Hochverarbeitete Lebensmittel Was Tiefkühlkost, Snacks und Fertiggerichte mit Diabetes zu tun haben
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17. September 2024, 13:45 Uhr
Menschen, die mehr hochverarbeitete Lebensmittel essen, haben ein höheres Risiko, an Typ-2-Diabetes zu erkranken. Das ist das Ergebnis einer neuen, europaweiten Studie mit über 300.000 Teilnehmern.
Für weniger Risiken und Nebenwirkungen verzichten Sie auf Tiefkühlkost, Snacks, Fertiggerichte. So ähnlich könnte man die Ergebnisse einer aktuellen Studie aus London zusammenfassen. Menschen, die mehr hochverarbeitete Lebensmittel essen, haben demnach ein deutlich höheres Risiko, an Typ-2-Diabetes zu erkranken, zeigt die Studie unter der Leitung von Forschern der University of Cambridge und des Imperial College London, veröffentlicht in The Lancet Regional Health – Europe.
Europaweit haben die Forscher das im Rahmen des sogenannten EPIC-Programms untersucht. EPIC steht dabei für European Prospective Investigation into Cancer and Nutrition, zu Deutsch: Europäische prospektive Untersuchung zu Krebs und Ernährung. In acht Ländern nahmen 311.892 Personen über einen Zeitraum von 10,9 Jahren teil. Die Länder: Frankreich, Spanien, Italien, Schweden, Dänemark, Niederlande, Großbritannien und Deutschland. Die deutschen Teilnehmer kamen aus Heidelberg und Potsdam.
Die Daten, die dabei erhoben wurden, zeigen einen klaren Zusammenhang. Alle zehn Prozent mehr Ernährung mit hochverarbeiteten Lebensmitteln erhöht sich das Risiko für einen Typ-2-Diabetes um 17 Prozent. Zu den Gruppen mit dem höchsten Risiko gehörten herzhafte Snacks, tierische Produkte wie verarbeitetes Fleisch, Fertiggerichte sowie zuckerhaltige und künstlich gesüßte Getränke.
Was sind Hochverarbeitete Lebensmittel?
Ultra-processed Foods (UPF) heißen sie im Englischen. Die Forscher nutzten für ihre Einteilung die sogenannte Nova-Klassifikation. Diese unterteilt Lebensmittel in vier Gruppen: unverarbeitete oder minimal verarbeitete Lebensmittel wie Eier, Milch und Obst; verarbeitete Zutaten wie Salz, Butter und Öl; verarbeitete Lebensmittel wie Fischkonserven, Bier, Käse oder unverpacktes, frisches Brot und ultra-verarbeitete Lebensmittel wie verzehrfertige/aufwärmbare Mischgerichte, herzhafte Snacks, Süßigkeiten, Gebäck und Desserts.
Bei den hochverarbeiteten Lebensmitteln wurde zusätzlich eine Einteilung in diese neun Untergruppen vorgenommen:
- Brot, Kekse und Frühstückscerealien
- Saucen, Aufstriche und Gewürze
- Süßigkeiten und Desserts
- Pikante Snacks
- Pflanzliche Alternativen
- Tierische Produkte
- Verzehrfertige/aufwärmbare gemischte Gerichte
- Künstlich und zuckergesüßte Getränke
- Alkoholische Getränke
- Andere hochverarbeitete Lebensmittel
Nova-System ist nur die Nummer zwei
Nova ist allerdings nur eines von mehreren Systemen, die Lebensmittel nach ihrem Bearbeitungsgrad einordnen. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) hat daher eine Übersicht und Einschätzung vorgenommen (Link unter dem Text). Dabei ist das Nova-System, das bisher in vielen Studien genutzt wurde, für die DGE nur die zweite Wahl. Die Ernährungsexperten empfehlen die Siga-Klassifizierung. Die achtet z.B. stärker auf den Zusatz von Zucker, Fett und Salz, oder auf Zusatzsstoffe, die als gesundheitsbedenklich bzw. als potenzielles Gesundheitsrisiko bewertet werden.
