Zeitumstellung Schon wieder Sommerzeit?! Was die Wissenschaft davon hält
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04. März 2025, 15:49 Uhr
Eigentlich war die Abschaffung der Zeitumstellung beschlossene Sache, aber nun kommt sie doch wieder und wieder und wieder ... Ende März stellen wir die Uhren um eine Stunde vor. Von der Winter-, unserer Normalzeit, auf die Sommerzeit. Die Wissenschaft hält davon gar nichts. Welche Nachteile die Sommerzeit hat und welche Ansätze der Verbesserung es gibt – ein Überblick.
Schon wieder ist ein halbes Jahr um und die Sommerzeit steht ins Haus. Am 30. März wird die Uhr um eine Stunde vorgestellt, von 2 Uhr auf 3 Uhr morgens. Wer sich immer noch nicht merken kann, ob vor oder zurück, sollte sich mit dieser Eselsbrücke behelfen: Im Sommer stellen wir die Gartenmöbel vor das Haus und im Winter wieder zurück.
Oder lohnt es sich vielleicht gar nicht mehr, sich das zu merken? Denn zur Erinnerung: 2019 hat das EU-Parlament mit großer Mehrheit für die Abschaffung der Zeitumstellung ab dem Jahr 2021 gestimmt. Nun ja, das ist ein paar Tage her und die Zeitumstellung gibt es immer noch. Also woran hakt es? Zum einen haben nicht alle 27 EU-Staaten zugestimmt und zum anderen kann man sich nicht darauf einigen, ob nun die Sommerzeit oder die Winterzeit (Normalzeit) gewählt werden soll. Ganz zu schweigen von den vielen kleinen Hindernissen und dem Abstimmungsaufwand in den Bereich Wirtschaft und Verkehr, die die EU-Länder überwinden müssten. Aktuell gibt es vermutlich wichtigere Themen in der Europäischen Union, die Entscheidungen erfordern.
Wir passen uns nicht der Zeit an, sondern der Uhr
Weil die Frage dennoch aller halben Jahre aufkommt, ob Zeitumstellung oder nicht und welche Zeit denn nun die richtige, gute Zeit wäre, haben wir ihnen hier nochmal zusammengestellt, was die Wissenschaft zum Thema zu sagen hat. Allem voran, die Tatsache, dass man die Zeit ja gar nicht umstellen kann, sondern nur die Uhr.
"Und dann passen wir uns der Uhr an. Auch wenn es nur eine Stunde ist. Diese eine Stunde ist ein nachweislicher Störfaktor für die Gesundheit, das Wohlbefinden und die Leistungsfähigkeit", sagt Prof. Dr. Kerstin Cuhls vom Fraunhofer ISI, dem Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung. Hier ist das Projekt CIRCADIA angesiedelt, das sich für einen Weg in eine chronobiologisch aufgeklärte Gesellschaft einsetzt.
Denn eigentlich haben wir eine bzw. mehrere innere Uhren, sogenannte zirkadiane Rhythmen. Hier gibt es zum Beispiel den Tag-Nacht-Rhythmus oder den Ruhe-Aktivitäts-Rhythmus. Aber auch hormonelle Abläufe im Körper haben ihre eigene Zeitrechnung. Vor allem das Tageslicht ist Zeitgeber dieser inneren Uhren. Stellen wir die Uhren um, weichen sie vom Sonnenlicht ab und geraten aus dem Gleichgewicht.
Gesundheitliche Nachteile
Natürlich gewöhnen wir uns immer wieder nach einigen Tagen an die Umstellung der Zeit, doch unsere innere Uhr ist ziemlich sensibel und spielt für unsere Gesundheit eine wichtige Rolle. Forschende in der Schweiz haben zum Beispiel herausgefunden, dass der zirkadiane Rhythus auch die Tumorprogression und -ausbreitung beeinflusst, weil dieser die meisten zellulären Funktionen regelt. Auch die, die am Krebswachstum beteiligt sind. Diesen Rhythmus zu verstehen und bestenfalls auch nicht durcheinanderzubringen, könnte ein vielversprechender Ansatz im Kampf gegen Metastasen sein.
