Wissen-News Neurologische Studie aus Magdeburg: Rückenmark keine bloße Datenautobahn
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24. Januar 2025, 14:38 Uhr
Forschende aus Magdeburg haben nachgewiesen, dass das Rückenmark mehr ist als eine bloße Verbindungslinie für Reize. Stattdessen werden bereits dort Signale verarbeitet, bevor sie im Gehirn weiter verwertet werden.
Die neue Studie von Wissenschaftlern des Leibniz-Instituts für Neurobiologie (LIN) in Magdeburg und der Universitätsmedizin der Landeshauptstadt soll wegweisend sein. Der Neurologe und Erstautor der Untersuchung Max-Philipp Stenner erklärt die Kernerkenntnis: "Wer verstehen will, wie das Nervensystem Reize verarbeitet, muss das Rückenmark als erste Verarbeitungsstation mit einbeziehen." Er und seine Kollegen haben in zwei Experimenten gezeigt, dass Vorwissen über Schmerzreize die Informationsverarbeitung im Rückenmark beeinflusst, lange bevor das Hirn aktiv werden kann.
Vorhersagbarkeit von Schmerz beeinflusst die Datenweitergabe schon im Rückenmark
"Unsere Wahrnehmung ist immer eine Interpretation, basierend auf unserem Vorwissen und unseren Erfahrungen. Entsprechend ist schon lange bekannt, dass sich die Verarbeitung eines Sinnesreizes im Gehirn je nach Vorwissen verändert. Wir konnten nun erstmals zeigen, dass Vorwissen die Reizverarbeitung nicht erst im Gehirn, sondern bereits im Rückenmark verändert", sagt Stenner.
Der Versuchsaufbau wirkt einfach: Die Wissenschaftler zeichneten mit Hilfe von Elektroden in der Nähe des Rückenmarks von dort ausgehende elektrische Signale auf. Die Probanden hörten im Experiment einen Ton, auf den nach einem kurzen Zeitraum ein Stromstoß am Handgelenk folgte. Blieb der Abstand zwischen dem auditiven und dem taktilen Reiz gleich und das Signal somit vorhersehbar, waren die elektrischen Impulse des Rückenmarks schwächer, als wenn der Stromstoß überraschend kam.
Die gemessenen Ausschläge traten bereits nach 13 Millisekunden auf – noch vor der ersten Reizverarbeitung im Gehirn. Diese frühe Verarbeitung auf Rückenmarksebene nachzuweisen, gelang vorher noch in keiner Untersuchung. Im Fokus standen bei den Magdeburgern sogenannte hochfrequente Oszillationen, eine Art Sprache des Rückenmarks, die bisher kaum erforscht war. "Unsere Ergebnisse zeigen, dass diese Signale entscheidend an der kontextabhängigen Reizverarbeitung beteiligt sind", so Stenner. Die Nervensignale waren bisher schwer messbar, besonders nicht-invasiv. Die neue Untersuchung hat dahingehend einen Durchbruch erzielt.
Hoffnung für Parkinson-Therapie
In einem zweiten Versuch testeten die Magdeburger Forscher ihre Ergebnisse mit Elektroden, die am Hals angebracht wurden – also nicht-invasiv. Auch hier zeigten die hochfrequenten Nervensignale: Vorwissen über einen Reiz beeinflusst die Signalstärke bereits im Rückenmark. Die Interpretation der Wissenschaftler ist, dass das Rückenmark die erste Station im zentralen Nervensystem ist, an der Signale aus dem Körper unterhalb des Halses ankommen. Was hier geschieht, beeinflusst die nachfolgende Informationsverarbeitung im Gehirn. Gleichzeitig zeige die Studie, so die Forscher, dass das Rückenmark ohne Berücksichtigung von Kognition nicht vollständig verstanden werden könne.
Bereits jetzt laufen weitere Untersuchungen, die sich mit der Reizverarbeitung im Rückenmark vor Bewegungen befassen. Stenner und Kollegen erhoffen sich daraus Erkenntnisse, die für das Verständnis von Bewegungsstörungen wie bei der Parkinson-Krankheit entscheidend sind. Langfristig soll dies dazu beitragen, neuartige Therapien zu entwickeln.
Link zur Studie
Die Untersuchung "Prior knowledge changes initial sensory processing in the human spinal cord" ist in der Fachzeitschrift "Science Advances" erschienen.
idw/jar
Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT | 15. Januar 2025 | 09:31 Uhr
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