Auch die Deutsche Lebensmittelindustrie sieht die das Nova-System kritisch und führt als Beispiel Brot an: wenn es abgepackt in einem Supermarkt gekauft wird, gilt es als (ultra-)hochverarbeitet, auch wenn es möglicherweise weniger Salz und mehr Ballaststoffe enthält als das unverpackte Brot aus einer Bäckerei.
Forscher betonen den Nutzen – kausaler Zusammenhang fehlt
"Die Ergebnisse dieser Studie ergänzen die wachsende Zahl von Forschungsarbeiten, die den Konsum von UPF mit einem höheren Risiko bestimmter chronischer Krankheiten wie Fettleibigkeit, kardiometabolischer Erkrankungen und einiger Krebsarten in Verbindung bringen", so Marc Gunter, ein Autor der Studie und Professor für Krebsepidemiologie und -prävention am Imperial College London. Die Untersuchung, das machen auch die Autoren klar, hat jedoch einen großen Schwachpunkt: es ist eine Beobachtungsstudie. Die Forscher können also keinen kausalen Zusammenhang herstellen.
Das ist nicht das einzige Problem der neuen Untersuchung. "Die meisten Langzeit-Kohortenstudien zu Zusammenhängen zwischen UPF und chronischen Krankheiten, wie diese hier, basieren auf Messungen der Nahrungsaufnahme, die Daten verwenden, die erhoben wurden, bevor das Konzept der UPF entwickelt und veröffentlicht wurde", so Prof. Kevin McConway, emeritierter Professor für angewandte Statistik an der Open University. Er hat die Studie für das britische Science Media Center bewertet.
Obwohl es sich in vielerlei Hinsicht um eine gute Studie handele, so McConway, und sie ein wenig mehr Licht auf die möglichen Hintergründe des Zusammenhangs zwischen UPF-Konsum und schlechter Gesundheit werfe, "lässt die neue Studie eine große Anzahl von Fragen völlig unbeantwortet."
Und jetzt: Einfach weiter rein mit den Snacks?
Die Studienlage zu hochverarbeiteten Lebensmitteln ist schwierig. Es gibt viele Einschränkungen oder Verzerrungen, sagt die Deutsche Gesellschaft für Ernährung. Die Hinweise auf Risiken für Übergewicht, Adipositas, Bluthochdruck, Typ-2-Diabetes und Herz-Kreislauf-Erkrankungen sind überall gegeben, aber es fehlt immer noch an Ursachenforschung: Warum haben hochverarbeitete Lebensmittel Nebenwirkungen, und wann genau welche? Die Zeit drängt. Denn obwohl es viele Appelle gibt, den Verzehr von hoch verarbeiteten Lebensmitteln zu begrenzen, etwa der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO), bilden sie unsere Hauptenergiequelle. In Deutschland stammten laut Berechnungen der Nationalen Verzehrstudie II (NVS II) bereits Anfang der 2000er-Jahre etwa 50 Prozent der gesamten Energieaufnahme von Erwachsenen aus stark verarbeiteten Lebensmitteln.
Und was kochen Sie heute Abend? Vielleicht kommen Sie ja zurück zu dem mittlerweile über 50 Jahre alten Slogan: Aus deutschen Landen frisch auf den Tisch – Kleingärten und Balkons natürlich eingeschlossen.
Links/Studien
The Lancet Regional Health – Europe: Lebensmittelkonsum nach Verarbeitungsgrad und Risiko für Typ-2-Diabetes mellitus: eine prospektive Kohortenanalyse der European Prospective Investigation into Cancer and Nutrition (EPIC)
Die Europäische prospektive Untersuchung zu Krebs und Ernährung (EPIC)
Der 15. Ernährungsbericht der Deutschen Gesellschaft für Ernährung: Hier als pdf
Die Nationalen Verzehrstudie II: Was kommt in Deutschland auf den Tisch?
Der Lebensmittelverband: FAQ zu (hoch)verarbeiteten Lebensmitteln
gp
Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | MDR um zwei | 11. Mai 2024 | 16:20 Uhr
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