Auf der Hand liegt natürlich, dass unser Schlaf durch das Vor- und Zurückstellen der Uhr durcheinanderkommt. Vor allem eigentliche Spätaufsteher, sogenannte Eulen haben jetzt daran zu knabbern, denn ihnen fehlt schlichtweg Schlaf. Und dieser Schlafmangel führt langfristig zu gesundheitlichen Problemen, beeinträchtigt unsere kognitive Leistung und Produktivität.
Frühaufsteher, sogenannte Lerchen haben hier weniger Probleme. Ob man Lerche oder Eule ist, kann man sich übrigens nicht selbst aussuchen. Der Chronotyp ist genetisch festgelegt. Wie die innere Uhr tickt, verändert sich zudem im Laufe des Lebens mehrmals. Die meisten Teenager sind zum Beispiel bei Schulbeginn nach ihrer inneren Uhr noch mitten in der Nacht und haben somit ein biologisch begründetes Leistungstief am Morgen. Die Anpassung der Schulzeiten ist also durchaus sinnvoll. Und auch Nachtarbeit, läuft der inneren Uhr gänzlich entgegen und ist gesundheitsschädlich. Aber das ist noch einmal ein ganz anderes Thema.
Was die Zeitumstellung auch mit sich bringt, ist ein Anstieg schwerer Verkehrsunfälle. Eine US-Studie stellte fest, dass sich die Zahl der tödlicher Unfälle in der Woche der Umstellung im Schnitt um sechs Prozent erhöhte. Am stärksten war dieser Effekt in den Morgenstunden. Auch hier vermuten die Forschenden, dass der gestörte Biorhythmus Einfluss auf die Unfälle hatte.
Vielleicht doch besser Zeitzonen?
Sollte die Zeitumstellung also tatsächlich einmal abgeschafft werden, wäre die Winterzeit (Normalzeit) aus chronobiologischer Sicht am sinnvollsten. "Die Standardzeit entspricht ungefähr den natürlichen Dunkel- und Hellphasen von Tag und Nacht", erläutert Malcolm von Schantz von der Northumbria University.
Doch wenn die Tageszeit bzw. Sonnenzeit eine so große Rolle spielt, ist womöglich eine einheitliche Mitteleuropäische Zeit gar nicht so ratsam. Denn das würde bedeuten, dass zur Sommersonnenwende Mitte Juni in Ostpolen die Sonne von 3 Uhr morgens bis 20 Uhr abends scheinen würde. In Westspanien von 6 Uhr bis 21:30 Uhr.
"Wir brauchen eine Neusortierung der Zeitzonen. Länder östlich von Deutschland wechseln in die Zeitzone 'GMT +2'. Und Spanien wechselt in die 'GMT' und wäre damit in derselben Zeitzone wie Portugal oder Großbritannien", schlägt Korbinian von Blanckenburg, Professor für Volkswirtschaftslehre und Wirtschaftsmathematik an der Technischen Hochschule Ostwestfalen-Lippe vor.
Resultat der Neusortierung wäre, dass am 21. Juni in Ostpolen die Sonne von 4 bis 21 Uhr zu sehen wäre, am 21. Dezember von 8.30 bis 16 Uhr. Deutschland hätte zur Sommersonnenwende von 4 bis 20:30 Uhr Licht und am 21. Dezember von 8:15 bis 16 Uhr. In Spanien würde am 21. Juni gelten: Sonne von 5 bis 20:30 Uhr sowie am 21. Dezember von 8 bis 17 Uhr.
Keine Umstellung in Sicht
Welche Regelung es in Zukunft in Europa geben wird, ist noch nicht absehbar. Und vor 2026 passiert sowieso nichts, denn die Termine für die Sommer- oder Winterzeit sind bis dahin amtlich festgelegt. Dass es in Europa aber auch anders geht, zeigt zum Beispiel Island. Hier erfolgte 1967 die letzte Zeitumstellung. Und theoretisch wird auch in der Ukraine in diesem März erstmals keine Uhr auf Sommerzeit umgestellt.
jes
Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | 01. März 2025 | 19:30 Uhr
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