Arbeitspsychologie Krank zur Arbeit? Nach Corona wird sich das ändern
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23. März 2020, 15:41 Uhr
Viele machen das: Der Kopf brummt, die Nase trieft und trotzdem quält man sich zur Arbeit. Das Phänomen, dass Menschen trotz Krankheit arbeiten, nennen Psychologen "Präsentismus". Damit gefährdet man nicht nur das Team, sondern sich selbst und sogar das Unternehmen, haben Forschende aus Leipzig herausgefunden. Sie beobachten gerade aufmerksam, wie sich dieses Verhalten nun womöglich ändern könnte, denn in Zeiten des Corona-Virus' hat "Präsentismus" eine ganz besondere Brisanz.
Ein Nieser hier, ein bisschen Husten da: Noch vor ein paar Wochen, war es ziemlich normal, dass der eine oder die andere am Arbeitsplatz nicht zu hundert Prozent fit ist. Einer Umfrage des Deutschen Gewerkschaftsbunds zufolge waren im vergangenen Jahr zwei Drittel aller Arbeitnehmer auf Arbeit, obwohl sie krank waren. Im Zuge der Coronakrise jedoch ändert sich das, beobachtet Arbeitspsychologie-Professor Hannes Zacher von der Universität Leipzig:
Schon jetzt werden Personen, die husten und auf der Straße sind, schief angeschaut, erst recht solche, die hustend und verschnupft ins Büro kommen. Aus meiner Sicht ist es überhaupt nicht akzeptabel, dass Menschen, die im Moment erkältet sind, egal, ob sie vom Corona-Virus oder der normalen Grippe betroffen sind, zur Arbeit oder in die Öffentlichkeit gehen.
Zacher und sein Team erforschen das Phänomen "Präsentismus" schon länger. Kurz vor der Corona-Krise haben sie sogar Menschen dazu befragt, wie häufig sie krank zur Arbeit erscheinen. Diese sollen in einigen Monaten noch einmal befragt werden, um zu schauen, ob sich ihre Einstellungen verändert haben. Der Psychologie-Professor geht davon aus, dass sich da einiges geändert haben könnte:
Im Grunde ist die Corona-Krise eine natürliche Intervention. Das heißt, das Thema Krankheit, krankheitsbezogenes Verhalten, Präsentismus wird jetzt viel stärker von Menschen im Arbeitskontext und darüber hinaus reflektiert. Ich vermute, dass es künftig nicht mehr selbstverständlich sein wird, mit Husten oder Erkältung zum Arbeitsplatz zu gehen.
Krank sein "aufschieben" - rächt sich später
In jedem Fall wird die Arbeitswelt sich nach der Corona-Krise verändern, glaubt Zacher. Und das sei gut so, denn eine Studie der Leipziger habe ergeben, dass ein Viertel der Teilnehmenden über einen Zeitraum von drei Monaten krank zur Arbeit gegangen sind. Auf lange Sicht koste das Unternehmen mehr, als wenn die Mitarbeiter gleich zuhause blieben:
Interessanterweise können wir zeigen, dass die Mitarbeitenden, die häufig krank zur Arbeit erscheinen, zu einem späteren Zeitpunkt häufiger auch wieder krankgeschrieben werden. Das heißt, Präsentismus ist nicht gut für die körperliche und psychische Gesundheit. Sie kann dazu führen, dass man später und längerfristiger häufiger krank sein wird.
Umgang mit Krankheit: Wie die Führungskräfte, so das Team
Das Risiko für chronische Erkrankungen ist bei diesen Menschen höher. Besonders Menschen, die Angst um ihren Arbeitsplatz haben, neigten zu Präsentismus, erläutert der Psychologie-Professor. Aber auch Zeitdruck, Arbeitsrückstände und das Gefühl, die Kollegen nicht im Stich lassen zu wollen, können Gründe sein. Zacher und sein Team haben auch erforscht, welche Rolle die Führungskräfte dabei spielen:
In Teams mit Führungskräften, die krank zur Arbeit erscheinen, kommen Mitarbeiter auch häufiger krank zur Arbeit. Es gibt da einen sogenannten Spill-Over-Effekt, dass Mitarbeitende von ihren Führungskräften im Verhalten angesteckt werden.
Deshalb rät Zacher Führungskräften, selbst eine Vorbild-Rolle einzunehmen und bei Krankheit eben nicht zur Arbeit zu gehen. Außerdem sollten Unternehmen klare Regeln haben: Wer krank ist – und sei es auch nur ein bisschen – der bleibt trotzdem Zuhause und kuriert sich aus.
kk/fp
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