten. Außerdem könnten Demoralisierung und Hoffnungslosigkeit, die mit starken Kopfschmerzen einhergehen können, dazu beitragen, dass Selbstmordgedanken und -versuche aufkommen.
Zum anderen können Veränderungen im serotonergen System eine Rolle spielen. Hiermit ist die Gesamtheit aller Neuronen gemeint, die Serotonin ausschütten können. Serotonin ist an einer Vielzahl von Prozessen im Körper beteiligt. So trägt es wesentlich zur Hemmung der Schmerzweiterleitung bei, ist aber auch für die Regulation der Stimmung und der Impulskontrolle mitverantwortlich.
Obwohl diese Mechanismen bekannt sind, hat sich die Forschung bisher überwiegende auf die Untersuchung von Migräne und Suizidalität konzentriert. Andere Kopfschmerzarten wurden weniger berücksichtigt.
Erweiterung des Kopfschmerzspektrums
Die dänischen Forschenden wollten den Blick daher erweitern. Dazu schauten sie sich in der bevölkerungsbasierten Kohorten Studie die Daten von 119.486 Kopfschmerzpatienten und 597.430 Vergleichspersonen in einem Zeitraum von 1995 bis 2020 an. Berücksichtigt wurden in den Diagnosen Migräne, Spannungskopfschmerzen, posttraumatische Kopfschmerzen, sowie trigemino-autonomen Kopfschmerzen. Letztere sind attackenartige einseitige Kopfschmerzen, die im Bereich des Trigeminusnervs auftreten. Auch die oben erwähnten Clusterkopfschmerzen zählen zu dieser Schmerzgruppe.
Die Ergebnisse der Studie haben verdeutlicht, dass es unter den Menschen mit Kopfschmerzerkrankungen ein erhöhtes Risiko für Suizidversuche und vollendete Suizide gibt. Auch hier bestätigte sich das bereits anerkannte erhöhte Risiko bei Migräne und Clusterkopfschmerzen. Allerdings konnten die Forschenden diesen Zusammenhang auch bei den anderen Kopfschmerzerkrankungen, einschließlich den Spannungskopfschmerzen (TTH) feststellen. Spannungskopfschmerzen sind in der Regel durch leichte bis mäßige Intensität gekennzeichnet. Das heißt, dass die Ergebnisse zeigen, dass selbst bei Patienten mit leichteren Kopfschmerzen ein erhöhtes Suizidrisiko bestehen kann.
Intensivere Auseinandersetzung mit Kopfschmerzpatienten
Anhand dieser Ergebnisse legen die Forschenden nahe, dass ein Screening der Kopfschmerzpatienten und eine damit einhergehende frühzeitige Erkennung depressiver Symptome dazu beitragen kann, diejenigen zu identifizieren, die ein erhöhtes Suizidrisiko haben. Und auch bei der Medikamentenvergabe sollten die Ergebnisse berücksichtigt werden, denn Medikamente zur Prävention von Kopfschmerzen könnten mit Medikamenten zur Behandlung depressiver Symptome kollidieren. Darüber hinaus weisen die Forschenden darauf hin, dass Kopfschmerzpatienten wegen der oben erwähnten bidirektionalen Beziehung zwischen Kopfschmerzen und psychiatrischen Symptomen von einer Mitbehandlung durch Verhaltensmediziner profitieren könnten.
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Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | Black-Box Sterbehilfe – Doku über assistierten Suizid | 04. Februar 2025 | 20:00 Uhr
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